Eva Strasser – Wildhof

Rückkehr ins Elternhaus. Nach dem Tod ihrer Eltern stellt sich die Erzählerin in Eva Strassers Roman Wildhof vielen Verlusterfahrungen, die im einstigen Zuhause auf sie warten. Doch einmal mehr zeigt sich auch, dass im Ende eines Lebensabschnittes auch die Möglichkeiten eines Neubeginns liegen. Sogar die Klärung des Rätsels rund um das Verschwinden ihrer Schwester liegt in greifbarer Nähe…


So ganz konkret kann man ihn nicht verorten, den Standort von Linas Elternhaus, in das die junge Frau nun wieder zurückkehrt. Irgendwo im Schwarzwald steht das Häuschen, das nicht nur von außen viel Wald umgibt, sondern das auch im Inneren viel Holzarbeiten aufweist. Einst verbrachte Lina mit ihrer Schwester Luise ihre Kindheit hier, nun aber liegt das Haus verwaist da.

Der Grund ist ein höchst tragischer: Linas Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ein frontaler Auffahrunfall hat nicht nur das Leben ihrer Eltern beendet, sondern auch einen großen Riss in Linas bisheriges Leben geschlagen. Dabei wäre das Leben für die Weggezogene auch so schon kompliziert genug. Gerade verbüßt die junge Frau eine Bewährungsstrafe – und dann ist da auch noch das ungeklärte Verschwinden ihrer Schwester Luise in Linas Kindheit. Ihr Schicksal konnte nie wirklich geklärt werden.

Die Zeit der Gespenster

So steht die Rückkehr nach Wildhof nicht unbedingt unter einem guten Stern. Immer mehr Vergangenes drängt ans Tageslicht, während Lina nun damit beginnt, den Verlust ihrer Eltern irgendwie in notgedrungene Produktivität umzusetzen. Die Beerdigung will geplant, der Nachlass geregelt werden. Und so bricht für die junge Frau nun die Zeit der Gespenster an, in der sie Personen aus ihrer Vergangenheit vor Ort wieder begegnet, wodurch sich für uns Lesende langsam ein Bild des Lebens von Lina zusammensetzt.

Lina hat keine Kinder und keinen Mann, und das Haus, das sie hat, will sie nicht. Sie lässt sich in die Wiese fallen. So ist das nun mal mit der Vergangenheit. Springt einen an wie ein hechelnder Hund, schmeißt einen in den Graben, das war keine Absicht, die macht nichts, die will nur spielen, so ist sie halt, ungestüm und wild, und will überall dabei sein, ist immer auf der Suche, obwohl sie im Heute nichts verloren hat.

Eva Strasser – Wildhof, S. 62

Wie die im Holz abgelagerten Jahresringe, die das vielfach im Haus verwendete Baumaterial kennzeichnen, sind es bei Lina die Erfahrungen und Verluste, die sich in ihr abgelagert haben und die ihren Charakter formten. Doch nun gerät all das in Frage, als sie mit dem Ausräumen des Hauses beginnt, um das Haus verkaufen zu können. Ein neuer Blick auf Altes ergibt sich – und am Ende fördert ihre Rückkehr nach Wildhof auch neue Informationen zum Verschwinden ihrer Schwester zutage, die von einem auf den anderen Tag verschwand, ohne dass sich mehr eine Spur von ihr fand.

Verlust und Neubeginn

Eva Strasser - Wildhof (Cover)

Wildhof kombiniert den Verlust mit dem Neubeginn und lässt Lina sich vor Ort mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen auseinandersetzen. Das steht in einer ganzen Reihe von Büchern, die in letzter Zeit auf dem deutschsprachigen Buchmarkt erschienen sind.

Die Trauerverarbeitung nach dem Tod ihrer Eltern weckt Assoziationen zu Daniela Kriens im vergangenen Jahr erschienenen und für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman Mein drittes Leben, in dem eine Frau aufs Dorf zieht, um dort in der Einsamkeit eines Dorfs in der ostdeutschen Provinz den Tod ihrer Tochter zu verwinden.

Aber auch Bezüge zu Wo der Name wohnt, dem jüngst bei Suhrkamp erschienenen Debüts von Ricarda Messner bieten sich an. Hier wie dort ist es eine Wohnungsauflösung von Eltern (bzw. Großelternteilen im Falle von Ricarda Messner), die die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte und den Schmerzpunkten der Herkunft auslöst.

Eva Strasser Roman sortiert sich neben diesen Titeln ein und kann insbesondere durch die Sprache überzeugen. Denn sie findet einen stimmigen Ton für die zwischen Trauer, Rebellion, Nostalgie und Schmerz oszillierende Lina zu finden. Wie wählt man die passende Urne für seine Eltern aus, wie findet man im Zuhause das Testament, was gilt es alles zu beachten, um das Leben der Eltern formal wie psychologisch zu einem Ende zu bringen? Davon erzählt die Autorin sehr anschaulich und beschreibt die Fragilität unseres Daseins bis hin zur Frage, was am Ende vom Leben bleibt.

