Monthly Archives: Januar 2018

Worauf ich mich 2018 freue

Nachdem ich ja bereits einen Blick zurück auf das Lesejahr 2017 geworfen habe, ist es nun an der Zeit, den Blick nach vorne zu richten auf die Bücher, die uns 2018 erwarten. Bei meinem Stöbern durch die Verlagsvorschauen bin ich wieder auf eine Vielzahl an Titeln gestoßen, die allesamt recht spannend klingen. Vorhang auf für meine Novitätenrevue:

David Schalko kennt man als austrophiler Serienschauer von den Serien Braunschlag oder Die Aufschneider. Im April legt er seinen Roman Schwere Knochen vor. Einen Monat früher wird das Buch Das Echo der Bäume von Sara Novic veröffentlicht, das zurück in die Tage des Serbienkriegs 1991 führt. Im Piper-Verlag erscheint ebenfalls im März der Roman Ein Geständnis von Thekla Chabbi, in dem sie eine Frau im Gefängnis jenes titelgebende Geständnis ablegen lässt. Zuück in die Zeit des Zweiten Weltkriegs entführt der Niederländer Stefan Hertmans mit seinem Buch Krieg und Terpentin (Erscheinungsdatum ebenfalls März).

 

Der Schöffling-Verlag aus Frankfurt veröffentlicht anlässlich des 100. Geburtstags von Jens Rehn sein Büchlein Nichts in Sicht noch einmal, Ursula März steuerte das Nachwort bei. Mit So enden wir gibt es im März Nachschlag für alle Leser von Daniel Galera. Im Suhrkamp-Roman erscheint der neue Roman, der sich um drei Freunde und verlorene Ideale dreht. Ebenfalls das zweite Buch auf Deutsch erscheint im April von Celeste Ng (die Autorin mit dem vokalärmsten Nachnamen, den ich kenne). Es hört auf den Titel Kleine Feuer überall. Und schließlich ist da noch George Saunders und sein Lincoln im Bardo. Für jenen Roman heimste der Amerikaner den Man Booker Prize 2017 ein, zudem freue ich mich besonders auf dieses Buch, da der Übersetzer Frank Heibert heißt. Auf seine Übertragung darf man schon gespannt sein.

 

Eine Geschichte der Wölfe von Emily Fridlund fuhr schon einige Lorbeeren ein, ich bin sehr gespannt, was das Buch wirklich kann. Auch Speicher 13 von Jon McGregor ist eines jener Bücher, die ich auf alle Fälle auf meinen Zettel gepackt habe. Der Liebeskind-Verlag aus München hat ja immer ein gutes Händchen, was lesenswerte Bücher abseits des Mainstreams angeht. Abseits des Mainstreams scheint auch das Buch Teich von Claire-Louise Bennett zu spielen, hier dreht sich alles um eine Frau in Irland, die aus der Gesellschaft aussteigt und in einem Cottage an der Küste ihr Leben nach ihren Spielregeln lebt. Über den großen Teich führt die nächste interessante Neuerscheinung – zu dem Schauplatz einer Familientragödie bringt die Autorin Emily Ruskovich die Leser nach Idaho.

 

Anthony McCarten hat mich bislang noch nie enttäuscht, auch von seinem Buch Jack erwarte ich Großes, zumindest jedoch eine nuancierte Annäherung an Jack Kerouac sollte drin sein. Große Erwartungen stelle ich auch an Ralf Rothmanns neues Buch Der Gott jenes Sommers, der damit zurückkehrt in jenes Universum, das er bereits in Im Frühling sterben durchmaß. Ein weiterer Kandidat in dieser Riege der vielversprechenden Verheißungen könnte auch David Mitchell sein, der mit dem Wolkenatlas eines meiner absoluten Lieblingsbücher geschaffen hat. Er legt diesmal einen Schauerroman mit dem Titel Slade House vor. Eine weitere Ankündigung, die aufhorchen lässt, ist der neue Thriller von Frank Schätzing. Dieser will ja immer den großen Wurf – ob ihm das bei Die Tyrannei des Schmetterlings gelingt – man darf gespannt sein!

