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Víctor Català – Ein Film (3000 Meter)

Was ist in einem Menschen als Charakter angelegt? Wie entwickelt man sich, wenn man von seiner Familie, seinen Eltern und seiner Geschichte nichts weiß? Diesen Fragen geht die katalonische Autorin Caterina Albert i Paradís alias Víctor Català in ihrem Roman Ein Film (3000 Meter) aus dem Jahr 1926 nach. Im Rahmen des Iberischen Panoramas ist diese Wiederentdeckung in der Übersetzung von Petra Zickmann soeben im Kupido Literaturverlag erschienen. Es handelt sich hierbei um einen wirklichen Schatz, der hier gehoben wurde!


Etwa von 1880 bis 1911 dauert die Phase des Modernisme, mit dem Architektur, Kunsthandwerk und Kunst in Katalonien sowohl an eigene, als auch europäische Entwicklungen anknüpfen wollten. Zur bekanntesten Vertreterin dieser Epoche auf dem Feld der Literatur zählt die 1869 im katalanischen L’escala geborene Caterina Albert i Paradís, die zur Vorreiterin der weiblichen katalanischen Literatur werden sollte.

Erfolg unter dem Pseudonym Víctor Català

Gemäß dem männlichen Geniekult war es einer Frau zu der Zeit nur schwerlich möglich, sich mit eigenen Publikationen einen Namen zu machen. In Einklang mit Geschlechtsgenossinen wie Amantine-Aurore-Lucile Dupin de Francueil oder Mary Ann Evans, die sich im 19. Jahrhundert die Pseudonyme George Sand beziehungsweise George Eliot zulegten, um auf dem Buchmarkt eine Chance zu haben, wurde aus Caterina Albert i Paradís Víctor Català.

Víctor Catalàs - Solitud (Cover)
Nicht mehr lieferbar: der bekannteste Roman Victor Catalàs Solitud

Ihr Roman Solitud machte sie zur bedeutendsten Vertreten des katalanischen Ruralisme, einer Unterströmung des Modernisme, wie Bernecker, Eßer und Kraus in ihrer kleinen Geschichte Kataloniens schreiben. Trotzdem ist die Autorin bei uns alles andere als bekannt. Die letzte ins Deutsche übersetzte Ausgabe dieses Romans, der die Geschichte einer weiblichen Befreiung aus einer unglücklichen Ehe erzählt, datiert aus dem Jahr 2009 und ist längst vergriffen.

Besser als mit Catalàs bekanntestem Werk sieht es mit den zuletzt erschienenen zweisprachigen Erzählungen Catalàs aus. Diese im Lehmweg-Verlag erschienenen Texte sind trotz der neun Jahre, die seit der Veröffentlichung vergangenen sind, noch immer lieferbar.

Nun hat sich der Kupido-Verlag drangemacht im Rahmen der Reihe Klassiker der katalanischen Literatur des 20. Jahrhunderts, die in der Sektion Iberisches Panorama des Verlag erscheint, eine erstmalige Übersetzung des im Jahr 1926 erschienenen Romans Ein Film (3000 Meter) zu veranlassen. Ein Vorhaben, das mit einem ebenso düsteren wie genauen Entwicklungsroman in bester realistischer Tradition belohnt wird, der sich nun auch hierzulande erstmals entdecken lässt und der eine Autorin zeigt, die ihr genaues Auge und das Talent zu filmischen Erzählen auszeichnet.

Ein Junge will seine Herkunft ergründen

Alles beginnt in Catalàs Erzählung mit einem Jungen, der an der Tür des Ehepaars Maria und Jepet Gallinaire klopft. Er offenbart sich den beiden als jenes Waisenkind, das Maria vor vielen Jahren im Auftrag einer Bekannten im Waisenhaus abgab. Schon in dieser Eröffnungsszene zeigt sich das inszenatorische Talent der Schriftstellerin, die einen eindrucksvollen Auftritt des jungen Nonat ersinnt, der in der sturmumtosten Nacht an die Tür des Paares klopft – oder besser donnert.