Vielleicht etwas zu viel des Guten oder Schlechten?

Wollte man Einwände gegen den Roman finden, so wären diese allenfalls in der Motivik des Romans zu finden, denn es ist vielleicht etwas zu viel des Guten beziehungsweise Schlechten, das sich auf den 200 Seiten des Buchs entfaltet und auf kleinstem Raum verhandelt wird.

Der Verlust der Eltern, das Eintauchen in die Vergangenheit und das Aufwachsen dort im Haus, verbunden mit einer Affäre, die sich durch einen potentiellen Käufer des Hauses anbahnt, die Dynamiken rund um den Bewährungsstatus von Lina sowie die Lösung für das Geheimnis des Verschwindens ihrer Schwester, das auf den letzten Metern fast noch in einen Krimi kippt – vielleicht hätte der Verzicht auf die ein oder andere Volte auf die klarere Fokussierung des Romans eingezahlt.

Das sind aber wirklich nur marginale Einwände gegen diesen ansonsten wirklich stimmigen und gut geschriebenen Roman, der der Trauer und dem Furor seiner Erzählfigur viel Raum gibt und nachvollziehbar von der Trauerarbeit erzählt, die doch oftmals genau das ist: Arbeit.


  • Eva Strasser – Wildhof
  • ISBN 978-3-803-13373-1 (Wagenbach)
  • 202 Seiten. Preis: 22,00 €
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Tan Twan Eng – Das Haus der Türen

Hierzulande ist William Somerset Maugham nicht mehr so recht bekannt. Der vor genau sechzig Jahren verstorbene Schriftsteller zählt in England zur Garde des sogenannten middle-brow, also Autor*innen, die mit ihren Werken zwischen Unterhaltung und Anspruch balancieren. Mit seinen Theaterstücken und Romanen feierte er in Großbritannien von Beginn der Jahrhundertwende an große Erfolge. In Deutschland ist das vom Schweizer Diogenes-Verlag gepflegte Werk des weitgereisten Romanciers etwas in Vergessenheit geraten. Tan Twan Engs Roman Das Haus der Türen holt William Somerset Maugham nun aus dieser Vergessenheit und macht ihn selbst Protagonisten. In Engs Erzählung bekommt er eine Geschichte zu hören , die aus seiner Feder stammen könnte…


Mit Werken wie dem 2006 zuletzt verfilmten Der bunte Schleier erschrieb sich William Somerset Maugham eine große Fangemeinde. Insbesondere Romane wie jener, aber auch seine Erzählungen zeigen einen weitgereisten Mann, dessen Geschichten in Hongkong, in der Karibik oder in Hawaii spielen.

Es sind Schauplätze und Thematiken, die Maugham aus eigenem Erleben heraus kannte. Denn nach der Trennung von seiner Frau reiste der homosexuelle Somerset Maugham zusammen mit seinem Sekretär Gerald Haxton um die halbe Welt und lebte an verschiedenen Stationen und britischen Kolonien.

Ein berühmter Schriftsteller zu Gast in Malaysia

Tan Twan Eng - Das Haus der Türen (Cover)

Eine solche Station bildet auch den erzählerischen Rahmen des 1970 in Malaysia geborenen Autors Tan Twan Eng. Denn hier ist es das Ehepaar Robert und Lesley Hamlyn, das Somerset Maugham und sein Sekretär im Jahr 1921 auf der malaiischen Insel Penang besuchen. Dort, in der von Kasuarinen umgebenen herrschaftlichen Villa namens Cassowary House, verbringt der Schriftsteller mehrere Wochen bei seinem alten Freund, den er aus gemeinsamen Zeiten in England kennt. Die Zeichen sollen eigentlich auf Erholung für das reisende Paar stehen. Die Betreuung legt Robert Hamlyn in die Hände seiner Frau.

„Na, dann ein andermal“, erwiderte Robert. „Die Gute kennt sich mit der Geschichte unserer Insel hervorragend aus. Sie weiß alles über Penang. Früher hat sie Stadtführungen für Freunde gemacht, die aus dem Ausland kamen. Diesen deutschen Schriftsteller haben wir auch herumgeführt, als er in Penang war – wie hieß er noch gleich, meine Liebe? Hesse, nicht wahr? Ja, Hermann Hesse.“

„Erholsame Tage der Muße am … Strand., mehr will ich nicht“, sagte Willie. „Ich muss Unmengen von … Büchern lesen, und Gerald ist noch nicht wieder bei Kräften. Er … benötigt viel Ruhe“.

Tan Twan Eng – Das Haus der Türen, S. 25

Doch die Kreativität des sonst so produktiven Autors stockt. Ebenso wie mit den Worten kämpft der malade Autor mit der Muse – was durch eine Nachricht aus der Heimat nicht besser wird. Denn bei einem Spekulationsgeschäft hat Somerset Maugham sein gesamtes Erspartes verloren. Und nun sitzt er auf der Insel in der Straße von Malakka am anderen Ende der Welt und weiß nicht mehr so richtig weiter.

