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Matthias Göritz – Parker

Meine Erwartungshaltungen an dieses Buch waren hoch – vermisse ich doch etwas in der aktuellen deutschsprachigen Literatur massiv: Politik und den Willen, sich in Debatten einzubringen. Schon einmal habe ich diesen Wunsch in einem längeren Aufsatz geäußert, der sich an dieser Stelle findet. Nun also Matthias Göritz‘ Parker, ein Roman über einen Mann, über die Politik und deren Abgründe – das erhoffte ich mir nach einer ersten Studie des Klappentextes des Buchs. Bekommen habe ich stattdessen etwas anderes – aber der Reihe nach.

Matthias Göritz ist 1969 geboren und betätigt sich als Übersetzer, schreibt Gedichte und fürs Theater. Immer wieder lehrte und schrieb er auch als Dozent und Stipendiat in Amerika an verschiedenen Universitäten und im Rahmen von Förderprogrammen – so auch momentan. Zur Zeit lehrt Göritz an der Washington-Universität von St. Louis.

Den Amerika-Einschlag merkt man auch Parker auch deutlich an. Dies beginnt schon bei der Figur des titelgebenden Matthew Parker (Mutter Deutsche, Vater Amerikaner) und setzt sich in seinem trans-atlantischen Plot fort. Denn wir begleiten Parker dabei, wie er von Amerika kommend eingangs nach Schleswig-Holstein reist, wo seine Talente benötigt werden. Als Rhetoriker und Redenschreiber gibt er ein Seminar und soll den aufstrebenden SPD-Politiker Hans-Christian Mahler coachen. Der Macron von der Waterkant hat nämlich erkannt, dass smarte und redegewandte Politiker in Europa auf dem Vormarsch sind. Und so soll nun Parker Mahler in die erste Reihe der Politik bringen und dessen Vision von einem norddeutschen Silicon Valley mit Reden befeuern und pushen.

Doch der Norden und Schleswig-Holstein speziell sind ein hartes politisches Pflaster. Göritz greift das im Buch immer wieder auf und erinnert an die zahlreichen Skandale, die die Landespolitik stets produzierte. Besonders in Bezug auf die SPD stellt die politische Historie  kein Ruhmesblatt da. Fälle wie die Bespitzelung Björn Engholms in der Barschel-Affäre, das Wahldesaster Heide Simonis oder das Scheitern der SPD-Bürgermeistern Susanne Gaschkes sind nur einzelne Steine in einer Kette von Skandalen – das Register ist lang.

Wer in Schleswig-Holstein nach der Macht greift, der muss über kurz oder lang scheitern, so auch Göritz‘ These, der das an der Figur des Parker durchexerziert. Doch eine Art deutsches House of Cards ist Parker dennoch nicht, denn die Politik ist im Buch eher ein dünner Mantel, der seine Hauptfigur umkleidet. Der Mittelpunkt von Parker ist und bleibt Parker selbst.

Dass Parker dabei gerade im Haifischbecken der Politik mitschwimmt, ist keine Überraschung, Denn es sind seine Fähigkeiten als Redner und auch Blender, mit denen er sich gekonnt über Wasser hält und von Auftrag zu Auftrag laviert. Die wirklichen Triebfedern Parkers weiß sein Schöpfer Göritz dabei gut zu verstecken und diese mit dem Fortschreiten des Buches nur zögerlich zu enthüllen.

Oftmals wirkt Parker und sein ganzes Personal wie die Hochglanz-Räume, in denen sich die Handlung zumeist abspielt. Überall Hotelzimmer und Lofts, in denen auf jedem Meter ein Marcel-Breuer-Tisch oder eine Eames-Chair steht. Vordergründig ist alles auf Hochglanz und Strahlen gebürstet, hinter den Fassaden lauert aber das große Nichts. Genau das ist es auch, das Parker selbst tut – Menschen herausputzen und von ihrer besten Seite präsentieren. Die Abgründe sollte man dabei besser verstecken – doch wehe, wenn sie aufgedeckt werden …

