Monthly Archives: März 2015

Phil Klay – Wir erschossen auch Hunde

Geschichten aus dem Krieg

Wir erschossen auch Hunde von Phil Klay ist das Debüt eines ehemaligen US-Marines, der in seinem Buch Kurzgeschichten aus dem  war on terror  schildert, dem Krieg also, den Amerika gegen den Terror weltweit führt.

Ein kaputtes Amerika

Die Flagge auf dem Cover hängt zerfasert und verblasst im Wind – ein Sinnbild für das Amerika, das Klay in seiner Monographie schildert.

Der mit Stories untertitelte Band versammelt insgesamt 12 Kurzgeschichten, die in ihrer Länge variieren. Von vier Seiten bis hin zu dutzenden von Seiten reichen die Stories, die vielstimmig ein Bild vom Krieg zeichnen.

Die Geschichten werden aus den unterschiedlichsten Perspektiven geschildert, Kriegsveteranen, die an der Bar ihre Stories erzählen kommen genauso zu Wort wie etwa ein Pfarrer an der Front, der von seinen Glaubenszweifeln und seinen persönlichen Kämpfen berichtet.

Egal ob von Kämpfen im Irak oder einem Einsatz in Afghanistan berichtet wird, oder ob eine zivile Aufbaumission beschrieben wird, stets vermag es Klay dem Leser ein Gefühl davon zu geben, was Krieg bedeutet. Seine Erzählungen bekräftigen die Weisheit, dass man wohl seine Leute aus dem Krieg bekommt, den Krieg aber nicht aus den Leuten.

Der Ton der Erzählungen schwankt deutlich, vom derben Straßenslang bis hin zum gebildeten Oberschichtenton spielt Klay mühelos auf dem Klaviatur der Sprache und Diktion.

„Wir erschossen auch Hunde“ verfügt übrigens auch über ein mehrseitiges Register mit jeder Menge militärischer und taktischer Abkürzungen, dies ist auch sehr nötig, da viele Begriffe ohne das nötige Hintergrundwissen schwierig zu verstehen sind.

Manchmal sind Klays Stories nämlich wirklich sehr codiert und sehr chiffrenhaft, was den Zugang erschwert. Hier leistet das Register gute Hilfe.

 

Schreiben als Therapie

Nachdem er frisch aus dem Irakkrieg zurückkehrte, begann Phil Klay mit der Niederschrift seiner ersten Stories. Das Aufarbeiten seiner Eindrücke findet auch in einer Kurzgeschichte wieder Erwähnung. Mithilfe des Veteranen-Schreibprogramms gelang es ihm, sowohl seine Eindrücke aus dem Kriegsgeschehen zu verarbeiten als auch Literatur daraus zu destillieren. Eine Win-Win-Situation gewissermaßen.

Mit seiner Geschichtensammlung ist es Phil Klay inzwischen auch gelungen, den National Book Award 2014 zu erringen.

Ähnlich wie Remarques Klassiker „Im Westen nichts Neues“ gelingt es auch Klay im Leser ein Bewusstsein für die Absurdität des Kriegs und die einzelnen Tragödien zu wecken, die sich hinter dem Begriff „Krieg“ verbergen.

Insgesamt ein starker Titel, der neu sensibilisiert und hinter die Frontlinien von Kriegen gegen den Terror führt und ein Titel, der zeigt, wie kaputt das System Amerika eigentlich ist, das diese Kriege immer wieder neu als Universalantwort auf Terror und Tyrannei gibt.

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Buchmesse Leipzig – eine kurze Review

Mitten im Gedränge

Die Glashalle in Leipzig
So, nun ist das auch geschafft: nach einem Jahr Absenz besuchte ich dieses Jahr wieder einmal das Mekka jeden Bücherwurms – die Leipziger Buchmesse 2015. Dass die Messe mit einem Besucherrekord zu Ende ging konnte man jeden Tag selber bei einem Bummel durch die fünf Hallen feststellen. Mitten im Gedränge zwischen Cosplayern, Verlagsvertretern und ganz normalen Lesern konnte man sich verlieren – oder genau das Buch finden, auf das man schon immer gewartet hat (ohne es vielleicht zu wissen). Hier habe ich noch ein paar Gedanken gesammelt und aufgeschrieben:

