David Park – Reise durch ein fremdes Land

Wieder einmal führt eine Reise nicht nur zu einem Ziel, sondern vor allem ins Innere des Reisenden selbst. Im Roman Reise durch ein fremdes Land schickt der nordirische Autor David Park einen Vater auf die tiefverschneiten Straßen Schottlands, um seinen Sohn zum Weihnachtsfest nach Hause zu holen. Die Motivation dieses halsbrecherischen Weihnachtskommandos offenbart sich erst später, dann aber mit aller Wucht.


Weihnachten, das ist noch immer das Fest der Familie. Unzählige Filme, Romane und Lieder variieren das Thema des Nachhause Kommens, allen voran der jüngst verstorbene Chris Rea hat mit seinem Evergreen Driving home for christmas das Topos der Weihnachtsreise musikalisch verewigt.

Menschen machen sich auf den Weg, um im Kreise ihrer Familie Weihnachten zu feiern, mal harmonischer, mal chaotischer. Aber immer ist es eine Reise, die Menschen wieder in ihre Heimat zurückbringt und dabei auch Erinnerungen an früherere Weihnachtsfeste weckt.
Eine Variante dieses Motivs liefert David Park in seinem Roman Reise durch ein fremdes Land, der allerdings nicht die jüngere Generation nach Hause reisen lässt, sondern einen Vater in den Mittelpunkt stellt, der sich aufmacht, seinen Sohn nach Hause zu bringen.

Von Nordirland nach Schottland und zurück

Dieser liegt krank an seinem Studienort in Sunderland an der Ostküste Großbritanniens danieder und so ist es am Vater, den verlorenen Sohn nach Hause zu bringen. Eine Reise mit dem Flugzeug scheidet aufgrund der starken Schneestürme aus und so macht sich der Vater am Steuer seines Autos von Nordirland aus auf den Weg, um seinen Sohn von der britischen Insel zu sich nach Hause nach Nordirland zu holen.

„Ich fahre ganz vorsichtig. Hauptsache, sicher hinkommen, ganz egal wie lang es dauert, und ihn wieder nach Hause bringen.“
„Er darf an Weihnachten nicht allein sein, besonders dieses Weihnachten nicht.“, sagt sie ebenso sehr zu sich wie zu mir. „Nicht mal, wenn es ihm gut gehen würde. Und wenn es ihm jetzt so schlecht geht … Wir müssen ihn nach Hause bringen.“
Wir müssen ihn nach Hause bringen“ Der Satz kann in dem vereisten Wagen nirgendwohin, hängt in der Luft und erstarrt zu Schweigen.

David Park, Reise in ein anderes Land, S. 14

So kämpft sich der Vater nun über verschneite Straßen, setzt mit der Fähre von Nordirland nach Schottland über und frisst Meile um Meile in der vereisten und verschneiten Landschaft dort im Norden Großbritanniens. Unterbrochen von Anrufen seiner Frau Lorna und seinem Sohn Luke reist er immer weiter, seinem Ziel entgegen. Warum aber die Dringlichkeit geboten ist, den kranken Sohn just zu diesem Weihnachtsfest zu sich nach Hause zu holen, das entfaltet sich erst langsam in diesem reflexiven Text, der mindestens in dem Maß eine Reise zu Toms Gefühlen und Empfindungen ist, wie er auf seiner Reise Meile um Meile hinter sich bringt.

Eine Reise nach England – und eine Reise zu sich selbst

David Park - Reise durch ein fremdes Land (Cover)

Immer wieder gleiten die Gedanken Toms ab, landen bei seiner Familie und den Fliehkräften, denen diese ausgesetzt ist und war. Seine Herkunft, sein Werden zu einem Vater und die Gefahren, die das Leben als Familie bereithält, all das umkreist Reise durch ein fremdes Land.

Ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen, ist David Parks Text einer, der sich trotz des weihnachtlichen Rahmens und der nur vordergründigen Harmonie des Weihnachtsfest auch mit Traurigkeit und der Macht des Schicksals befasst.

Je länger man mit Tom an Bord seines Autos über verschneite Straßen reist, umso besser lernt man ihn kennen und ist aufgrund des reflexiven Charakters ganz eng dran an ihm. Parks Text kennt nämlich keine Kapitel und so manches Mal nicht einmal einen Punkt, stattdessen ist sein Text ein wirklich intensiver Strom an Gedanken und Meilen, bei dem sich die äußere Reise und inneren Gedanken immer wieder ablösen und ineinander übergehen.

Fazit

Wer weihnachtliche Besinnlichkeit und Plätzchenromantik sucht, der sieht sich bei Reise durch ein fremdes Land schnell getäuscht. Denn David Parks Text verweigert sich allzu wohlfeiler Harmonie und blickt lieber auf den Kern von Weihnachten, der sich ja mit der Familie, dem Zusammenhalt und dem Ausgestoßensein befasst.

Sein von Michaela Grabinger übersetzter Text ist ein anspruchsvolles Buch, das keine einfachen Botschaften bereithält, sondern stattdessen mit existenzialistischer Tiefe und Einsicht überzeugt, während man sich mit seinem Helden über die verschneiten Straßen der britischen Insel kämpft.


  • David Park – Reise durch ein fremdes Land
  • Aus dem Englischen von Michaela Grabinger
  • ISBN 978-3-8321-6652-6 (Dumont)
  • 192 Seiten. Preis: 13,00 €
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