Affären in Penang

Da kommt es gerade recht, dass Lesley, die Gattin Roberts, William Somerset Maugham als eine Art Beichtvater für sich entdeckt. Denn sie erzählt ihm einer Scheherazade gleich über mehrere Wochen hinweg eine Geschichte, die sie im elf Jahre zuvor dort in Malaya erlebte und die sich im Milieu der Expats und Kolonialherren abspielte.

Würde ich einen Roman schreiben, Willie, würde ich Ihnen erzählen, dass ich am Morgen des 25. April mit einer gewissen inneren Unruhe erwachte, mit dem Gefühl, dass mein Leben nach diesem Tag nie wieder so sein würde wie zuvor. So würde es ein Romanautor formulieren, nicht war? Aber ehrlich gesagt (und ich will in dieser Sache absolut ehrlich sein) empfand ich nichts, rein gar nichts Derartiges, als ich an jeenem Morgen erwachte.

Tan Twan Eng – Das Haus der Türen, S. 117

Diese hat mit einem (historisch verbürgten) Mordfall, einem Gerichtsprozess zu tun – und spiegelt in verschiedenen Aspekten die Frage von falschen Fassaden, Untreue und außerehelichen Affären, was sich als eine Art Leitmotiv durch Engs Roman zieht. Denn nicht nur, dass sich das Haus der Türen als Ort einer solchen Affäre entpuppt – alle drei Hauptfiguren des Romans sind in mal heimlicher und mal offener gelebte Affären verstrickt. Da passt es ins Bild, dass eine vierte Affäre, die im Zentrum der schon fast an middle brow-Krimis erinnernde Handlung steht, dann zur Inspiration des schreibkriselnden William Somerset Maugham wird.

Tan Twang Eng auf den Spuren William Somerset Maughams

Das Haus der Türen erzählt von diesem Schriftsteller und seinen Sorgen und Nöten ebenso, wie Engs Roman die Lebenssituation der britischen Expats dort in Malaysia in den Blick nimmt, bevor dann mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs der Zugriff der Engländer auf Penang und ganz Malaysia enden sollte.

Zwar mögen Lesley und ihre Erlebnisse hier nur literarische Fiktion sein. Die Inspiration von William Somerset Maugham durch diese Geschichte hin zu seinem Werk Der Kasuarinenbaum allerdings ist belegt. Der gleiche Schöpfergeist, der Somerset Maugham bei seiner Umarbeitung der erzählten Geschichte von Lesley beseelte, auch Tan Twan Eng stellt ihn mit diesem 2023 für den Booker Prize nominierten Roman aus. Seine literarische Ausdeutung der Episode aus dem Leben William Somerset Maughams atmet den Geist von dessen Geschichten, ist aber auch ein eigenständiges Werk, das zudem mit einer schönen Randnotiz aufwartet.

Denn ebenso wie die Engländer aus Malaysia vertrieben wurden, geschah es auch Somerset Maugham Jahre schlussendlich mit seinem Erzählungsband, dessen Entstehung im Roman geschildert wird. Seine Schilderungen des Lebens und der Gesellschaft dort warfen ein zu unvorteilhaftes Bild auf jene Gemeinschaft, die sich nicht nur ihres Lebensstils, sondern kurz zuvora auch der Bücher Maughams in ihren Bibliotheken rühmte, ehe der gefeierte Schriftsteller zu ihnen stieß und ihre Leben in Literatur verwandelte.

Fazit

Tan Twan Eng gelingt das Kunststück dieser Verwandlung ebenfalls. So lässt Das Haus der Türen das Leben und Lieben dort in Malaysia in den 1910er und 20er Jahren noch einmal auferstehen und sorgt so auch dafür, dass man auch hierzulande wieder wahrnimmt, wer William Somerset Maugham war und was sich literarisch mit seinem Werk wiederentdecken lässt.


  • Tan Twang Eng – Das Haus der Türen
  • Aus dem Englischen von Michaela Grabinger
  • ISBN 978-3-7558-0018-7 (Dumont)
  • 352 Seiten. Preis: 24,00 €
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Yael van der Wouden – In ihrem Haus

Zwischen Ablehnung und intensivem Begehren oszilliert die Beziehung zweier Frauen, die die niederländische Autorin Yael van der Wouden in ihrem Debütroman In ihrem Haus in den Mittelpunkt stellt. Sie erzählt in ihrem als Kammerspiel angelegten Roman von verdrängter Schuld, die in den Niederlanden der Nachkriegszeit langsam wieder zum Vorschein kommt.