Freitag, Messetag I

Der Buchmessestand der Schweiz

Nach der Anreise aus Augsburg konnte es dann gleich losgehen, nachdem ich kurzzeitig im Stau gestanden war. Schnell in die Straßenbahn mit der Nummer 16 gesetzt und schon tauchte das Congress-Center vor mir auf. Nach einem großen Hallo mit alten Studienfreundinnen wurde gleich der erste Messestand angesteuert.
Die erste Anlaufstelle war der Suhrkamp-Stand in Halle 4, nachdem ich bereits im Vorhinein mit Demian, der beim Verlag für die Webredaktion zuständig ist, ein Treffen vereinbart hatte. Nach einem netten Gespräch und vielen Leseexemplaren ging es von Suhrkamp gleich weiter zum Stand von Kiepenheuer-Witsch, bei dem ich mit der netten Ulrike Meier ein Treffen vereinbart hatte.
Nachdem die Zeit schon weit vorangeschritten war, blieb dort leider nicht viel Zeit für einen Plausch, dennoch konnte ich ihr einige News entlocken. So darf man sich schon bald auf neue Romane von Joachim Meyerhoff und Wolfgang Schorlau freuen – beste Aussichten wie ich finde.
Nach diesem Besuch ging es dann noch zum von Random-House initiierten Blog’n’Talk, bei dem ich mich angemeldet hatte. Doch aufgrund des wirklich großen Gedränges konnte ich nur mit der hochsympathischen Thriller-Debütantin Melanie Raabe (Siehe auch meine Rezension zu ihrem Erstling „Die Falle“ ein paar Worte wechseln.

Der Messestand des HoCa-Standes

Nachdem ich mich beim Blog’n Talk umgesehen hatte, war es dann schon langsam Zeit, mich wieder auf den Weg aus den Tiefen der Messehallen zu begeben.
Schließlich waren wir alle eingedenk des langen Tages schon hungrig und wollten uns im Anschluss ans Abendessen dann in das Leipziger Nachtleben stürzen.
Und dieser Plan ging auch tatsächlich auf, nicht nur tagsüber hat Leipzig interessante kulturelle Highlights zu bieten, wie wir konstatieren. Leipzig lohnt sich auf jeden Fall!

Samstag, Messetag II

Nachdem es am Freitag nachts doch noch etwas später wurde, war am Samstag erst einmal Ausschlafen angesagt.
Die 16-er Straßenbahn brachte uns abermals auf das Messegelände, zusammen mit jeder Menge Cosplayer und Leser strömten wir in die Hallen, die sich in frühlingsuntypischem Grau präsentierten. Zudem ließen auch die Temperaturen zu wünschen übrig, was aber gottseidank nicht ins Gewicht fiel, da wir den Tag ja nur innerhalb der Messe zu verbringen gedachten.
Diesmal konnten wir die Sache etwas entspannter angehen, außer einem gemütlichen Bummel durch die Hallen und dem Besuch des Lovelybooks-Lesertreffens war erst einmal nichts geplant. Erst Abends wollten wir in der Moritzbastei einer Lesung von Jörg Maurer lauschen.

Das Lovelybooks-Lesertreffen

Da der Samstag ja traditionell der am stärksten frequentierte Messetag ist mussten wir uns das ein oder andere Mal schon durch die Massen schieben beziehungsweise andere Wege haben wir gar nicht angetreten. Ohne Ende schien die Schlange, die sich Bücher von Jussi Adler-Olsen signieren lassen wollten. Da hab ich mich lieber in die etwas weniger bestürmten Gebiete der Hallen zurückgezogen und konnte dort einige interessante neuen Bücher entdecken.

Hochbegehrt – die Goodiebags von Lovelybooks

Kurz darauf war es dann schon 14:00 Uhr und es ging in den Kongressbereich der Messe, wo Lovelybooks zum Lesertreffen eingeladen hatte. In einer großen Runde wurde über die Bloggerszene und den Wandel des Business gesprochen, ehe Bettina Belitz ihr neues Jugendbuch vorstellen durfte. Danach begann der große Run auf die Goodiebags, die mit einer bunten Mischung an Büchern, Postkarten und Give-Aways ausgestattet waren. Bei Cupcakes ließen sich dann auch gut Bücher, die nicht so hundertprozentig ins eigene Schema passten, tauschen und man kam miteinander ins Gespräch. Ich nutzte die Gelegenheit, um mir „Die Falle“ gleich von Melanie Raab signieren zu lassen, dazu war am Vortag keine Gelegenheit mehr gewesen. Über ihre tolle Widmung habe ich mich sehr gefreut.