Und ohne den Satz zu beenden, zog sie den Querbalken zurück. Doch noch ehe sie nach der Tür greifen konnte, flog ihr diese mit Wucht entgegen, und etwas Eisiges, Dunkles warf sich auf Maria wie ein böser Geist, ihr wurde schwarz vor Augen, sie taumelte und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren. Denn die Tramuntana, der steife Nordwest, der mit Macht hereingefegt kam, war ihr frech unter die Röcke gefahren und hatte ihr diese mit einem Schwung über Brust und Gesicht geweht. Als sie ihre Augen wieder davon befreit hatte, sah sie sich einem Mann in einem langen Schultermantel gegenüber, der einen weichen Hut bis zu den Ohren gezogen hatte und mit ausgestrecktem Arm die Tür festhielt, damit sie nicht wieder zufiel.

Víctor Català – Ein Film (3000 Meter), S. 19

Nonat, so der Name des Waisenjungen, führt die Frage nach seiner eigenen Herkunft in das Haus der beiden kinderlosen Alten. Doch statt Antworten erhält er nur eine Lügengeschichte, die er schnell als Märchen enttarnt. Er zieht nach einer Übernachtung weiter nach seiner Herkunft suchend von dannen, nicht aber ohne die Erkenntnis von Maria Gallinaire, dass der Junge etwas „Diabolisches“ an sich habe.

Eine Erkenntnis, die auch der Schmied in Girona teilt, bei dem Nonat zur Ausbildung unterkommt. Dieser muss wie auch die Gallinaires feststellen, dass sich der Junge auf keinem guten Weg befindet, bei Gott nicht (S. 66). Doch auch wenn es kein guter Weg sein mag, immerhin ist es ein Weg, der Nonat in der Folge aus der Provinz nach Barcelona führt, wo er die Anstellung als Schlosser bei einem anderen Schmied findet.

Die dunklen Seiten Barcelonas

Angezogen von der brummenden Stadt, von den Kutschen, Reitern und Passanten auf der Rambla und den vielen anderen Plätzen der Stadt, beginnt er hier ein neues Leben, stets begleitet von der Frage seiner eigenen Herkunft und dem Elternhaus, dem er entstammen mag.

Víctor Català - Ein Film (3000 Meter)

Diese Leerstelle, die trotz seiner Suche und den spärlichen Spuren in Form von Taufurkunde, einem Madonnen-Medaillon und einer kreuzförmigen Tätowierung nach wie vor beharrlich leergeblieben ist, treibt Nonat nicht nur um, sondern auch an. Denn während die Leser*innen schon nach den eröffnenden Seiten um das Geheimnis seiner Herkunft Wissen, wandelt Nonat weiterhin im Dunkeln, verspürt aber immer stärker in sich werdend einen Wunsch nach Zugehörigkeit zu den edlen Kreisen in Barcelona.

Der Impuls nach Stutzertum und schmückendem Blendwerk wird immer stärker im jungen Mann, der sich nach einem Sitzplatz in den prächtigen Kutschen sehnt und im Theater gerne gesehen werden möchte. Ein Wunsch, der mit dem Leben und vor allem Auskommen eines einfachen Schmieds nicht wirklich korrespondiert.

Und so tritt die Prophezeiung des Schmieds aus Girona tatsächlich ein. Denn je älter Nonat wird, umso mehr entfernt er sich von den christlichen Idealen seiner Erziehung im von Nonnen geführten Waisenhaus und gibt den dunklen Seiten in seinem Charakter mehr Platz. Was mit dem Diebstahl eines Fahrrads oder eines Spazierstocks beginnt, wird bald zu einer veritablen kriminellen Karriere, die Nonat noch ins Unglück führen wird, ohne an dieser Stelle zu viel der Handlung von Ein Film (3000 Meter) zu verraten.

Ein großartiger Entwicklungsroman der negativen Sorte

Catalàs Roman ist ein Entwicklungsroman der negativen Sorte, der seinen Helden auf dem Weg vom kindlichen Unschuldige ins kriminelle Verderben begleitet. Geschildert mit den Mitteln des Realismus, ist Ein Film (3000 Meter) eine an den französischen Größen wie Honoré de Balzac, Maurice Leblanc oder Victor Hugo geschulte Erzählung, die auch knapp hundert Jahre nach ihrem Erscheinen wenig von ihrer Dramatik und Wucht eingebüßt hat.

Über allem schwebt die Frage der Anlage des eigenen Charakters, den Nonat Stück für Stück freilegt, angetrieben von dieser rätselhaften Sehnsucht in der eigenen Brust, die er kaum versteht und der er doch Folge leisten muss, wohin sie ihn auch führen mag.