Wenn auf der ersten Seite eines Buchs etwas aus der Erde ausgegraben wird, so darf man davon ausgehen, dass dies – ganz in der Tradition Tschechows – nicht das einzige Vorkommnis bleiben wird, das aus dem Dunkel der Vergangenheit ans Licht unserer Tage gefördert wird. Bei Yael van der Wouden ist das nicht anders. Ihr Roman hebt wie folgt an:

Isabel fand die Pozellanscherbe unter den Wurzeln einer faulen Kürbispflanze. Nach dem Frosteinbruch im Frühling und dem vielen feuchten Schnee schrumpfte das Gemüsebeet jetzt, an der Schwelle zum Sommer, in sich zusammen. Radieschen, Bohnen, Blumenkohl: alles braun und vergammelt. Isabel kniete mittendrin, mit Handschuhen und geschnürtem Hut, und entfernte das sterbende Grün. Die Scherbe schnitt durch ihren Handschuh, hinterließ ein kleines Loch.

Yael van der Wouden – In ihrem Haus, S. 9

Hochsymbolisch ist das alles, was Yael van der Wouden da an den Beginn ihres Romans setzt. Verfaulte braune Wurzeln in der Erde, überraschend zutagegeförderte Scherben aus der Vergangenheit, eine Verletzung, die die Entdeckerin der Scherbe erleidet. Hier deutet sich schon vieles an, was die kommenden Seiten noch ausbuchstabiert werden wird.

In der Erde Vergrabenes

Yael van der Wouden - In ihrem Haus (Cover)

Denn der Fund, den Isabel im Garten ihres Hauses macht, lässt sie nicht los. Eine Porzellanscherbe ist es, deren Gestaltung zum guten Geschirr passt, das sie im Auftrag der Familie im Inneren des Hauses hütet. Doch beim familieneigenen Porezellanservice fehlt eigentlich kein Teller. Denn hat ISabel die Haushälterin Neelke im Verdacht, mit dem vergrabenen Teller etwas zu tun zu haben.

Für Vergrabenes aus der Erde bleibt aber eigentlich kaum Zeit. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit ihren Brüdern Louis und Hendrik eröffnet ihr ältester Bruder Louis Isabel nämlich, dass er gedenke, seine zum Dinner mitgebrachte neueste Eroberung namens Eva im von seiner Schwester gehüteten Haus einzuquartieren. Entgegen dem Willen von Isabel werden Tatsachen geschaffen. Die beiden Brüder brechen nach ihrer Stippvisite im elterlichen Haus wieder rasch auf und Eva bleibt. Sie wird zur neuen Mitbewohnerin von Isabel.

Von dieser argwöhnisch und ablehnend beäugt, müssen sich die beiden Frauen miteinander arrangieren. Isabel verabscheut den Eindringling, führt Listen, da immer wieder Gegenstände aus dem Haus verschwinden – doch plötzlich kippt die Aversion gegen die unscheinbare Eva in eine Affäre, die die beiden Frauen miteinander beginnen. Ausführlich geschildert erwacht ein nie gekanntes Begehren in Isabel, die sich mit Leidenschaft in die neue Erfahrung stürzt. Doch wer ist diese Eva eigentlich überhaupt, in die sie sich da überraschend verliebt hat?

Die Hüterin des Hauses

In ihrem Haus (im englischen Original The safekeep) ist das Kammerspiel über zwei Frauen in einem abgelegenen Haus irgendwo in der niederländischen Provinz. Der Wandel von Misstrauen und Ablehnung hin zu Anziehung und Leidenschaft kennzeichnet die überraschende Beziehung der beiden Frauen. Dabei spielt der Großteil der Handlung in dem Haus, welches der Handlung den Charakter eines Kammerspiels auf engem Raum verleiht.

Überhaupt, der Raum. Der entscheidende Darsteller neben den beiden Frauen ist das Haus, welches Isabel in familiärem Auftrag hütet. Dessen Geschichte, das in der Endphase des Zweiten Weltkriegs 1944 von Onkel Karl für die Familie „gefunden“ wurde, Yael van der Wouden betrachtet sie näher. Dabei entfaltet der deutsche Titel eine treffende Nuance, schließlich stellt sich im Lauf des Romans auch die Frage von Besitzverhältnissen des Hauses. Wer ist hier überhaupt zu Gast? Ist das Haus wirklich Isabels Besitz?

Sonderlich überraschend oder subtil sind die Andeutungen über die Natur des Hausbesitzes in den Roman nicht eingearbeitet. Eher steckt die Wahrheit scharfkantig schneidend im Text, gleich der Scherbe im Beet, die die Isabel aus dem Beet hervorholt.

Schon auf Seite 42 deutet sich die Wahrheit über den familiären Besitz an, wo van der Wouden von einer Kindheitsepisode im Jahr 1946 erzählt, als eine verzweifelte Frau vor der Tür des Hauses um Einlass bat und die Kinder von der Mutter auf ihre Zimmer geschickt wurden.

