Monthly Archives: Mai 2014

Donato Carrisi – Die Totenjägerin

Die Toten aus dem Schatten

Mit „Die Totenjägerin“ legt Donato Carrisi seinen dritten Thriller um die Sonderermittlerin Mila Vasquez vor. Wer die Vorgängerbücher „Der Todesflüsterer“ und „Der Seelensammler“ gelesen hat, ist beim aktuellen Buch im Vorteil, zwingend erforderlich ist die Lektüre der beiden sehr spannenden Vorgänger aber nicht.

In der namenlosen Stadt, in dem Mila lebt, ereignet sich eine Reihe von mysteriösen Morden. Vor Jahren verschwunden kehren einige Menschen wieder um zu erbarmungslosen Mördern zu werden. Doch wo waren diese Menschen in der Zwischenzeit? Was hat es mit ihrem Verschwinden auf sich? Was verbindet diese aus dem Schatten zurückgekehrten?
Mila wird zusammen mit dem geächteten Ermittler Simon Berish auf eine Schnitzeljagd geschickt, die sie von einem Mord zum nächsten Tatort führt. Von Cliffhanger zu Cliffhanger hetzt Carrisi seine Protagonisten.

Der italienische Autor weiß routiniert Spannung zu erzeugen, der Aufbau seiner Geschichte ist einfach stimmig. Stets hetzt man noch ein Kapitel weiter, weil man einfach wissen will, wie es mit Mila und Simon auf ihrer Tour de Force weitergeht! Wem die beiden Vorgängerbücher gefallen haben oder wer sich einfach für gute zeitgenössische Thriller begeistern kann, dem sei „Die Totenjägerin“ wärmsten ans Herz gelegt!

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Tom Hillenbrand – Drohnenland

Unerkannt im Drohnenland

Der Minority Report ist in Europa fast vollständig wahrgeworden. Dank Drohnen, Vollzeit-Überwachung und CCTV gibt es eigentlich keine Verbrechen mehr, die man nicht aufklären könnte. Dass dies doch der Fall ist, muss der Kommissar Aart van der Westerhuizen schnell erkennen: Ein Parlamentarier wurde im Brüsseler Niemandsland erschossen, doch die Aufklärung ist trotz umfassender Speicherung aller Daten kaum möglich. Es scheint, als hätte eine mächtige Gruppe Interesse an der Nicht-Aufklärung des Falles – doch Aart van der Westerhuizen lässt nicht locker. Schnell stößt er auf die Spuren eines Komplotts, das die Vereinigten Staaten von Europa bedroht …

Drohnenland liest sich, als hätten Philip K. Dick und Edward Snowden zusammen getan, um die Menschheit aufzurütteln. In einer Zeit, in der Amazon Liefer-Drohnen testet, sämtliche digitale Ströme ausgewertet werden und immer mehr Dienstleistungen an Computer outgesourct werden erscheint der Roman Tom Hillenbrands weniger wie Science Fiction als eine Vorausschau von ein paar Jahren.

Bemerkenswert an diesem Roman ist auch die Tatsache, dass Hillenbrand dieses Buch noch vor den Snowden’schen Enthüllungen begann. Durch letztere bekommt das Buch einen ganz neuen Beiklang und sollte uns über Vorratsdatenspeicherung und Co noch einmal neu nachdenken lassen.
Ein toller Verschwörungsthriller mit einem originellen Plot, bei dem es mir lieber wäre, wenn sich die Voraussagen dieses Buchs nicht so krass bewahrheiten. Privatsphäre hat auch Vorteile, wie Drohnenland eindringlich beweist!

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Sascha Arango – Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit über die Lüge

Dass das mit den Lügen manchmal alles andere als leicht sein kann, das muss der Schriftsteller Henry Hayden in Sascha Arangos Debüt feststellen.

Ein blendender Autor

Arango, bislang eher als Drehbuchautor für Tatortfolgen und Spielfilme der Öffentlich-Rechtlichen aufgefallen, legt mit „Die Wahrheit und andere Lügen“ ein beachtliches Debüt als Krimischriftsteller hin, das es zu lesen lohnt. In seinem doppelbödigen Roman entspinnt er einen fiesen Plot um den Schriftstellerstar Henry Hayden, der in Wahrheit keine einzige seiner Zeilen selbst geschrieben hat. Stattdessen hat seine Frau alle Romane verfasst, deren Lorbeeren der Gatte einheimst.
Kompliziert und in Fahrt gerät das Ganze nun, als Henrys Geliebte – eine Lektorin aus dessen Verlag – ein Kind von Henry erwartet. Die Geliebte muss verschwinden, so entscheidet Henry. Doch dabei geht natürlich schief, was schief gehen kann.

