Monthly Archives: März 2016

Zoe Beck – Schwarzblende

London, 2013: Auf offener Straße wird der Soldat Lee Rigby von zwei Tätern mit einer Machete angegriffen und getötet. In die Handykameras der umstehenden Menschen sprechen sie ihre Bekenntnisse (für Syrien, für den Islamischen Staat). Ein Verbrechen, das die Öffentlichkeit schockte und das Thema des Islamischen Staats ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rief.

9783453410435_CoverZoe Beck hat diese Ereignisse nun als Ausgangspunkt für ihren Kriminalroman Schwarzblende gewählt. Mit leicht veränderten Namen erzählt sie vom Kameramann Niall, der zum unfreiwilligen Zeugen der Terrorattacke wird. Berufsbedingt hält er seine Handykamera auf den beiden Angreifer, als er diese zufällig mit Macheten durch London wandern sieht. Doch damit gerät er in einen unaufhaltsamen Strudel. Nachdem er von der Polizei inhaftiert wurde, beschließt er eine Dokumentation über die beiden Attentäter, ihre Motive und den Islamischen Staat zu drehen. Doch mit seinen Plänen bringt er sich in große Gefahr und sieht sich in ein gefährliches Gespinst aus Bildern, Lügen und Propaganda verstrickt. Denn es sind nicht nur unbedingt Menschen im fernen Syrien und Co., die in Schwarzblende die Strippen ziehen. Continue reading

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Das große DDR-Spitzelspiel

Auf den Spuren Brechts durch Augsburg

Spitzelspiel

Das große DDR-Spitzelspiel

Im Rahmen des diesjährigen Brechtfestivals, das unter dem Motto Die Heimatstadt, wie empfängt sie mich wohl? stand, inszenierte auch das Bluespots-Ensemble ein Stück mit dem Titel Das große DDR Spitzelspiel.

Die fiktive Hintergrundgeschichte: Der große AugsBürger Bert Brecht kehrt in seine Heimatstadt zurück. Das sehen die Mächte im kommunistischen Teil Deutschlands natürlich nicht gerne. Was bezweckt Bert Brecht in Augsburg? Wie steht er wirklich zur Deutschen Demokratischen Republik? An uns, den Bürgern dieser Stadt, lag es nun, Bertolt Brecht für das Ministerium für kulturelle Sicherheit zu beobachten und eine Einschätzung vorzunehmen, ob Bertolt Brecht für die Sicherheit dieser Stadt eine Gefahr darstellte.

 

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

In der Praxis lief das Ganze nun mithilfe von SMS ab. Nachdem man sich mit seiner Handynummer beim Ministerium angemeldet hatte, wurde man am Sonntagabend zum Rapport ins Ministerium (vulgo das ehemalige Stadtarchiv am Fuggerboulevard) einbestellt. Dort fand die Instruktion durch die Genossen Heinrich und Wubke statt. Wie hat man sich zu tarnen? Wie sieht Brecht heute aus? Nach der Einführung  durch die beiden findigen Apparatschiks vom Büro der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit konnte es schon losgehen.

 

Brecht vor der Apollo-Bar

Brecht vor der Apollo-Bar

Die erste SMS bestellte uns zum Bahnhof, wo Brecht von München kommend, pünktlich zum Start des Brechtfestivals in seine Heimatstadt zurückkehrte. Die erste Beschattungsarbeit führte vom Bahnhof zum Theater bis hin zu einem schummrigen Etablissement namens Apollo-Bar. Dort wohnte Brecht (und selbstverständlich auch die pflichtbewussten Beobachter) einer Burlesque-Show bei und versuchten mehr über Brechts Absichten zu erfahren. Was trieb Brecht vom Tempel der Hochkultur in das Sündenbabel? Noch blieb alles mehr als rätselhaft. Man konnte nur auf weitere Gelegenheiten hoffen, um in Brechts Nähe zu gelangen.

Farbe bekannte Brecht dann einen Tag später bei der Diskussion des Augsburger Kulturbeirats, als er sich in eine Diskussion über Theater, Kultur und den Stand der Kunst in unserer Gesellschaft generell einmischte. Gewitzte Beobachter hatten sich für das Ministerium unter die Diskussionsteilnehmer gemischt und konnten so dem Gespräch beiwohnen.