 

Als Stefan-Zweig-Fan und Schachfreund ist auch das Buch Die Schachspieler von Buenos Aires von Ariel Magnus ein Werk, das ich auf meinem Zettel habe. Genauso wie das mit dem National Book Award ausgezeichnete Werk Singt, ihr Lebenden und Toten von Jesmyn Ward. Sie ist die bislang einzige Frau, der das Kunststück gelang, zweimal mit jenem Preis ausgezeichnet zu werden. Nach einem wirklich faszinierenden Schmöker, der zum Versinken einlädt, klingt auch John Boynes neues Buch Cyril Avery. In Die Kunst zu verlieren entführt Alice Zeniter schließlich die Leser in ein Land, das auf meiner literarischen Landkarte bislang noch kaum vorkam – Algerien. Erscheinen wird jenes Buch im Juni 2018.

 

Klaus Modick ist einer meiner deutschsprachigen Lieblingsschriftsteller. In seinem neuen, im März erscheinendem Buch, widmet er sich nun Keyserlings Geheimnis. Was sich hinter jenem Geheimnis verbirgt und wie sich Modick dem heute schon wieder ziemlich vergessenen Schriftsteller annähert, das bleibt abzuwarten. Im Herbst 2018 werden sich abermals die Tore zur Buchmesse in Frankfurt öffnen. Das Gastland heißt diesmal Georgien. Georgische Literatur (mit Ausnahme von Nino Haratischwili) ist nun auch nicht so meine Domäne. Vielleicht ändert sich das mit dem Buch Reise nach Karabach von Aka Morchiladze aus dem Weidle-Verlag (Erscheinungsdatum Februar 2018). In eine ganz andere Richtung geht Jonathan Lees Roman High Dive, der zurück in die Thatcher-Jahre Englands führt. Und schließlich hat mich beim Durchblättern der Vorschauen auch der Roman Barbarentage von William Finnegan  aus dem Suhrkamp-Programm gepackt, der von der Leidenschaft zum Surfen handelt. Auch dieses Buch wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf meine Leseliste wandern.

 

Diese bunte Mischung ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was uns dieses Jahr so alles erwarten wird. Nicht nur ich habe schon fleißig in den Programmen geschmökert, auch viele andere Blogger haben sich Gedanken gemacht, was sie dieses Jahr lesen möchten und worauf sie sich freuen. Stellvertretend seien hier die Vorschauen auf den Blogs Muromez, Bücherherbst, Zeichen&Zeit sowie bei Stefan Mesch verwiesen. Viel Spaß beim Schmökern – und gerne freue ich mich auch auf eure Tipps und Anregungen!

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Stefan Zweig – Die Welt von gestern

Man sollte mehr Stefan Zweig lesen. Diese Erkenntnis hat sich für mich nach der Lektüre von Zweigs Autobiographie Die Welt von gestern – Erinnerungen eines Europäers noch einmal verfestigt. Durfte ich bereits Zweigs Miniaturen Sternstunden der Menschheit in der kommentierten Salzburger Ausgabe lesen, widmete ich mich nun den im Exil entstandenen Erinnerungen des Österreichers. Bei der Ausgabe, die mir hierbei vorlag, handelt es sich um die von Oliver Matuschek kommentierte Fassung, erschienen im S.Fischer-Verlag. Mit 704 Seiten enthält sie über 230 Seiten Anmerkungen, Fußnoten und Hintergrundinformationen zu der Entstehungsgeschichte der einzelnen Kapitel sowie Fotografien und graphische Abbildungen.

Ohne Nachschlagewerke oder ein persönliches Archiv fertigte der 1881 in Wien geborene Schriftsteller seine Lebenserinnerungen an, wie er schon im Vorwort seines Buches betont. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und der folgende Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 hatten den Schriftsteller dazu bewogen, seine Heimat in Salzburg zu verlassen. Fortan lebte er unstet, ging erst nach England, um dann über New York, Argentinien und Paraguy bis nach Brasilien zu emigrieren, wo er sich 1942 in Petropolis zusammen mit seiner Frau Lotte das Leben nahm. Posthum erschienen seine Erinnerungen an jene Welt von gestern, die er hinter sich ließ beziehungsweise lassen musste. Seine Bücher, seine gesammelten Autographen und Erinnerungen blieben umzugsbedingt zurück, am Ende behielt Zweig nur seine Erinnerungen, die er auf Papier bannte und die einen präzisen Weg Europas vom 19. Jahrhundert bis in die Zeit des Nationalsozialismus nachzeichnen.

