Monthly Archives: Oktober 2013

Thomas Raab – Der Metzger kommt ins Paradies

Dieser Urlaub ist die Hölle

Das der Traumurlaub schnell zum Horrorurlaub mutieren kann, diese Erfahrung muss der Wiener Kunstrestaurator Willibald Adrian Metzger in seinem sechsten Abenteuer machen.

Dabei ist der Metzger überhaupt kein Freund von Reisen und von Urlaub und so muss ihn seine Freundin Danjela auch mehr oder minder entführen, damit sie mit ihrem Liebsten am italienischen Strand liegen kann. Dort lässt das Verbrechen aber auch nicht lange auf sich warten und schon stolpern der Metzger und seine Danjela in einen Kriminalfall, der einem Crescendo gleich immer blutiger und böser wird.
Da sind Leichen mit fehlenden Augen und verbuddelte Hunde noch das kleinste Übel, denn auch am italienischen Strand lauern grausame Verbrechen und der Metzger kommt nicht umhin sich einzumischen …

Wer an Wolf Haas‘ „Silentium“ seine Freude hatte, der dürfte auch bei diesem Krimi nichts falsch machen. Wie auch Haas setzt Thomas Raab in seinem Krimi auf sprachliches Niveau und subtil daherkommende Grausamkeiten.
„Der Metzger kommt ins Paradies“ ist nicht unbedingt leicht zu lesen, schließlich ist Raab Österreicher und als solcher, ähnlich wie Wolf Haas oder Heinrich Steinfest, in die Sprache und ihre kuriosen Blüten verliebt. Jeder Charakter redet mit eigener dialektonalen Färbung, Dialoge nehmen einen großen Teil des Buches ein und auch der Erzähler neigt durchaus zu Geschwätzigkeit.

Es ist dem schriftstellerischen Talent Raabs zu verdanken, dass er sich in seinen ganzen Charakteren nicht verheddert sondern zum Ende hin dem Buch noch eine klare Stoßrichtung gibt, die so gar nicht zur Urlaub, Sonne und Strand passen mag.
Wer die Spannung in diesem Roman sucht, muss deshalb einen langen Atem beweisen, abgesehen davon vermag das Buch aber zu überzeugen und stellt eine ausgewogene Balance aus Humor, anspruchsvoller Sprache und Spannung dar.

Wer dieses Jahr nicht mehr an einen italienischen Strand zum Urlaub fährt, kann dieses Buch getrost in sein Gepäck packen, allen anderen wird eine Lektüre zu einem späteren Zeitpunkt anempfohlen!

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Dinah Marte Golch – Wo die Angst ist

Holzschnittartiger Krimi

Zugegeben: Der Tatort „Nie wieder frei sein“ mit den Münchner Kommissaren Batic und Leitmayer, zu dem Dinah Marte Golch das Drehbuch verfasst hat, ist grandios. Und auch ansonsten hat die Autorin schon mit zahlreichen Drehbüchern bewiesen, dass sie Spannung erzeugen kann.
Leider klappt das in Buchform noch überhaupt nicht, wie „Wo die Angst ist“ mehr als deutlich aufzeigt.
Kurz vor Weihnachten wird im verschneiten und kalten Potsdam ein türkischer Schüler ins Koma geprügelt – und dank eines Zeugen weisen alle Spuren schon bald ins rechtsradikale Milieu.
Der forsche Kommissar Sigi Kamm ermittelt in dem Fall und bekommt es dabei recht bald wider Willen mit der Psychologin Alicia Behrens zu tun. Diese beiden müssen sich zusammenraufen, um den Fall um den türkischen Schüler zu lösen und die widersprüchlichen Spuren zu entwirren.
Es hätte so schön werden können: Ein unkonventionelles Ermittlungsduo, ein spannender Fall und ein Blick in das rechtsradikale Milieu verknüpft mit einem tollen Sprachstil.
Leider zündet alles nicht so richtig – zu starr ist das Schema, das dem Buch zugrundeliegt, zu holzschnittartig die Charaktere, die das Buch bevölkern.
Man merkt dem Buch deutlich an, dass Dinah Marte Golch durchaus Szenarien zu schildern weiß, dennoch sind kommt das Buch nicht richtig in Fahrt.
Wie in einem durchschnittlichen „Tatort“ beschränkt sich die Frage nach dem Täter auf ein beschränktes Figurenensemble und auch so etwas wie Spannung kommt eigentlich nie auf. Aus verschiedenen Perspektiven wird die Suche nach dem Täter beschrieben, doch leider verläuft die Spannungskurve trotz gelegentlicher dramaturgischer Kniffe zu flach ab.
Somit schöpft sie das Potenzial, das in ihrer Geschichte steckt, in keinster Weise aus und auch die Szenen mit den Neonazis, die durchaus spannungsreich hätten gestaltet werden können, sind eigentlich nur dramaturgisches Beiwerk – die Wirkung dieser Szenen verpufft wie eine Seifenblase.
Für mich steht nach diesem Buch erneut die Erkenntnis, dass Drehbuchautoren nicht automatisch auch gute Buchautoren sind. Diesem Buch geht eindeutig die Plastizität der Handelnden ab und lässt ein Grundmaß an Spannung vermissen. Die euphorischen Stimmen der Fernsehschaffenden auf dem Klappentext kann ich in dieser Form leider nicht nachvollziehen.
Bei allem Respekt für die Drehbücher von Dinah Marte Golch: Um mich zu überzeugen, müsste sie sich mit ihrem zweiten Band um den Kommissar Sigi Kamm und Alicia Behrens noch gewaltig steigern!
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Nickolas Butler – Shotgun Lovesongs