Das gestaltet Víctor Catalàs alias Caterina Albert i Paradís mit einem großen Gespür für Figuren und Orte. Die Unterwelt Barcelonas, die stets in Nonat pochende Sehnsucht, die schiefe Bahn, auf der er der junge Mann befindet – zu Beginn noch unmerklich, dann aber immer steiler werdend – all das schildert die katalanische Autorin wirklich mitreißend und ganz titelgemäß nahezu wie einen Film, dem man gespannt und erstaunt folgt.

Einzig und allein eine etwas augenfälligere Aufmachung sowie ein einordnendes Nachwort zu Werk und Autorin hätte dieses Buch verdient. Davon abgesehen ist dem Kupido-Verlags mit der (Wieder)Entdeckung dieser Autorin ein wirklich großer Coup gelungen, der viel Achtung verdient!


  • Víctor Català alias Caterina Albert i Paradís – Ein Film (3000 Meter)
  • Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann
  • ISBN 978-3-96675-270-1 (Kupido Literaturverlag)
  • 460 Seiten. Preis: 29,80 €
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Carlos Ruiz Zafón – Das Labyrinth der Lichter

Im Labyrinth des Dichters

Nun liegt mit Das Labyrinth der Lichter der vierte und abschließende Teil der Reihe um den Friedhof der vergessenen Bücher vor. Der Autor Carlos Ruiz Zafón kehrt hierzu wieder in das gotische Barcelona zurück, das Leser schon aus den drei vorherigen Teilen Der Schatten des Windes, Das Spiel des Engels und Der Gefangene des Himmels kennen. Der Roman fungiert als Schlussstein, führt die Figuren aus den Vorgängern noch einmal zusammen und ist mit 960 Seiten ein sehr ausladendes Finale geworden. Doch auch Neulinge dürften sich gleich im Universum von Ruiz Zafón zurechtfinden.

Carlos Ruiz Zafon - Das Labyrinth der Lichter (Cover)

Erzählt wird die Geschichte von Alicia Gris, die ein Spezialauftrag zurück nach Barcelona führt: der Bildungsminister Mauricio Valls ist verschwunden. Dieser ist ein wichtiges Zugpferd der Franco-Diktatur 1957 und soll nun von Alicia wiedergefunden werden. Zusammen mit einem Kollegen geht sie den dünnen Spuren nach, um das Verschwinden regimetreuen Funktionärs zu beleuchten. Feinde, die hinter dem Verschwinden stehen könnten, gäbe es zur Genüge. Der Minister hat in seiner Regierungszeit die Hälfte der spanischen Schriftstellerzunft verfolgen und verhaften lassen. Hat einer dieser Schriftsteller eine mit Valls Rechung offen?

Die Spuren des Verschwundenen führen Alicia von Madrid wieder zurück nach Barcelona – eine Stadt, der sie für immer entkommen zu sein glaubte. Doch Ereignisse aus Alicias Kindheit lassen sie auch bei ihrem aktuellen Auftrag nicht los und so wird die Suche schließlich immer mehr zu Alicias Obsession und führt sie zurück an die Stätte, an der alles seinen Anfang nahm – den Friedhof der vergessenen Bücher.

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Daniel Sánchez Pardos – Die Sieben Türen

Brände, Barcelona, Gaudí – in seinem ersten auf Deutsch vorliegenden Roman lässt der Spanier Daniel Sánchez Pardos den wohl berühmtesten Architekten Spaniens und Stadtgestalter in ein Komplott stürzen, das einigen Bewohnern der Stadt den Kopf kosten könnte …

Gabriel Camarasa ist ein junger Architekturstudent, den auf den ersten Seiten des Romans schon fast wieder das Zeitliche segnet. Bei einem Brand droht er im Barcelona des Jahres 1874 von durchgegangen Pferden zertrampelt zu werden. Zum Retter aus höchster Not wird ihm ein anderer Architekturstudent namens Antoni Gaudí, der zum Lebensretter Gabriels und schon bald dessen bester Freund wird. Die beiden jungen Studenten freunden sich im Zuge des Brandes an, der die Räume einer Zeitungsredaktion zerstört hat. Das Konkurrenzblatt dieser Zeitung ist das Boulevardblatt Las noticias ilustradas, das ausgerechnet von Gabriels Vater geleitet wird.