Spitzelspiel III

Bertolt Brecht in der Sparkasse

Auch bei einem Besuch des Dichters in der Stadtsparkasse hatten sich Spitzel als Azubis des Bankhauses getarnt und waren bei dem Gespräch anwesend, das Brecht mit einem Banker führte. Hier offenbarte der Dichter, dass er an einem neuen Epos arbeite, das multimedial alle Formen des Theaters zu einer neuartigen Form der darstellenden Kunst verschmelzen und  damit auch junge Menschen erreichen möchte. Doch worum sollte es dabei gehen? Würde dieses Werk eine Gefahr für die kulturelle Sicherheit darstellen? Die Spitzel waren uneins.

 

Herr Puntilla und sein Knecht Matti

Herr Puntila und sein Knecht Matti

Eine erneute Chance zum Test Brechts auf seine Ideologietreue stellte dann der Donnerstag dar. Hier wohnte Brecht einer Probe seines Stücks Herr Puntila und sein Knecht Matti bei. Auch traf er sich hier mit einer Schauspieler in einem Café. Geschickt konnten sich wieder einige Augsburger unter die Zivilbevölkerung mischen und Brecht dabei nahekommen, um den Eindruck von Brechts Prinzipientreue zu verfestigen.

 

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Nach diesen letzten Beobachtungen traf man sich anschließend zur Langen Brechtnacht in den Räumen der Zentrale, um den Genossen Wubke und Heinrich die Meinung und Abschlussberichte über Bertolt Brechts Tour durch Augsburg darzulegen. Im Gespräch mit den Genossen bildeten sich teils konträre Meinungen über die Gefahr des Faktors Brecht. So uneins wie vielfältig waren die Meinungen, die das Ministerium für Kulturelle Sicherheit dankbar entgegennahm. Neben dem Abliefern von Beobachtungen konnte man auch zahlreichen Performances in den Räumen des Stadtarchivs beiwohnen. Soundcollagen von Brechts Gesprächen, ein Ausschnitt aus Puntila, das Verlesen von Spitzelberichten – es war einiges geboten und so wurde das DDR-Spitzelspiel wirklich zu einem großen Event, das das System DDR, das Spitzeln und den Dichter Bertolt Brecht den Teilnehmern (sofern sie sich darauf einließen) eindrücklich nahebrachte.

Hier in der BR-Mediathek gibt es nun neben diesem Beobachtungsbericht (der die Billigung des Ministerium für Kulturelle Sicherheit fand) auch bewegte Bilder, die Brecht in Aktion erkennen lassen.

 

Im Auftrag des Ministeriums für Kulturelle Sicherheit und des Büros der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit

 

 

 

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Andreas Pflüger – Endgültig

Blinde Gerechtigkeit

Jenny Aaron war einst eine Spitzenagentin für eine geheime Unterabteilung des BKA, ehe ein Einsatz in Barcelona alles über den Haufen warf. Der Einsatz lief fürchterlich schief und seitdem plagt sich die Agentin mit schwersten Schuldvorwürfen herum und ist zudem blind. Dies hält sie allerdings nicht davon ab, weiterhin für Gerechtigkeit und Wahrheit einzutreten. Mit einer unglaublichen Selbstverbissenheit und unterstützt von ihrem Vater, einem Urgestein der GSG9, hat sie sich zurückgekämpft und ist ein echtes Ass in Sachen Körperbeherrschung und Verhören. Ihre Blindheit ist ihr dabei nur Ansporn, ihre eigenen Grenzen zu überschreiten

PflügerDie Ereignisse, mit den Andreas Pflüger die blinde Koryphäe in Endgültig konfrontiert, sind aber dazu angetan, sie an ihre Grenzen und darüber hinaus zu führen. Ausgangspunkt ist der Mord an einer Gefängnispsychologin in der JVA Tegel. Der mutmaßliche Mörder ist nur bereit, mit einer Person zu sprechen – Jenny Aaron. Das damit verbundene Psychospielchen entpuppt sich nur als Auftakt zu einer wahren Tour de Force, die Jenny mit alten Feinden und tief verschütteten Traumata konfrontiert. Denn wie es scheint, ist das jetzige Spiel, in dem sich Jenny wiederfindet, nur die Spitze eines Plans, der vor langer Zeit geschmiedet wurde, um Rache an der blinden Polizistin zu nehmen und sie büßen zu lassen. Doch kann sie dem diabolischen Plan wirklich entrinnen?

