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Jürgen Goldstein – Blau

Es gibt Büchlein, die sind ganz und gar wunderbar gestaltet. Man nimmt sie gerne in die Hand, bewundert die Aufmachung, den Einband, die Schriftarten – und dann dreht man das Buch um und liest den Klappentext. Im vorliegenden Fall wäre das Buch glatt wieder zurück ins Regal gewandert, hätte ich nicht als #baybuch-Blogger das Buch auf meiner Leseliste gehabt. Denn der Klappentext, nun ja …

Die Welt, in der wir leben, ist an vielen Stellen in sattes Blau getaucht. Die Tiefe und Kraft jener Farbe entspringt den Bedeutungen, die wir ihr zuschreiben: Freiheit, himmlische Weite und Sehnsucht. Wie eine Wunderkammer versammelt dieses gelehrte und elegant verfasste Buch die verschiedensten Fundstücke dieser geheimnisvollen und berührenden Farbe.

Einen betulicheren und bräsigeren Klappentext fand ich bei keinem der sechs nominierten Bücher. Diese sprachliche Reminiszenz an verstaubte und (zu recht) vergessene jahrzehntealte Sachbücher finde ich reichlich unglücklich. Diese hölzernen Worte machen keine Lust auf das Buch und sind auch in keinster Weise für den Inhalt des Buchs repräsentativ. Dabei lohnt es sich auf alle Fälle, das Buch aufzuschlagen und in den blauen Welten zu versinken, die Jürgen Goldstein schildert.

Erschienen ist Jürgen Goldsteins Buch im großartigen Kleinverlag Matthes&Seitz. Jenes Berliner Unternehmen verlegt auch die hiermit aufs Wärmste empfohlenen Naturkunden, die sich allen möglichen Tieren und Naturphänomenen widmen. Goldstein liefert für jene Reihe auch bereits einen Beitrag, und zwar das Buch Die Entdeckung der Natur: Etappen einer Erfahrungsgeschichte. Ein weiteres Buch liegt vom Autor über Georg Forster vor, in dem er sich mit dem Leben des Naturforschers und Revolutionärs auseinander setzt. Für jenes Buch gab es den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse im Jahr 2016. Nun also Blau – und die Nominierung für den Bayerischen Buchpreis 2017.

Tatsächlich versucht sich der Philosoph Goldstein in seinem Buch an einem holistischen Ansatz, um die Farbe Blau zu betrachten. In seinem etwas irrlichternden Einleitungswort beruft er sich auf das philosophische Gedankenmodell des Rhizoms, mit welchem er fortan das Blau und seine Bedeutung betrachten will. Dies bedeutet, er versucht Gedankenketten zwischen unterschiedlichen Epochen, Menschen und Arten des Blaus zu knüpfen, um durch diese unorthodoxe Vorgehensweisen neuen Blaubedeutungen auf die Spur zu gelangen.

Dieses etwas theoretische Gebilde füllt sich dann aber gleich sehr anschaulich mit Leben, wenn man das Inhaltsverzeichnis von Blau betrachtet. So bedient sich Goldstein ähnlich wie andere Autoren, z.B. Florian Illies oder Oliver Hilmes, einer episodischen Erzählweise, die munter durch die Geschichte springt. Jedes der folgende Kapitel dreht sich immer um ein konkretes Ereignis oder Personen, bei denen das Blau eine wichtige Rolle spielt. So widmet sich der Autor dem Blau im Schaffen von Yves Klein, betrachtet Miles Davis‘ Jahrhundertwerk Kind of Blue, ergründet die Bedeutung der Farbe Blau im Schaffen von Albert Camus oder reist zu Levi Strauss nach Amerika, wo dessen Blue Jeans ihren Siegeszug um die Welt beginnt.

Was sich anfangs noch arg verkopft anhören mag, gerät wirklich schnell zu einem sehr gut lesbaren und interessanten Buch, das munter durch die Weltgeschichte mäandert und immer wieder das Blau an Stellen findet, die man gar nicht vermutet hätte. Dabei vermengt Goldstein E und U, findet in der Popliteratur genauso Bezüge wie etwa in Frida Kahlos Leben oder bei der Umrundung unseres blauen Planeten.

Der Erkenntnisgewinn der Kapitel schwankt genauso wie deren Länge, so fand ich den gerade einmal zwei Seiten starken Text zur Blauen Stunde gelinde gesagt olfaktorisch und erkenntnismäßig so verpuffend wie ein Hauch Light Blue im Abendwind. Andere Kapitel wie etwa jenes über Jim Morrison, Tutanchamun, Patti Smith, die blaue Blume Novalis sind da schon deutlicher konziser und faktengesättigter. Gerade die assoziative Struktur innerhalb der Kapitel kommt Goldsteins Buch dabei sehr entgegen und bringt zusammen, was vielleicht doch zusammengehört, bislang so allerdings eher weniger gesehen wurde.

Ergänzt wird das mit 20 Episoden bestückte Buch mit einem Vor- und Nachwort, das (für meinen Geschmack zu redundant) Goldsteins assoziatives Vorgehen begründet. Egal ob er von Rhizom, dem Flanieren oder der Theorie der Koralle spricht, wer zwei oder drei Kapitel dieses wirklich gut lesbaren (und sehr schön gestalteten) Büchleins gelesen hat, dem ist klar, wie der Hase läuft. So viel theoretisierende Gedanken hätte es an dieser Stelle nicht gebraucht. Ebenfalls enthalten ist der nach Kapiteln strukturierte Anmerkungsapparat.

Ist Blau – Eine Wunderkammer seiner Bedeutung zu Recht für den Bayerischen Buchpreis nominiert? In meinen Augen ja, bietet das Buch doch gut lesbaren und handlich portionierte Infos und kann ebenso rein unterhaltend gelesen wie auch umfassender studiert werden. Von allen drei nominierten Sachbüchern ist Blau für mich als Laie das zugänglichste Buch und steht deshalb zurecht auf dieser Liste.

 

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