Stark ist Göritz bei Parker in dieser Dichotomie von Schein und Sein. Andere Punkte sind schwächer geraten – denn ganz klischeefrei kann auch er nicht. So sind die Schilderungen der Stehempfänge mit den honorigen Gästen oder das Beharken der Gegner Szenen, die Erwartbares zeigen, darüber hinaus allerdings keine große Tiefenwirkung im Buch entfalten. Man kennt das schon (besser) aus Serien wie etwa The West Wing, Borgen oder dem oben bereits erwähnten House of Cards. Diese Serien sind einfach Maß der Dinge, wenn es darum geht, die Politik in ein Unterhaltungsformat zu überführen. Erwartet man Ähnliches von Parker, dürfte man enttäuscht werden.

Liest man aber Parker als Studie eines zerrissenen Mannes, die eine leichte Politik-Tünche umgibt, dann ist das Buch wirklich stark. Ausflüge in Rhetorik und Kampagnenführung inklusive.

Fazit

Ist Parker der große zeitgenössische Roman über die Politik, ihre Mechanismen und Abgründe? Dem würde ich nur mit großen Einschränkungen zustimmen. Für mich ist Parker vielmehr ein Buch über Schein und Sein sowie die Geschichte eines Mannes, der sich irgendwo zwischen Amerika und Deutschland verloren hat.

 

 

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Gabriele Tergit – Käsebier erobert den Kurfürstendamm

Meine geschätzte Mitbloggerin Birgit Böllinger vom Blog Sätze und Schätze ist schuld: nachdem sie Käsebier erobert den Kurfürstendamm auf dem Blog empfahl, wurde ich neugierig und beschaffte mir flugs den Roman, dessen Autorin mir zuvor völlig unbekannt war. Und schon konnte die Reise ins brodelnde Berlin der 1930er Jahre beginnen.


Gabriele Tergit (1894-1982), heute mehr oder minder vergessen, hat mit ihrem Käsebier einen Roman vorgelegt, der wie gemacht für unsere Tage scheint. Ausgangspunkt ist jener Georg Käsebier, ein mediokrer Sänger, der im Berliner Außenbezirk der Hasenheide in einer Art Varieté die Zuhörer mit Lieder wie etwa Mensch muss Liebe schön sein oder Wie soll er schlafen durch die dünne Wand? unterhält.

Gabriele Tergit - Käsebier erobert  den Kurfürstendamm (Cover)

Normalerweise würde sich für diesen im wahrsten Wortsinne cheesy Sänger Käsebier niemand interessieren, wenn die Berliner Rundschau nicht dringend Schlagzeilen bräuchte. Der redaktionelle Trott verlangt nach Auflockerung und Schlagzeilen – und da kommt jener Käsebier gerade recht. Nach einer ersten euphorischen Jubelrezension setzt schon bald ein Run auf den Sänger aus der Hasenheide ein. Systematisch beginnt die Hauptstadtpresse den mittelmäßigen Mann hochzuschreiben, eine Jubelarie jagt die nächste. Ein Hype setzt ein und jeder möchte ein Stück vom Käsebier-Boom abhaben. Presse, Bauspekulanten, gewiefte Unternehmer – alle setzen auf Käsebier, dem sogar eine internationale Karriere zugetraut wird.

Liest man sich in jenes Käsebier-Berlin hinein, kommen einem gleich andere Referenztitel in den Sinn. Tergits Buch gehört in die Reihe zu Erich Kästners Fabian, Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz und Hans Falladas Kleiner Mann, was nun?. In einer flirrenden und dialoggetriebenen Sprache erschafft Gabriele Tergit ein pulsierendes Berlin voller eindrücklicher Charaktere. Sie zeigt eine Welt im Wandel, in der Zeitungen um die Deutungshoheit und das wirtschaftliche Fortbestehen kämpfen müssen, in der zunächst Wohnungsnot herrscht, dann aber der ganze Bauboom zu einem Platzen der Immobilienblase führt. Höchst aktuelle Themen also, die man in ihrem Roman entdeckt, und der eine Epoche wieder zum Leben erweckt, die uns näher ist, als so manchem lieb sein kann.