Der talentierte Mr. Hayden

Sascha Arango versteht sein Handwerk meisterlich. Nicht einmal 300 Seiten benötigt er für seinen Roman, der Henry genauso wie den Leser durch die Handlung hetzen lässt. Stets steht man Henry ambivalent gegenüber – ein Blender, ein Täuscher und Betrüger, der trotzdem das ein oder andere Mal Herz beweist. Wird der Schriftstellerstar mit seinen Täuschungen und Manövern der Polizei entgehen oder verheddert er sich im eigenen Lügengewirr? Das sind die Fragen, die die Spannung von „Die Wahrheit und andere Lügen“ ausmachen. In einer wirklich sprachlich höchst angenehmen und mitreißenden Prosa verkleidet folgt man Henry Hayden wirklich gerne und sieht den Verwicklungen bis zur letzten Seite gebannt zu.
Ein großartiges deutsches Krimidebüt, bei dem sich der Lesegenuss mit der Hoffnung verbindet, schnell neue (Lügen)Geschichten aus Arangos Feder lesen zu dürfen!

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Barbara und Dirk Schmidt – Bitte blubb, blubb, rette mich!

Der Elefant unter Wasser

Es hätte so schön werden können: da flitzt der Elefant auf der ersten Seite des neuen Kinderbuchs von Barbara und Dirk Schmidt über die Wiese – doch dann kommt es wie es kommen muss. Der Dickhäuter stürzt in einen See und sitzt nun auf dem Boden des Sees fest.

Den verschiedenen Tieren (Tintenfisch, Frosch oder Fisch) ruft er deshalb jedes Mal zu:

„Ich bin gestolpert über einen Stein und plumpste blubb ins Wasser rein, und nun sitze ich hier ganz dumm blubb blubb blubb im See herum, denn schwimmen kann ich leider nich‘. Kannst du blubb blubb retten mich?“

Das lassen sich die Tiere natürlich nicht zweimal sagen und so hat jedes der Lebewesen eine ganz eigene Idee zur Rettung des Elefanten.

Barbara und Dirk Schmidt - Bitte, blubb, blubb, rette mich (Cover)

Die Situationskomik, die diesen Rettungsversuchen der Tiere innewohnt, dürfte die Kinder schallend lachen lassen. Gerade der Tintenfisch und seine originelle Problemlösung werden Kindern gefallen.
Generell merkt man diesem gereimten Buch die Liebe zum Detail an, mit dem es gemacht ist. Viele Details verstecken sich auf den Seiten und laden zum Immer-Mal-Wieder-Durchblättern ein. Die Collage-Technik der Illustration hält immer wieder Überraschungen bereit und dürfte Kinder in den Buchseiten versinken lassen.
Den pädagogischen Hintergrund von Barbara Schmidt merkt man der Erzählung nicht zu sehr an, das Buch bietet aber viele Ansätze zu Diskussionen und zum Weiterspinnen der Erzählung. So müssen Kinderbücher gemacht sein, die man immer mal wieder gerne in die Hand nimmt. Chapeau!

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Romain Puértolas – „Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“

Eine Reise, die ist lustig

Zugegeben – schon der Titel macht klar, an welches Publikum sich „Die unglaubliche Reise eines Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“ richtet. Nicht nur titeltechnisch dürfte „Der Hundertjährige, der aus einem Fenster stieg und verschwand“ bei diesem Buch Pate gestanden haben. Der Franzose Romain Puértolas schickt darin allerdings keinen Greis auf die Reise sondern wählt sich einen indischen Fakir mit dem Namen Ayarajmushee Dikku Pradash.

Dieser fliegt von seiner Heimat Indien aus nach Frankreich, um sich dort bei IKEA ein neues Nagelbett zu kaufen (sic!). Doch wie der Titel schon erahnen lässt, ist dies nur der Auftakt zu weitaus größeren Odyssee, die Pradash unter anderem nach England, Italien und Spanien führt. Halb Europa wird bereist und immer neue Verwicklungen treiben den Fakir über die Landkarte und durch die Geschichte. Dies ist natürlich nicht wirklich glaubhaft und sehr überdreht – wer auf jeglichen Anflug von Realismus verzichten kann, der wird hier glücklich.

Ebenso eine Geschmacksfrage ist auf der Humor, von dem „Die unglaubliche Reise eines Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“ durchtränkt ist. Mit dem unbedingten Willen zum Kalauer überzeichnet Puértolas seine Figuren allesamt gnadenlos und grotesk. Gerade die Roma, die der französische Autor in seinem Buch wenig gut dastehen lässt, fallen durch alberne Namen auf: Tom-Cruise Jesus Cortés Santamaria ist nur ein Beispiel der Albernheiten.

Zu loben ist die Übersetzung des famosen Übersetzers Hinrich Schmidt-Henkel, der es schafft, den sehr wortspiel-lastigen Humor des Franzosen wenigstens einigermaßen ins Deutsche hinüberzuretten.
Insgesamt ein Buch, das ganz klar auf die Leserschaft von Jonas Jonassons Mega-Bestseller des Hundertjährigen schielt. Ob das Buch ein solcher Erfolg wie in Frankreich (so verkündet es zumindest der Verlag auf dem Klappentext) wird, bleibt abzuwarten.

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