Notizen aus der Provinz

Beth, Henry, Kip, Lee und Ronny sind Freunde – Freunde fürs Leben direkt aus der tiefsten amerikanischen Provinz, nämlich aus Wisconsin.

So unterschiedlich wie die fünf Freunde sind, so unterschiedlich sind auch ihre Lebensentwürfe. Während Lee als gefeierter Sänger weltweiten Erfolg hat, knabbern Beth und ihr Mann Henry mit ihrer Farm am Hungertuch. Kip hingegen hatte Geld und Macht und verlor beides – und Ronny, Ex-Rodeoreiter, ist seit seinem Unfall zum Alkoholiker verkommen.

Diese Pentagon mit all seinen Beziehungen steht im Mittelpunkt des Romans „Shotgun Loversongs“ von Nickolas Butler – und jeder der fünf Freund darf abwechselnd aus seiner Perspektive über die Beziehungen und Geschehnisse in der Provinz berichten.
Wenn man dem Roman etwas vorwerfen könnte, dann vielleicht die Tatsache, dass Butlers sprachliche Mittel limitiert sind und er den verschiedenen Charakteren zu wenig persönliche Facetten abtrotzen kann – und das bei einer überschaubaren Handlung.
Dennoch fasziniert der Roman gerade aufgrund seines kargen Settings und es macht Spaß, den Fünf beim Heiraten, bei all ihren Hochs und Tiefs zuzusehen. Ähnlich wie der englische Film 4 Hochzeiten und ein Todesfall besteht auch Shotgun Lovesongs aus mehreren Hochzeiten, die dem Buch Rhythmus und Struktur verleihen.

Immer wieder trifft Amors Pfeil einen der 5 Freunde und verschiebt damit das Gefüge der Freunde und wirbelt alles durcheinander. Spitze Zungen könnte es als eine Art literarischer Dokusoap bezeichnen, ich finde aber, dass das Buch mehr als das ist.

Shotgun Lovesongs ist das feinfühlige Porträt einer Clique von Freunden um die 30 aus der amerikanischen Provinz, die sinnbildlich für ein ganzes Land im Umbruch und mit Zukunftsängsten steht!

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Gerd Schilddorfer – Heiß

Einmal um die halbe Welt 

Würden Gerd Schilddorfers Protagonisten Kilometergeld für alle in „Heiß“ besuchten Orte erhalten, wären sie wohl Millionäre. Auch im zweiten Band seiner geplanten Trilogie, die er letztes Jahr mit „Falsch“ begann hetzt er seine Helden, allen voran der ehemalige Pilot John Finch und den ehemaligen Geheimdienstmann Llewellyn Thomas quer vom Hindukusch über Europa bis nach Ägypten.
Ihren Anfang nimmt die Geschichte mit einer professionellen Einbruch in die Turbinenhalle der Siemenswerke in Berlin und dem Tod eines alten Künstlers im Hindukusch. Diese und noch viel mehr Ereignisse ereignen sich parallel und erst langsam bildet sich eine Fließrichtung der Geschichte heraus.

Ganz so bunt, packend und mitreißend ist der zweite Band leider nicht geworden. Manchmal überfrachtet der Österreicher seine Erzählung mit zu vielen Strängen, die zudem nicht nur an verschiedenen Ort auf dem Erdball sondern auch zu verschiedenen Zeiten spielen.
Dies fordert vom Leser Aufmerksamkeit und den Willen an der Geschichte dranzubleiben. Mir persönlich gefiel die Grundidee des ersten Trilogiebandes besser, die mit einer einzigen Initiation verschiedene Stränge entfesselte. So steht in „Heiß“ erst einmal alles etwas unverbunden nebeneinander.

Ein großer Stilist ist Schilddorfer nicht und wird es wahrscheinlich auch nicht werden – auch ansonsten finden sich einige kritikwürdige Punkte. Frauen verkommen in „Heiß“ eher zur Marginalie, die Charaktere sind nicht wirklich tief gezeichnet und auch das ständige Herauswinden aus eigentlich ausweglosen Situationen wirkt wenig glaubwürdig. Dennoch kann das Buch trotz dieser Mankos unterhalten.

Das Werk von Gerd Schilddorfer liest sich wie eine deutsche Version der Bücher von Clive Cussler mit einer einer Prise Tom Knox oder Dan Brown. Zwar leidet die Tiefe wegen des hohen Tempos, spannend erzählt ist „Heiß“ dennoch auf jeden Fall. Ein spannender und mit mehr als 650 Seiten langer Reißer!

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