Selten hatte ich in letzter Zeit einen so spannenden, einen so gut geschriebenen und einen so temporeichen Roman in meiner Hand, wie dies bei Andreas Pflügers Endgültig der Fall ist. Der Autor trat bislang eher als Drehbuchautor der Weimarer Tatort-Folgen mit Christian Ullmen und Nora Tschirner in Aktion, doch auch ein Buch hat er bereits geschrieben. Dieses trägt den Titel Operation Rubikon und wurde auch mit Stars wie Jörg Schüttauf und Justus von Dohnány verfilmt.

Andreas Pflüger

Andreas Pflüger

Sein neuer Thriller ist ebenfalls mehr als filmreich, wobei das Wort Kopfkino hier einen doppelten Reiz hat. So entfesselt der Autor nicht nur tolle Bilder und inszeniert ein wahres Feuerwerk an einprägsamen Szenen, auch schafft er das Kunststück, den Leser an der Lebenswelt von Blinden teilhaben zu lassen. Er beschreibt Jenny Aarons Welt und sensibilisiert dafür, wie es sein muss, blind durchs Leben zu gehen. Vorher machte ich mir nie Gedanken, wie man Salz- und Pfefferstreuer einfach auseinanderhalten kann. Nun weiß ich das auch, dank Andreas Pflüger (Antwort – Salz raschelt, Pfeffer gibt keinen Laut von sich. Simpel – es muss einem aber auch erst auffallen.). Erinnert hat mich das Buch auch an Sebastian Fitzeks Thriller Der Augensammler, wobei jener Roman eher Kreisklasse ist, verglichen zu diesem Premium-Liga-Thriller. Alleine wer schon Sätze ersinnt wie „Die Herzmaschine jagt Verzweiflung in die Venen“ (S. 16), zeigt, dass es hier um mehr geht als die Lust am Krawall.

Natürlich darf man dem Buch auch Stereotype vorhalten – Jenny Aaron ist genauso übermenschlich gezeichnet, wie ihr Gegner allumfassend böse ist. Da diese Überzeichnung aber auch zu unterhalten weiß, war ich gewillt, diesem manchmal sehr hollywoodesken Setting zu verzeihen, da Pflüger das Spannungslevel und das Tempo über sämtliche 455 Seiten zu gehen weiß. Ein gut geplotteter Thriller, zudem auch fein gestaltet mit Brailleschrift und gelbem Buchschnitt.

Dieses Buch ist ein echter Kracher, ein Highlight im Spannungssegment dieses Frühjahrs und setzt Maßstäbe – breiteste Leseempfehlung von meiner Seite!

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Thees Uhlmann in der Kantine

Thees Uhlmann liest in der Kantine

Sophia, der Tod und Ich

FOTO VON INGO PERTRAMER (C) PERTRAMER.AT

FOTO VON INGO PERTRAMER (C) PERTRAMER.AT

Meine Damen und Herren, es ist soweit: einer der besten Texter des Landes und ein cooler Hund beehrt unsere Fuggerstadt. Thees Uhlmann höchstselbst kommt nach Augsburg in die Musikkantine, um aus seinem Besteller-Roman Sophia, der Tod und Ich zu lesen. Und wie ihr kostenlos zu dieser Lesung kommen könntet, verrate ich euch am Ende dieses Textes.

Davor noch ein paar Infos zu Thees und seinem Buch. Spätestens die Songzeilen Das Leben ist hart, aber das nehm ich in Kauf. Zum Laichen und Sterben zieh’n die Lachse den Fluss hinauf hat Thees Uhlmann als Solokünstler bekannt gemacht, auch wenn Uhlmanns Band Tomte dem geneigten Hörer noch kein Begriff war. Mit seinen beiden Soloalben #1 und #2 hat es der norddeutsche Künstler in den Plattenolymp geschafft (sogar bis auf Platz zwei der Charts), in Augsburg das Modularfestival 2013 gerockt und Songzeilen für die Ewigkeit geschrieben.

Das Debüt von Thees Uhlmann

Das Debüt von Thees Uhlmann

Nun hat es Uhlmann nach einem jahrelangen Hinhalten seines Verlags geschafft und den lang versprochenen Roman vorgelegt, den er immer schreiben wollte. Sophia, der Tod und Ich heißt sein Debütroman und erzählt vom Tod, der eines Tages an der Wohnung des Erzählers klopft. Daraus entspannt sich ein amüsanter, trauriger und schöner Dialog und ein Roadtrip, der den Erzähler, den Tod und Sophia auf eine Reise schickt, die man als Leser nicht mehr vergessen wird. Und bei den Erfolgsgeschichten, die Uhlmann schreibt, sollte es nicht verwundern, dass auch das Buch höchst erfolgreich ist und in die Spiegelbestsellerlisten eingestiegen ist und bis auf Platz auf Platz 8 der meistverkauften Bücher Deutschlands klettern konnte.