Am Abend ging es dann noch in die Moritzbastei zu einer Lesung (man sollte hierzu wohl eher Kabarettabend mit Lesungseinsprengsel sagen) von Jörg Maurer. Dieser präsentierte in der ausverkauften Veranstaltungstonne im Keller der Bastei seinen neuen Roman „Der Tod greift nicht daneben„. Langsam ließen wir dann noch beim Italiener diesen tollen Tag ausklingen.

Sonntag, Messetag III

Nachdem die beiden vorherigen Tage vor allem durch Besucherströme, Stress und Gedränge gekennzeichnet waren, wurde dies am Sonntag alles anders.
Viele Verlagsmitarbeiter waren schon wieder gen Heimat abgereist und auch viele Lesebegeisterte wagten sich nicht mehr in die Hallen, sodass dieser Tag der wohl entspannteste wurde.
An einigen Verlagen konnte man noch nette Bekanntschaften schließen und man hatte auch bei größeren Verlagen die Möglichkeit, sich in aller Ruhe dem neuen Programm zu widmen.
Ehe es am Nachmittag wieder gen Augsburg in den Süden ging knippsten wir noch diese Buchmesseselfie.
Da schon auf der Heimfahrt der Post-Buchmesseblues einsetzte werde ich wohl nicht darum herumkommen, mich nächstes Jahr wieder in die Menschen- und Bücherfluten zu stürzen!
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Patricia Melo – Leichendieb

Absturz in Südamerika

Ein Flugzeugabsturz im südamerikanischen Dschungel, ein Paket voller Drogen im Flugzeug und ein ganz schlechter Plan – dies könnte ein Substrat des ohnehin schon sehr kompakten Romans „Leichendieb“ von Patrícia Melo sein.

Ein Absturz mit Folgen

Nachdem er beruflich schon abgestürzt ist und seinen Job verloren hat, wohnt ein Angler im Grenzgebiet zwischen Brasilien und Kolumbien einem zweiten Absturz bei. Ein Pilot verliert die Kontrolle über sein Kleinflugzeug und stürzt mitsamt der Maschine in den Fluss. Der Angler nähert sich der Absturzstelle und macht eine fatale Entdeckung. Neben dem Piloten befindet sich nämlich auch ein Päckchen mit Kokain an Bord der Maschine – das er an sich nimmt.
Und damit halst sich der Kokaindieb erst richtigen Ärger auf. Denn der Einstieg ins Drogengeschäft ist mit mehr Problemen gepflastert, als er sich vorgestellt hat. Schon bald wird er zwischen den mörderischen Fronten der Drogenbanden aufgerieben und rutscht immer tiefer ins Schlamassel. Und auch privat machen ihm seine Beziehungen zu schaffen. Es wird für ihn immer schwieriger, seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen,
Denn wen der Drogensumpf einmal verschluckt hat, den gibt er nicht so leicht wieder her. Um zu Überleben muss der Kokaindieb gar zum Leichendieb werde …

Ein interessanter Einblick in die Drogenszene

https://www.flickr.com/photos/peterulrich/
Mit „Leichendieb“ erlaubt Patrícia Melo dem Leser des 2014 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichneten Werks einen hochaktuellen Einblick in die südamerikanische Drogenszene. Ähnlich wie in Don Winslows Romanen „Tage der Toten“ oder „Savages“  zeichnet die Autorin ungerührt ein Bild davon, wie Drogen die Menschen korrumpiert und sie über Leichen gehen lässt, um die eigene Haut zu retten.
Immer tiefer lässt sie ihren Helden in das selbstverursachte Schlamassel rutschen. Besonders beklemmend wird dies durch die gewählte Ich-Erzählperspektive, die den Leser in die Position des Leichendiebs zwingt. Obwohl man sich eigentlich mit diesem skrupellosen Menschen, der Leichen bestiehlt, identifizieren will, sieht man die Welt mit seinen Augen und bangt mit ihm. Gelingt es ihm sich aus dem Klammergriff der Drogenkartelle zu befreien?