Diese hier schon recht deutlich anklingende Geschichte wird im fünfzehn Jahre später angesetzten Hauptteil des Buchs im Schluss ausführlicher behandelt. Zwar hat man sich in seinen neuen Leben eingerichtet, die gröbsten Kriegsschäden im Land sind beseitigt – aber im Untergrund lauern dann doch noch einige Überraschungen aus der nicht allzu lang zurückliegenden Kriegszeit. Diese zentrale Pointe des Buchs ist dabei nicht überraschend; frappant ist es aber doch, wie Yael van der Wouden das Schweigen über im Krieg getanes Unrecht hier aufs Tapet bringt.

Explizites Begehren

Wenig subtil ist auch die Schilderung des Begehrens, das in Isabel neu erwacht. In Zeiten, in denen der Buchmarkt nach immer exliziteren Sexszenen giert, (im Fachjargon des New Adult-Trends auch „Spice“ und „Smut“ genannt) gibt In ihrem Haus dem Affen Zucker. Die queere Romanze und Leidenschaft wird in van der Woudens Buch sehr klar und deutlich ausbuchstabiert – und das in Großbuchstaben. Die Schilderungen des Sex und der kaum auszuhaltenden Spannung zwischen den beiden Frauen ziehen sich teilweise über viele Seiten hin (übersetzt aus dem Englischen von Stefanie Ochel).

Das droht manchmal, die eigentlichen erzählerischen Anliegen des Romans zu überdecken. Ein wenig mehr Subtilität in Beschreibung und Setzung der Themen ihres Buchs hätten mir mehr zugesagt. So ist das Buch in Teilen doch etwas vorhersehbar und in Sachen Figurenentwicklung nicht sonderlich tiefenscharf. Dafür aber knallt In ihrem Haus deutlich – nicht nur zur Freude der Bookstagram-Szene auf TikTok und Instagram, wo das Buch bereits einen kleinen Hype verursacht hat. Auch die Jury der International Booker Prizes konnte Yael van der Wouden mit ihrem Buch überzeugen. Sie wählte es im vergangenen Jahr auf die Shortlist des International Booker Prizes.

Fazit

Subtilität ist nicht die Stärke, die Yael van der Woudens Debüt ausmacht. In ihrem Haus erzählt von Kriegsschuld, verdrängte Wahrheiten und weiblichem Begehren. Auch wenn vieles in diesem Debüt mit etwas mehr Raffinement vielleicht mehr Wirkung entfaltet hätte – van der Woudens Gespür für Stimmungen, etwa zwischen den beiden Frauen oder der nervös-vibrierenden und dumpfen Enge im Haus ist bemerkenswert.


  • Yael van der Wouden – In ihrem Haus
  • Aus dem Englischen von Stefanie Ochel
  • ISBN 978-3-9894105-4-1 (Gutkind)
  • 320 Seiten. Preis: 24,00 €
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Leon de Winter – Stadt der Hunde

Wie spannend Gehirnchirurgie sein kann, das stellt Leon de Winter in seinem neuen Roman Stadt der Hunde unter Beweis. Darin begibt sich ein alternder Starchirurg auf ein Himmelfahrtskommando, mit dem viele Hoffnungen im Nahen Osten verknüpft sind. Literatur auf Höhe der Zeit – und dann doch wieder nicht.


Amsterdam Hope – so heißt jene Operation, von deren Wohl und Wehe fast alles abhängt in Leon de Winters neuem Roman Stadt der Hunde, mit dem er sich nach fast zehn Jahren seit seinem letzten Roman Geronimo nun auf großer Bühne zurückmeldet.

Durchführen soll die Operation Jaap Hollander, ein erfahrener Gehirnchirurg mit Erfahrung und Talent, dem weltweit kaum ein anderer Chirurg gleichkommt. Eigentlich hat er sich schon zur Ruhe gesetzt; besonders der Schicksalsschlag des Verschwindens seiner Tochter hat ihn tief getroffen. Zusammen mit ihrem Freund verschwand sie vor zehn Jahren in der Wüste Negev, wo sich an einem Krater ihre Spuren verlieren.

Doch nun bringt jenes Projekt auch Jaap selbst wieder Hoffnung. Denn er soll auf Geheiß des charismatischen israelischen Ministerpräsidenten für die Tochter des Herrschers von Saudi-Arabien eine Operation durchführen, die mit dem Begriff Himmelfahrtskommando nur unzureichend charakterisiert ist. Die Tochter des Herrschers sollte dessen Nachfolge antreten und ist dazu angetan, mit ihrem Intellekt und Offenheit das Herrschaftshaus in eine vielversprechende Zukunft zu führen, die die Verhältnisse im ganzen Nahen Osten neu ordnen und beruhigen könnte. Doch es gibt ein Problem: bei der Tochter wurde ein unheilbarer Tumor im Gehirn diagnostiziert, der inoperabel ist und den baldigen Tod der jungen Frau verursachen wird.