Dieser gerät auch schon bald in den Fokus der Ermittlungen, da sich herausstellt, dass der Brand in der Zeitungsredaktion vorsätzlich gelegt wurde. Wollte sich Gabriels Vater einem unliebsamen Konkurrenten entledigen? Gabriel und Gaudí beschließen eigene Nachforschungen anzustellen, denn anders als die Polizei ist Gabriel fest von der Unschuld seines Vaters überzeugt. Doch schon bald stellt sich heraus, dass die Familie Camarasa auch eigene Geheimnisse hütet, von denen Gabriel nichts ahnte. Ist sein Vater wirklich ein unschuldiger Mann?

Barcelona im Jahre 1874

Sieben Türen

Für seinen Roman Die sieben Türen hat sich Daniel Sánchez Pardos eine spannende Epoche ausgesucht. Im Barcelona des Jahres 1874 kämpfen revolutionäre Gruppe, Bourgeoisie und Royalisten um die Herrschaft, man bezichtigt sich gegenseitig umstürzlerischer Umtriebe und belauert und beharkt sich. Ein brodelndes Barcelona also, durch das sich Gabriel und Antoni Gaudí ermitteln.

Musste ich auch bei der Beschreibung des Klappentextes und einer ersten Betrachtung der Aufmachung des Buches an den Großmeister aller Barcelona-Romane denken, nämlich Carlos Ruiz Záfon, so relativiert sich dieser Eindruck schon bald nach den ersten dutzend Seiten des Buchs. Das Flair, das Zafon zwischen die Seiten zaubert, bekommt Sánchez Pardos in dieser Form nämlich leider nur in verminderter Form hin. Sein Buch ist eigentlich ein reiner historischer Kriminalroman, nicht mehr und nicht weniger.

Die Begeisterung des Autoren für die Werke Arthur Conan Doyles merkt man Die sieben Türen auch deutlich an, wenngleich der Spanier etwas von der konzisen Schreibe des englischen Autoren hätte übernehmen können. Der Plot ist nämlich reizvoll und gut, nur hätte er auch einige Straffungen oder Kürzungen vertragen. Sein Ermittlerduo erinnert nicht von ungefähr an Watson und Sherlock Holmes, auch in puncto Dynamik. Für die Figuren des Verlegersohnes und des kommenden Stararchitekten hätte ich mir allerdings etwas mehr Ecken und Kanten beziehungsweise Tiefe in den Profilen gewünscht. So bleiben alle Charaktere etwas austauschbar, was schade ist, da hier viel Potential ungenutzt verstreicht. Davon abgesehen allerdings ein passabler historischer Krimi, der für Barcelona-Fans Pflicht ist!

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Andreas Pflüger – Endgültig

Blinde Gerechtigkeit

Jenny Aaron war einst eine Spitzenagentin für eine geheime Unterabteilung des BKA, ehe ein Einsatz in Barcelona alles über den Haufen warf. Der Einsatz lief fürchterlich schief und seitdem plagt sich die Agentin mit schwersten Schuldvorwürfen herum und ist zudem blind. Dies hält sie allerdings nicht davon ab, weiterhin für Gerechtigkeit und Wahrheit einzutreten. Mit einer unglaublichen Selbstverbissenheit und unterstützt von ihrem Vater, einem Urgestein der GSG9, hat sie sich zurückgekämpft und ist ein echtes Ass in Sachen Körperbeherrschung und Verhören. Ihre Blindheit ist ihr dabei nur Ansporn, ihre eigenen Grenzen zu überschreiten

PflügerDie Ereignisse, mit den Andreas Pflüger die blinde Koryphäe in Endgültig konfrontiert, sind aber dazu angetan, sie an ihre Grenzen und darüber hinaus zu führen. Ausgangspunkt ist der Mord an einer Gefängnispsychologin in der JVA Tegel. Der mutmaßliche Mörder ist nur bereit, mit einer Person zu sprechen – Jenny Aaron. Das damit verbundene Psychospielchen entpuppt sich nur als Auftakt zu einer wahren Tour de Force, die Jenny mit alten Feinden und tief verschütteten Traumata konfrontiert. Denn wie es scheint, ist das jetzige Spiel, in dem sich Jenny wiederfindet, nur die Spitze eines Plans, der vor langer Zeit geschmiedet wurde, um Rache an der blinden Polizistin zu nehmen und sie büßen zu lassen. Doch kann sie dem diabolischen Plan wirklich entrinnen?