Flucht ins Exil

Seine Erinnerungen umfassen dabei Persönliches genauso wie Politisches, Soziologisches und Begegnungen mit anderen Größen seiner Zeit. In einer wunderbaren, nicht antiquiert zu nennenden Sprache schildert er ausgehend von seinen Jugenderinnerungen und seiner Gymnasialzeit seinen Werdegang. Er zeichnet dabei seine Karriere als Schriftsteller nach, die ihn auf dem Höhepunkt seines schriftstellerischen Erfolgs zu einem der meistgelesenen und übersetzten Schrifsteller der Welt werden ließ. Dies änderte sich, als die Nationalsozialisten ihn vom Buchmarkt tilgen ließen, da Zweig trotz seines literarischen Renommees als Jude alles andere als wohlgelitten war. Paradoxerweise sorgten die Nazis selbst aber auch für einen Erfolg des Schriftstellers: als dieser das Libretto für die Oper Die schweigsame Frau von Richard Strauss verfasste, wurde noch einmal ein Werk des Autoren zugelassen, ehe Zweig anschließend zur geächteten Person wurde.

Die Begegnungen mit Richard Strauss finden im Buch genauso ihren ausführlichen Platz wie die die Kontakte mit den Weggefährten wie Hugo von Hoffmannsthal, Rainer Maria Rilke, Romain Rolland oder Émile Verhaeren. Allen diesen Dichtern und Denkern widmet Zweig Vignetten, mal schwärmerische, mal verhaltenere Zeilen. Dabei gelingt es ihm, einen wirklichen europäischen Blick auf die Kulturlandschaft zu entwickeln, seine Übersetzungen und Reisen machen ihn zu einem weltoffenen und interessierten Menschen, der die Leser seiner Autobiographie an diesem kosmopolitischen Blick teilhaben lässt. Stark tritt in den Kapiteln (insbesondere in denen über den Ersten Weltkrieg) Zweigs Überzeugung von der Idee Europas in den Vordergrund. Seine Absagen an nationale Kraftmeiereien und den nach dem Kriegsende erblühenden Revanchismus sind deutlich und besitzen auch 75 Jahre nach dem Erscheinen seiner Erinnerungen große Aktualität und Richtigkeit.

Eindringliche Erfahrungen

Auch insgesamt betrachtet bleibt Zweigs Schaffen von großer Bedeutung, seine Themen sind universell und lesen sich frisch. Wie guter Geschichtsunterricht entfalten sich Zweigs chronologischen Schilderungen und bleiben fesselnd und eindringlich, obwohl die Geschehnisse eigentlich ja bekannt sind. Dabei spart Zweig bei aller Persönlichkeit, die durch die Form der Autobiographie bedingt ist, auch bestimmte Themen aus. Er interessiert sich eher für die geschichtlichen Zusammenhänge und sein künstlerisches Schaffen, denn für so etwas Privates wie die Liebe. Zweigs Beziehungen finden in der Welt von gestern eigentlich nicht statt.

Den von ihm gewählten Ansatz und seine entwickelten Erinnerungsbögen finde ich, um dies nun abschließend noch einmal aufzugreifen, wirklich wunderbar und – ja, ich bemühe das Wort – meisterhaft. Eine Autobiographie, die die Zeit überstehen wird und ein wahrer Klassiker ist. Frisch, eindringlich und fabelhaft geschrieben gehört sie immer wieder gelesen.