Ein Gehirnchirurg auf Himmelfahrtskommando

Leon de Winter - Stadt der Hunde (Cover)

Nur einen Mann gibt es, der das Himmelfahrtskommando einer OP durchführen kann – Jaap Hollander. Und obschon er selbst um die Unmöglichkeit der Aufgabe weiß, lässt er sich auf die OP ein. Sein Antrieb ist dabei Geld, sogar sehr viel Geld. Denn er hat sich mehrere Millionen Dollar für den Job ausbedungen, mit denen er wiederum einen Archäologen und dessen Team finanzieren will, die jenen Krater in der Negev-Wüste erforschen sollen, in dem seine Tochter mutmaßlich verschwand.

So kommt es in Leon de Winters Roman zu einem Doppelporträt zweier verzweifelter Väter, die für ihre Ziele alles Menschenmögliche und Menschenunmögliche versuchen. Die intrikate OP in einem Teil des Gehirns, bei dem jeglicher Eingriff eigentlich zum Scheitern und die Patientin gleichsam zum Tode verurteilt ist – und der saudi-arabische Herrscher, der von Geldbeträgen in Millionenhöhe bis zu Kontakten zum israelischen Ministerpräsidenten alles möglich macht, um mit einem Team unter Jaaps Führung doch den Eingriff zu wagen.

Gerade in dieser ersten Hälfte entfaltet de Winters Roman seine größten Qualitäten, vermag es der niederländische Autor doch, ungemeine plastisch und spannend von der riskanten Operation und dem Geschäft der Hirnchirurgie zu erzählen. Da verzeiht man auch die libidinöse Schlagseite dieses Romans, da dieser in Jaap einen zwar alternden, aber dennoch mit unerfüllten Liebesbedürfnissen geplagten Helden besitzt, die immer wieder sein Denken durchdringen. Besonders, dass eine frühere Affäre eine zentrale Rolle in der Zusammenstellung des OP-Teams spielt, weckt im desillusionierten Operateur wieder viele Gefühle, denen de Winter mehr als genug Raum gibt.

Vom OP-Tisch in die Stadt der Hunde

Schade ist dann aber, dass sich sein Roman von diesem Himmelfahrtskommando der OP mit politischen Implikationen und der Erkundung väterlicher Verzweiflung zu einem surrealen Trip entwickelt, bei dem die titelgebenden Hunde dann ins Spiel kommen. Denn nach einem Zwischenfall mit Hunde-Hinterlassenschaft findet er sich selbst auf einem Operationstisch wieder und wird zum Patienten. Fortan vermag er die Stimme von Hunden zu hören. Diese eröffnen ihm die Möglichkeit, endgültig Klarheit über den Verbleib seiner Tochter zu erlangen. Dabei wird der nach dem Stammvater Israels benannte Jaap zu einer Art Orpheus, der in die Unterwelt absteigen muss und dort Leid erfährt, bei der die Entmannung des Chirurgen nur einen der vielen Prüfungsschritte darstellt, derer sich der verzweifelte Vater unterwerfen muss.

Hier nimmt der Roman eine Abzweifung ins Fantastische, die sich dann zwar auch wieder auflöst, die aber die erzählerische Dichtheit und das politisch-persönliche Potential der eigentlichen Geschichte vermissen lässt. Spätestens mit der erzählerischen Verbindung zu den Geschehnissen am 07. Oktober 2024 kollabiert der erzählerische Bogen dann leider vollends und mag nicht so wirklich zum überzeugenden Ton der ersten Hälfte passen, auch wenn es in der reliösen Selbstfindung des Chirurgen eine weitere Ebene eingezogen wird. Eher wirkt der Roman in seiner Gesamtheit mit der letzten Volte des Plots zu aufgepropft, um sich wirklich überzeugend in den wilden erzählerischen Ritt einzupassen.

Fazit

In Stadt der Hunde zeigt sich einmal mehr, dass gerade die Verarbeitung gegenwärtiger Geschehnisse in der Literatur Zeit braucht, um zu reifen und in der künstlerischen Behandlung dann zu überzeugen. Leon de Winter gelingt das mit seinen literarischen Gangwechseln leider nicht wirklich überzeugend. Das ist schade, denn gerade der erste Teil der Erzählung ist wirklich überragend und hätte mit Fokus alleine auf diese Geschichte und alle ihr innewohnenden Aspekte deutlich mehr überzeugt, als was dann im zweiten Teil auf uns Leser*innen wartet.

Weitere Meinungen zu Leon de Winters Roman gibt es bei Zeichen & Zeiten und Kommunikatives Lesen.


  • Leon de Winter – Stadt der Hunde
  • Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer
  • ISBN 978-3-257-07281-5 (Diogenes)
  • 272 Seiten. Preis: 26,00 €
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Carlos Franz – Das verschwundene Meer

Vor dem Hintergrund der Militärdiktatur in Chile spielt Carlos Franz‚ dunkle Geschichte, die eine Richterin ihre Erinnerungen an die damalige Zeit noch einmal wachruft und zeigt, wie schnell Idealismus in einer Diktatur zerbrechen kann. Das verschwundene Meer ist schwere Kost, die aber durch ihre Ausführung besticht.


