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Reif Larsen – Die Rettung des Horizonts

Von New Jersey bis in den Kongo, von Visegrad bis nach Kambodscha. Das Netz, das der amerikanische Autor Reif Larsen in seinem zweiten Roman Die Rettung des Horizonts aufspannt, ist gewaltig. Schon eine Beschreibung des Inhalts im Rahmen einer Rezension ist für mich nicht ohne Weiteres möglich, noch schwieriger wird es mit einer Einordnung dieses Buchs.

Reif Larsen hat mit seinem Roman eine Wundertüte geschaffen, ein postmodernes Erzählkonstrukt, das in New Jersey seinen Ausgang nimmt. Dort kommt nämlich inmitten eines Stromausfalls der Junge Radar Radmanovic auf die Welt. Schon mit seinem Eintritt in die Welt sorgt das Kind für Erstaunen und Kopfzerbrechen, denn Radar ist dunkelhäutig – und das bei zwei weißen Elternteilen. Eine Sensation, für die es keine rationale Erklärung zu geben scheint, weshalb die Eltern verzweifeln. Wie ein Ruf des Himmels ereilt sie da eine Nachricht aus der nördlichsten Spitze Norwegens, wo eine Gruppe von Wissenschaftlern glaubt eine Möglichkeit zur Heilung von Radar gefunden zu haben.

In diese Rahmengeschichte montiert Reif Larsen zwei weitere Geschichten, die einmal ins vom Bürgerkrieg Serbien und die davon gebeutelte Stadt Visegrad und zum anderen nach Kambodscha zur Zeit von Pol Pot führt. Diese beiden Seiterzählungen scheinen zunächst nichts mit der Geschichte um Radar zu tun zu haben, aber je weiter man im Text voranschreitet, umso mehr verbinden sich die Geschichten. Larsen verwebt einzelne Motive, erfindet eigene Bücher im Buch und arbeitet mit allen möglichen postmodernen Stilmitteln. Immer wieder werden Bilder in die Erzählung eingebettet, der Text fließt manchmal über den Rand hinaus und man weiß nie genau, was die nächsten Seiten beinhalten werden.

Dies alles macht das Buch zu einer Wundertüte, die sich konsequent einer genauen Einordnung entzieht. Ausflüge in die Physik, Elektronik, Buchgeschichte, Religion und Philosophie machen das Buch zu einer Ausnahmeerscheinung. Die Rettung des Horizonts liest sich, als hätten David Mitchell, Jorge Luis Borges und Peter Hoeg gemeinsame Sache gemacht, um dieses fast 800 Seiten umfassende Werk zu schreiben. Ihr Übriges tut die gelungene Übersetzung von Malte Krutzsch dazu, um dieses Buch auch im Deutschen gut lesbar zu machen. Bei all diesen technischen, sprachlichen und theoretischen Ausflügen von Reif Larsen war das sicher keine leichte Aufgabe.

Wenn man mich um einen Satz bäte, um den Buchinhalt zu beschreiben: ich könnte es nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist: das Buch ist lesens- und lohnenswert!

 

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Bruce Springsteen – Born to Run

Die Boss-Biographie

Bruce The Boss Springsteen – eine Musiklegende, zu der ich noch nie eine besondere Beziehung hatte. Natürlich kennt man seine Stadion-Konzerte, die E-Street-Band ist auch Menschen, die weniger in Sachen Musik bewandert sind ein Begriff und seine Hits hat man im Ohr. Egal ob Dancing in the dark, The ghost of Tom Joad oder sein Überhit Born in the USA – seine Hits erfreuen sich im Radio immer noch großer Beliebtheit, auch wenn sie schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Hits, die mich eher kalt ließen, allen voran Born in the USA. Zu einfach, zu patriotisch, zu nervig, als dass mich das Oeuvre Springsteens wirklich hätte begeistern können (Fans mögen an dieser Stelle jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen).

Um es abzukürzen – der Start mit dem Boss und mir war also eher verhalten denn von wirklicher Begeisterung getragen. Doch der 1949 geborene Rocker aus New Jersey hat es geschafft, mich im Laufe seiner 672 Seiten starken Autobiographie für sich einzunehmen und mir neu Lust auf sein vielfältiges Schaffen zu machen. Wie das kam?

Born to Run von Bruce Springsteen

Springsteen baut seine Born to run übertitelte Autobiographie chronologisch auf. Beginnend mit seiner Kindheit im ländlichen New Jersey zeichnet er seinen Lebensweg bis in die Gegenwart nach und gibt Einblicke in seinen Werdegang. Dabei braucht er viel Zeit, um seinen irisch-italienischen Hintergrund zu erklären und die ersten Laufversuche als Musiker zu schildern. Ehrlich berichtet er von Scheitern und Unerfahrenheit, zeigt welche musikalischen Einflüsse ihn prägten und wie er schließlich zu seine ersten musikalischen Wurzeln mit Soloalben und Touren schlug. Seine schlagkräftig betitelten Kapitel geben Einblicke in die Schöpfung seiner Alben, zeigen seine Intention beim Songwriting einzelner Titel und beleuchten auch den Werdegang hin zur legendären Kombo Bruce Springsteen and his E-Street-Band. Dabei ist sein Buch von einer großen Ehrlichkeit und Rauheit durchzogen und weiß sogar mit Humor an vielen Stellen zu überzeugen.

Dieses über sieben Jahre entstandene Buch ist nicht nur eine Autobiographie über einen Musiker, der in den Rock-Olymp aufstieg und zu den wichtigsten amerikanischen Künstlern der Gegenwart zählt. Er ist auch ein Einblick in das Geheimnis, wie Musik entstehen kann und was es bedeutet, vor zehntausenden Menschen auf der Bühne zu stehen. Springsteen räumt auch den Kehrseiten viel Platz ein, wenn er von Depression und Zweifeln berichtet. Er zeigt, wie im Leben Konstanz auch durch unabänderliche Veränderungen erzeugt werden kann. Und nicht zuletzt ist Born to run auch ein Einblick ins wahre Amerika, das bei allen Hochglanzberichten von der Ost- und Westküste gerne einmal vergessen wird. Eine Autobiographie, die jedem Musikfan ans Herz gelegt werden kann – Springsteen-Fan muss man dafür nicht zwingend sein!

[Rechte Titelbild: By Craig ONeal – The Boss~Live!, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4994575]

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