Eine originelle Wiederentdeckung

Im aktuellen Boom der historischen Berlin-Stoffe (man denke nur an den durchschlagenden Erfolg von Tom Tykwers Serienadaption Babylon Berlin der historischen Gereon-Rath-Krimis von Volker Kutscher) ist Tergits Roman eine orginelle Wiederentdeckung, die nicht immer ganz leicht zu lesen ist, die aber die geneigten Leser und Kenner der Neuen Sachlichkeit durchaus überzeugen kann. Das pulsierende Zwischenkriegsberlin ist genauso eindringlich gestaltet wie die Szenen, die vom Inneren einer Zeitung der 30er Jahre berichten. Für mich ist es die gelungenste Szene des ganzen Romans, als Tergit beschreibt, wie in der Setzerei aus den einzelnen Artikeln und Lettern schlussendlich durch die kundigen Hände von Metteuren und Co eine Tageszeitung entsteht. Hier zeigt sich Gabriele Tergits beruflicher Hintergrund. Sie war nämlich selbst als Journalistin tätig, unter anderem beim Berliner Tageblatt, ehe sie vor den Nazis flüchten und emigrieren musste.

Das informative Nachwort von Nicole Henneberg beleuchtet dazu die Entstehung des Romans und die biographischen Hintergründe von Gabriele Tergit genauer. Sie liefert lesenswerte Informationen und weist unter anderem darauf hin, dass einige der auftretenden Personen tatsächlich an historisch verbürgte Journalisten angelehnt sind. Dies sorgt für eine Abrundung des Romans.

Verdient hätte es Käsebier erobert den Kurfürstendamm auf alle Fälle, in der oben genannte Reihe der bekannten Werke der Weimarer Republik Aufnahme zu finden. Tergits flirrendes und pulsierendes Berlin-Gemälde ist vielschichtig und eindringlich – Zeit wird es, dass sie wieder gelesen wird!

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Frank Stauss: Höllenritt Wahlkampf

So, nach einer kleinen Abstinenz geht es hier im Blog auch weiter, und zwar mit einem Sachbuch. Frank Stauss berichtet in Höllenritt Wahlkampf von einem Thema, das bei uns in Deutschland zwar nicht so mystisch überhöht wird wie beispielsweise in den USA, aber dennoch eigene spannende Facetten beinhaltet.
Mit Höllenritt Wahlkampf gewährt uns Frank Strauss, Werber und Wahlkämpfer, einen Blick hinter die Kulissen des Wahlkampfes. In knapper und sehr prägnanter Sprache erzählt er aus seinem Leben und erklärt seine Faszination für ein Thema, das nicht jeden elektrisieren dürfte.
Man kennt als mündiger Bürger natürlich die einschlägigen Plakate und Fernsehspots für Parteien – doch wie es dazu kam und welche Überlegungen hinter den verschiedenen Kampagnen stehen – dies beleuchtet Frank Stauss mit seiner Erfahrung von über 20 geführten Wahlkämpfen. Er kämpfte u. a. Für Olaf Scholz, Hannelore Kraft, Klaus Wowereit und Al Gore.
Seine Faszination für das Wahlkämpfen merkt man dem Buch auf jeder Seite an – und dank seiner prägnanten Sprache machen die knapp 200 Seiten von Höllenritt Wahlkampf großen Spaß.
Das Hauptaugenmerk des Autors liegt auf dem Wahlkampf Gerd Schröders von 2005 – der die SPD von der eigentlich ungewinnbar erscheinenden Ausgangssituation in die Große Koalition brachte.
Dies ist alles sehr fundiert und zieht seinen großen Reiz gerade aus der unmittelbaren Nähe, die Frank Stauss seinem Leser erlaubt. Alle Pleiten und Erfolgscoups breitet er aus und beleuchtet, welchen Einfluss Charisma, Optik und Kompetenz auf einen siegreichen Wahlkampf haben.
Da das Buch mit seinen knapp 200 Seiten doch auch für weniger buchaffine Menschen ist, die sich für Politik und Wahlkämpfe interessieren, kann es auch gut als Geschenk vor dem kommenden Wahlkampf zwischen Peer Steinbrück und Angela Merkel dienen. Garantiert lesenswert!

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