50 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur in Chile erschien im Mitteldeutschen Verlag vor zwei Jahren das in der zugrundeliegenden Version im Original bereits 2014 unter dem Titel El desierto veröffentlichte Werk des chilenischen Autors Carlos Franz in der Übersetzung von Lutz Kliche. Auch wenn die eher an ein verspieltes Kinderbuch erinnernde Gestaltung des Buchs auf eine völlig falsche Fährte führt – im Inneren erwartet die Leser*innen ein dunkler Roman, der den Schrecken jener Jahre noch einmal vor Augen führt.

Schauplatz des Ganzen ist der Ort Pampa Hundida, ein in der Salzwüste gelegener kleiner Ort im Norden Chiles. Dorthin kehrt die Richterin Laura zurück, nachdem sie zwanzig Jahre zuvor aus Chile nach Berlin geflohen war. Doch wie das so ist mit der Vergangenheit – auch Laura lässt sie nicht los. Der Grund für ihre Rückkehr ist ein Schreiben, in dem ihre Tochter Claudia eine zentrale Frage stellt, die die Rückkehr Lauras an den Ort ihres einstigen Wirkens auslöst.

Wo warst du, Mamá, als all diese schrecklichen Dinge in deiner Stadt geschahen?“ Während sie die Kontrolle über das Fahrzeug zurückgewann, dachte Laura wieder an den Brief von Claudia, voller Fragen wie dieser, den sie drei Monate zuvor in Berlin erhalten hatte. Er steckte, neben ihrem Pass, den Flugtickets und ihrer Antwort, in ihrer Aktentasche; viele Seiten, an denen sie drei Monate lang geschrieben hatte, nur um sich während des Flugs nach Chile, beim Schreiben eines Postskriptums, endgültig darüber klar zu werden, dass die einzig richtige, wahrhaftige Antwort an ihre Tochter genau diese Heimreise war.

Carlos Franz – Das verschwundene Meer, S. 8

Rückkehr nach Pampa Hundida

Carlos Franz - Das verschwundene Meer (Cover)

Nun also kehrt Laura zurück, während der kleine und sonst so beschauliche Ort von Pilgern fast überschwemmt wird, die zur „Diablada“ ebenfalls nach Pampa Hundida gereist sind. Die Pilger und Büßer erflehen den Schutz von der Heiligenstatue der Stadt und geißeln sich dabei auch selbst. Ein Spektakel, das jährlich die Massen anzieht, die dort in der Wüste ihre Sünden bereuen.

Während nun also dieses Pilgerprozession ihrem Höhepunkt zusteuert, ist Laura zurückgekommen, um sich ebenfalls den Sünden der Vergangenheit zu stellen. Vor Ort will sie endlich das schaffen, was ihr vor zwanzig Jahren nicht gelungen ist, nämlich Gerechtigkeit.

Damals fiel ein Trupp Soldaten unter Führung des ebenso gefährlichen wie dominanten Major Mariano Cáceres Latorre in der Stadt ein, der in der Salzwüste draußen vor den Toren der Stadt ein Lager für Gefangene errichten sollte. Gegner des neuen Staats unter Führung Augusto Pinochets sollten dort inhaftiert und erschossen werden. Ein Vorgehen, das jeglichem Recht widersprach, dem sich Laura als idealistische junge Richterin verpflichtet sag. Und doch konnte sie dem tödlichen Unrecht dort in der Wüste nicht Einhalt gebieten.

Warum dem so war, das versucht Laura in einem Akt der Selbsterklärung darzulegen, indem sie einen Brief an ihre Tochter formuliert, in dem sie auf die damaligen Geschehnisse und ihre Rolle darin zurückblickt. Dieser Briefe bildet den zweiten Erzählstrang des Romans, der um die erzählte Gegenwart nun Jahre später in Pampa Hundida herumgewoben ist. Immer wieder wechselt Carlos Franz diese Erzählstränge ab und treibt beide gleichermaßen voran.

Wie funktioniert ein System der Unterdrückung und des Unrechts?

Die Feigheit der Stadtoberen von Pampa Hundida, Lauras eigene Schwäche, all das besieht die mittlerweile desillusionierte Richterin, die ihren einstigen Idealismus und den Verrat an ihren Werten mit schmerzhafter Detailschärfe darlegt. Während für Pampa Hundida nun eine neue Zeit angebrochen scheint, kann sie die Vergangenheit nicht ruhen lassen und rührt damit auch an den Grundfesten der neuen Gesellschaft. Denn wäre es nicht einfacher, die damaligen Verbrechen einfach ruhen zu lassen und sich darauf zu konzentrieren, eine neue, bessere Gesellschaft zu werden? Nicht nur Laura fragt sich das, in vielen Dialogen mit jungen und alten Kräften, mit idealistischen wie realistischen bis opportunistischen Kräften loten das Franz‘ Figuren in (bisweilen vielleicht etwas arg theoretischen) Disputen bis hin zu Grundsatzdebatten aus.