Oszillierend zwischen Thriller und Komödie

Man kann „Leichendieb“ natürlich als knallharten Thriller begreifen, in dem ein Mann mit allen Mitteln um sein Überleben kämpft. Dabei muss man aber auch die komödiantischen Elemente des Buches würdigen, die immer wieder inmitten allen Grimms aufblitzen.
Durch diese Einsprengsel nimmt Melo ihrem Buch viel Schwere und sorgt dafür, dass man inmitten des Absturzes des Leichendiebs auch einmal kurz innehalten kann. 
Nach ein bisschen mehr als 200 Seiten ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei und man hat sich aus dem südamerikanischen Drogensumpf freigekämpft. Ein schnelles, böses aber teilweise auch komisches Buch, das einen interessanten Einblick in die Drogenszene in Südamerika erlaubt!
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Melanie Raabe – Die Falle

In der Falle

Eine Schriftstellerin, die über eine Schriftstellerin schreibt. Die eine hat großen Erfolg, ist arriviert, traut sich aber nicht aus dem Haus. Die andere heißt Melanie Raabe und hat einen Psychothriller über die fiktive Autorin Linda Conrads geschrieben.

Eingesperrt im eigenen Zuhause

 

Linda Conrads leidet unter Agoraphobie, das heißt sie traut sich nicht mehr aus ihren eigenen vier Wänden heraus. Als erfolgreiche Schriftstellerin umgibt sie so der Nimbus des exzentrischen Genies, tatsächlich liegen die Gründe für ihren Rückzug allerdings tiefer. Nachdem ihre Schwester ermordet wurde, zog sich die Autorin immer mehr von der Außenwelt zurück und verschanzte sich schlussendlich in ihrer Prachtvilla am Starnberger See. Zusammen mit ihrem Hund verbringt sie dort die Tage und wird von ihrem Personal mit den Dingen des täglichen Lebens versorgt.
Mit einer beeindruckenden Regelmäßigkeit legt sie jedes Jahr einen neuen Roman vor und hat sich mit der Vergangenheit versöhnt, bis eines Abends das Unheil in ihre Villa einbricht.
Im Fernsehen meint sie nämlich den Mörder ihrer Schwester erblickt zu haben. Dieser arbeitet als Fernsehjournalist und wahrt eine biedere Fassade, hinter der Linda Conrads den Mörder ihrer Schwester ausgemacht haben will

Ein Psychoduell

Völlig aus der Bahn geworfen beschließt Linda Conrads, den Journalisten in eine Falle zu locken. Sie schreibt – völlig atypisch für ihr bisheriges Schaffen – einen Thriller, der die Ereignisse der Nacht, als ihre Schwester ermordet wurde, verarbeitet. So will sie den Journalisten aus der Reserve locken – und dieser beißt prompt an. Für ein Exklusivinterview sucht der potentielle Mörder ihrer Schwester die Autorin in ihrem Haus auf – und ab da entspannt sich ein Psychoduell zwischen den beiden Protagonisten, bei dem nichts ist, wie es zu sein scheint. Ist der Journalist wirklich der Mörder von Lindas Schwester oder was hat sich in der fraglichen Nacht damals wirklich zugetragen?

Unblutig und trotzdem spannend

Wo Sebastian Fitzek inzwischen Psychothriller mit Schlächter- und Metzelorgien verwechselt und sich auch andere Autoren unter dem Label des psychologischen Spannungsromans immer detaillierter in der Beschreibung von Gewaltszenen suhlen, besinnt sich Melanie Raabe zurück auf die Wurzeln des Psychothrillers.
In der Tradition von Großmeistern wie Hitchcock oder Patricia Highsmith erzählt Melanie Raabe ein wendungsreiches Duell, das keine spritzende Blutfontänen braucht, um den Leser zu fesseln. Das Grauen kommt bei der Kölner Autorin auf leisen Pfoten – und wer glaubt dass der Plot nach 100 Seiten schon auserzählt ist, der sieht sich schnell getäuscht.

Wer auf spannende Psychothriller steht, die ohne Blut- und Metzelorgien auskommen, dem sei das Debüt der sehr sympathischen Autorin wärmstens ans Herz gelegt!
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