Auch Oliver Matuschek hat am Gelingen der vorliegenden Ausgabe natürlich einen immanenten Anteil, schließlich liefert er einen erhellenden Anmerkungsapparat, der Zweigs Erinnerungen noch einmal vertieft. Mit zahlreichen Fußnoten arbeitet er die Verweise in Zweigs Werk heraus, ergänzt durch konkrete Informationen auf dem neuesten Stand der Zweig-Forschung und rundet so das Leseerlebnis ab. Einzig etwas schade, dass beide Textkorpusse völlig unverbunden nebeneinander stehen. So muss man stets vom Anmerkungsapparat zu Zweigs Erinnerungen springen und umgekehrt. Alleine aus dem Text des Österreichers wird durch die Nicht-Verwendung von Fußnoten nicht ersichtlich, an welchen Passagen Kommentierungen erfolgten. So muss man immer etwas blättern oder auf Verdacht zu Matuscheks Erläuterungen springen in der Hoffnung, die vorliegende Stelle sei eine kommentierte. Hier hätten Einmerkungen im Text für mehr Klarheit sorgen und Brücken bauen können (wenngleich sie natürlich im Lesefluss irritieren können, aber ich lese hier ja bewusst eine kommentierte und keine reine Text-Ausgabe).

Ansonsten aber von diesen kleinen Anmerkungen abgesehen ist die Konzeptionierung dieser Ausgabe absolut stimmig und zeitlos. Es bleibt nur zu hoffen, dass Zweigs Erinnerungen immer wieder neu gelesen und bedacht werden – mit dieser kommentierten Ausgabe wird hierzu ein großer Schritt getan!


Bildrechte Titelbild: Andreas Maislinger – http://www.gedenkdienst.org/deutsch/stellen/stelle34.php4, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11224860

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Jean-Francois Parot – Commissaire Le Floch und das Geheimnis der Weißmäntel

Siebzehn Jahre hat es gedauert, bis die in Frankreich erfolgreiche Reihe um den Commissaire Nicolas Le Floch nun auch bei uns erschien. In der Übersetzung von Michael von Killisch-Horn liegt der Auftakt für die mehrbändige historischen Krimirreihe um den französischen Kommissar im Blessing-Verlag nun vor. Hat sich das Warten gelohnt?

In meinen Augen ja, denn Jean-Francois Parot gelingt es, die Leser zugleich in ein längst vergangenes Paris zu versetzen und zugleich einen vertrackten Mordfall zu präsentieren. Lösen darf jenen Fall der junge Nicolas Le Floch, der zu Beginn des Buchs aus seiner Heimat in der Bretagne auf Empfehlung seines Ziehvaters nach Paris geschickt wird. Dort untersteht er direkt dem obersten Polizeichef, der ihn mit einer heiklen Mission betraut. Der König wird von einem Minister mit vertraulichen Schreiben erpresst. Ein Commissaire, der den Fall lösen sollte, ist verschwunden und nun liegt es an Nicolas Le Floch, den Verbleib des Commissaires und den der Schreiben zu ermitteln.

Ein Fall, der höchstes Fingerspitzengefühl fordert und der zur echten Belastungsprobe für den jungen Le Floch wird. Man sieht die Stadt durch dessen Augen, folgt ihm in die finsteren Gassen und durchmisst auch die ganze Pariser Stadtgesellschaft, vom König bis hin zum Lumpenproletariat.

Jean-Francois Parot zeichnet ein ungeschöntes Bild von der französischen Hauptstadt um das Jahr 1760 fernab von dem Bild, das heute unser Denken dominiert. Von Haussmann-Boulevards, Eiffelturm und Hygiene keine Spur, dafür dominieren Dreck, leichte Mädchen und gedungene Mörder die Straßen. Als studierter Historiker mit Schwerpunkt auf dem 18. Jahrhundert kennt sich Parot hier zweifelsohne gut aus. Schön auch, dass er trotz seiner akademischen Bildung nie zu viel Theorie oder Faktenlastigkeit in seine Erzählung einstreut.

Abgerundet wird dieser verheißungsvolle Auftakt der Reihe durch ein Personenregister, ein Glossar und angehängte Kurzbiographien der historisch verbürgten Personen, die den Roman bevölkern.

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