„Diesmal werde ich die ich dich nicht enttäuschen, Laura. Diesmal greife ich ein…“

„Ich werde eingreifen“, sagte er, Claudia. Und die tiefe Stimme, die Radiosprecherstimme, in die ich mich einst verliebt hatte, kippte dabei, als sei ein Stimmband gerissen, während die weichen, femininen Lippen zitterten.

„Warum hast du denn nicht vorher eingegriffen?“, fragte ich so sachlich wie möglich (wenn eine Furie oder eine Bacchantin sachlich sein kann). Doch diesmal wich Mario nicht aus, senkte nicht den Blick. Wahrscheinlich hatte er während der vierundvierzig Tage, die er bei mir gewacht und heimlich getrunken hatte, darüber nachgedacht. „Ich hatte Angst“, sagte er. „Ich wollte lieber nichts wissen. Doch jetzt werde ich eingreifen“, wiederholte er noch einmal.

Ich spürte, wie mir ein Lachanfall die Kehle emporstieg, Claudia, ein perverses, böses Lachen; ich musste mir die Hand vor den Mund halten, um nicht seinem Spiegelbild laut ins Gesicht zu lachen. Jetzt würde er „eingreifen“. Und er sagte es ganz ehrlich und treuherzig, völlig immun gegen die Absurdität, seiner offenkundigen Feigheit, seiner Lächerlichkeit gegenüber. Und sogar immun etwas Schlimmerem gegenüber, seiner offenkundigen Faszination“.

Carlos Franz – Das verschwundene Meer, S. 411 f,

Die Brutalität der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet

Das verschwundene Meer blickt durch seine an ihren eigenen Ansprüchen gescheiterte Heldin und ihr Verhalten auf die ganze chilenische Gesellschaft von einst und jetzt. Junge und idealistische Figuren treffen auf Pragmatiker, die sich einst ebenso gut mit dem Unrecht zu arrangieren wussten, wie sie nun mit der Vergangenheit abgeschlossen haben. Denn damals schanzte das Dorf Laura die Aufgabe zu, mit dem Major zu verhandeln und für einen Schutz der Gemeinschaft zu sorgen. Langsam entsteht aus der Vergangenheit ein Bild von fatalen Dynamiken und Feigheit, die das System der Gewalt und des Unrechts unter Augusto Pinochets ermöglichte und das sich bis auf die niedrigste Ebene der Gesellschaft auswirkte.

Die neue Gesellschaftsordnung, sie wurde bis ins letzte Glied exekutiert, wie der Roman anschaulich vor Augen führt.

Das Wort der Exekution ist dabei sehr ernst zu nehmen. Denn Carlos Franz zeigt die ganze Brutalität des damaligen Systems, in dem sich der Major verschiedener Formen der Erniedrigung und Unterwerfung bediente, um sich die Menschen untertan zu machen, von den Gefangenen unter der sengenden Sonne in der Salzwüste bis hin zu Laura, für die er als „patroncita“ eine ganze besondere Form der Unterwerfung ersann.

Man braucht ein gerütteltes Maß an Resilienz, um die Gewalt und Erniedrigung zu ertragen, die einem hier entgegenschlägt. Laura kennt in ihrer Selbstbeschau keine Gnade und legt das erfahrene Unrecht und die vielfache Gewalt detailliert dar und holt damit jene gewaltgesättigte Epoche der chilenischen Geschichte wieder ans Tageslicht, die hierzulande kaum bekannt ist oder wieder schnell vergessen wurde.

Fazit

Damit leistet Das verschwundene Meer wichtige Arbeit, weil der Roman nicht alleine das Unrecht und die Gewalt jener Jahre unter Pinochet besieht sondern weit darüber hinausgeht. Dieses Buch bleibt nicht im Allgemeinen, sondern blickt auf den Antrieb und die Faktoren für die Funktionsfähigkeit jenes System der Unterdrückung, indem bei Carlos Franz mithilfe des Mikrokosmos Pampa Hundida auf das große Ganze blickt. Durch seine Richterin Laura, deren Idealismus und Vertrauern in das Rechtssystem in jenem System so zermahlen wird wie die Knochen der Toten in der Wüste, schafft Franz eine Anschaulichkeit, die man so schnell nicht mehr vergisst und die wachmacht für jene Wirkkräfte, die auch heute noch in zu vielen Gegenden der Welt (wieder) an Einfluss gewinnen.


  • Carlos Franz – Das verschwundene Meer
  • Aus dem Spanischen von Lutz Kliche
  • ISBN 978-3-96311-826-5 (Mitteldeutscher Verlag)
  • 487 Seiten. Preis: 30,00 €
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