P.S.: Keine Sorge. Nur weil es Lesung heißt, bedeutet das nicht dass Rollkragenpullover getragen werden müssen und nur gehüstelt werden darf. Thees lässt die Gitarre auch bei der Lesung wahrscheinlich nicht lange in Ruhe und so könnte das ein überaus gelungener Abend werden.

KantineStattfinden wird das Ganze nun am Freitag, den 18. März in der Kantine Augsburg, noch gibt es Karten dafür. Aber wer viel Glück hat, kann auch hier bei mir Gästelistenplätze für die Lesung in Augsburg gewinnen. Was ihr dafür tun müsst? Hinterlasst einfach einen Kommentar hier mit eurem Namen und einem stichhaltigen Argument, warum ihr zu Thees wollt und mit dem Tod zu einem Roadtrip aufbrechen wollt. Oder ihr schreibt mir einfach über mein Kontaktformular. Ich wünsche euch viel Glück – und wir sehen uns am 18.03.2016 am Exerzierplatz in Augsburg!

 

 

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Lyndsay Faye – Das Feuer der Freiheit

Timothy Wilde unter Feuer

FeuerEin Feuerteufel geht um in New York. Immer wieder gehen die Produktionsstätten des Stadtrats Robert Symmes in Flammen auf. Mit der Ergreifung des Brandstifters wird Timothy Wilde beauftragt, einer der ersten Polizisten im Schmelztiegel New York. Doch nicht nur hier brennt es – in der gärenden Stadt stehen Wahlen bevor, und so wirft auch Timothys umtriebiger Bruder Valentine seinen Hut in den Ring.  Sein Gegner hierbei – just Robert Symmes. Und geistige Brandstiftung gibt es nach der landläufigen Meinung in der Stadt auch – Frauen fordern energisch ihre Rechte ein und wollen nicht mehr wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Eine der Wortführerinnen ist dabei die Frauenrechtlerin Sally Woods, die eins aus einer Fabrik von Robert Symmes geworfen wurde. Steckt sie hinter den Anschlägen auf seine Immobilien?

Im dritten und damit abschließenden Band um den Polizisten und Kupfersternträger Timothy Wilde ist so gut wie alles miteinander verzahnt. Das Buch nimmt Bezug auf die beiden Vorgängerbände Der Teufel von New York und Die Entführung der Delia Wright und führt die Fäden aus beiden Bänden nun zu einem schlüssigen Ende. Auch wenn die Lektüre der beiden Vorgänger vieles erleichtert – gelesen haben muss man sie nicht, Faye erklärt und erläutert mit einigen Rückblenden die Vorgeschichte Timothys. Das Feuer der Freiheit ist ein komplexes Buch, in dem die Gaunersprache Flash wieder viel Verwendung findet. Dieses ungewöhnliche Stilmittel wird mithilfe des beigefügten Glossars etwas erläutert.

Neben einem Glossar findet sich auch ein Nachwort der Autorin, in dem sie auf das große Subthema eingeht, das den Roman durchzieht. Nach der Verschleppung und Versklavung von unschuldigen farbigen Amerikaner aus dem Norden in den Süden geht es nun im vorliegenden Titel um den Kampf der Frauen um Selbstbestimmung. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat aus einer Quelle eingeleitet, das sich mit diesem Thema beschäftigt. Viel Neues über die Widerstände und Abläufe dieses Ringens um Selbstbestimmung erfährt man hier und wird neben aller Unterhaltung auch gut informiert.

Darüberhinaus ist das Buch keineswegs trocken, sondern vermag wieder mit Spannung, Witz und viel Lokalkolorit zu überzeugen. Die Holmes-Watson-Dynamik vom Ich-Erzähler Timothy und seinem Bruder Valentine ist diesmal nicht so ausgeprägt, dennoch ein toller historischer Krimi mit einem komplexen, aber nicht zu komplizierten Plot, der wieder viel Freude macht!

 

 

Hier noch die chronologische Übersicht der New-York-Trilogie von Lyndsay Faye:

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