Selten hatte ich in letzter Zeit einen so spannenden, einen so gut geschriebenen und einen so temporeichen Roman in meiner Hand, wie dies bei Andreas Pflügers Endgültig der Fall ist. Der Autor trat bislang eher als Drehbuchautor der Weimarer Tatort-Folgen mit Christian Ullmen und Nora Tschirner in Aktion, doch auch ein Buch hat er bereits geschrieben. Dieses trägt den Titel Operation Rubikon und wurde auch mit Stars wie Jörg Schüttauf und Justus von Dohnány verfilmt.

Andreas Pflüger

Andreas Pflüger

Sein neuer Thriller ist ebenfalls mehr als filmreich, wobei das Wort Kopfkino hier einen doppelten Reiz hat. So entfesselt der Autor nicht nur tolle Bilder und inszeniert ein wahres Feuerwerk an einprägsamen Szenen, auch schafft er das Kunststück, den Leser an der Lebenswelt von Blinden teilhaben zu lassen. Er beschreibt Jenny Aarons Welt und sensibilisiert dafür, wie es sein muss, blind durchs Leben zu gehen. Vorher machte ich mir nie Gedanken, wie man Salz- und Pfefferstreuer einfach auseinanderhalten kann. Nun weiß ich das auch, dank Andreas Pflüger (Antwort – Salz raschelt, Pfeffer gibt keinen Laut von sich. Simpel – es muss einem aber auch erst auffallen.). Erinnert hat mich das Buch auch an Sebastian Fitzeks Thriller Der Augensammler, wobei jener Roman eher Kreisklasse ist, verglichen zu diesem Premium-Liga-Thriller. Alleine wer schon Sätze ersinnt wie „Die Herzmaschine jagt Verzweiflung in die Venen“ (S. 16), zeigt, dass es hier um mehr geht als die Lust am Krawall.

Natürlich darf man dem Buch auch Stereotype vorhalten – Jenny Aaron ist genauso übermenschlich gezeichnet, wie ihr Gegner allumfassend böse ist. Da diese Überzeichnung aber auch zu unterhalten weiß, war ich gewillt, diesem manchmal sehr hollywoodesken Setting zu verzeihen, da Pflüger das Spannungslevel und das Tempo über sämtliche 455 Seiten zu gehen weiß. Ein gut geplotteter Thriller, zudem auch fein gestaltet mit Brailleschrift und gelbem Buchschnitt.

Dieses Buch ist ein echter Kracher, ein Highlight im Spannungssegment dieses Frühjahrs und setzt Maßstäbe – breiteste Leseempfehlung von meiner Seite!

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Antonio Hill – Tote Liebe

Die Liebenden von Hiroshima

Tote LiebeDas Setting des neuen Verbrechens, das Hector Salgado in seinem dritten und letzten Einsatz aufklären muss, ist reichlich bizarr. In einem leerstehenden Haus wird ein schon lange vermisstes Pärchen tot aufgefunden, in der Umgebung findet sich ein Koffer mit tausenden von Euros und Gemälde, die das erschlagene Paar zeigen.

Welcher Mörder lässt eine derartig hohe Summe an Geld zurück und arrangiert den Fundort der Leichen? Und was hat es mit der Erzählung Die Liebenden von Hiroshima auf sich, die immer wieder in den Ermittlungen Hectors auftaucht?

 

Der melancholische Ermittler Hector Salgado, der eigentlich aus Argentinien stammt, beginnt den dünnen Spuren zu folgen, während er mit den Dämonen seiner Vergangenheit kämpft. In den beiden Vorgängerbänden Der Sommer der toten Puppen und Der einzige Ausweg kam der Leser langsam hinter das Verschwinden von Ruth Valldaura, der Gattin von Hector. Dass sie aus dem Leben des Ermittlers trat und verschwand, dies verzeiht sich der argentinische Ermittler bis heute nicht. Horizontal erzählt kommt dieser Subplot nun zum Ende – hier wäre die Kenntnis der beiden Vorgängerbände von Vorteil, auch wenn Hill die wichtigsten Fakten noch einmal kurz anreißt.

 

Immer wieder wirft Hill einen Puzzlestein um die damaligen Ereignisse, die zum Verschwinden von Ruth führten, in die Handlung ein, während auch der Fall des ermordeten Pärchens langsam an Klarheit gewinnt.

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