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Steffen Kopetzky – Monschau

Steffen Kopetzky bleibt seinem Schauplatz Eifel treu. Schilderte er in seinem zuletzt erschienen Roman Propaganda die die Schlacht im Hürtgenwald am Ende des Zweiten Weltkriegs, so spielt Kopetzkys neue Erzählung nun im Jahre 1962 dort in der Eifel. Schauplatz ist das beschauliche Städtchen Monschau, südlich von Aachen gelegen, fast direkt an der Grenze zu Belgien. Dort kommt es im Anfang des Jahres zu einem Pockenausbruch. Ein Monteur der ortsansässigen Ritherwerke hatte sich auf einem Indienaufenthalt mit den tückischen Viren infiziert. Doch anstelle der Einhaltung der strengen Quarantäneregeln feierte der Monteur im Anschluss an seinen Auslandsaufenthalt Weihnachten und traf viele Kolleg*innen. Mit der Folge dieses Verhaltens sieht man sich gleich zu Beginn des Buchs konfrontiert: es kommt zu einer Pockenendemie in Monschau.

Während der Chef der Ritherwerke die Produktionsfähigkeit seiner Werke in Gefahr sieht und den Betrieb auf gar keinen Fall einschränken will, ist es die Wissenschaft in Form des Düsseldorfer Dermatologen Günther Stüttgen und dem griechischen Medizinstudenten Nikos Spyridakis, die auf einen lokalen Shutdown drängt, um Infektionsketten nachzuverfolgen und den Ausbruch der Viren einzugrenzen. Zwischen den beiden Positionen entfalten sich einige Spannungen, die durch eine beginnende Liebesgeschichte und alte Verbindungen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zusätzlich belastet werden.

Eine frappierende Ähnlichkeit mit unserer Gegenwart

Man kann Monschau nicht lesen, ohne das von Kopetzky geschilderte Geschehen permanent im Kopf mit unserer pandemischen Gegenwart abzugleichen. Die Ähnlichkeiten sind ja frappierend. Ähneln sich der Verlauf und die Bilder der Pandemie (wenngleich hier Nikos Spyridakis hier noch in eine alte Stahlkocheraurüstung schlüpfen muss, um sich vor den Viren zu schützen) sind es vor allem die Fehler im Umgang mit der Endemie dort, die bei der Lektüre mit dem Kopf schütteln lassen ob der Unfähigkeit, etwas aus der Geschichte zu lernen.

Steffen Kopetzky - Monschau (Cover)

So ist der Karneval den Monschauer*innen heilig und soll nicht der Virenbekämpfung geopfert werden. In der Folge begeben sich zahlreiche Monschauer*innen ins benachbarte Dorf, um dort trotz der zahlreichen Vireninfektionen sorglos zu feiern und sich dem Amüsement hinzugeben. Die Parallele zu einem ähnlich halsstarrigen Beharren auf Starkbierfeste, Skigaudi und Karneval während der aktuellen Pandemie ist bestürzend.

In der genauen Beschreibung des Ablaufs des Pockenausbruchs entfaltet Monschau die Kraft eines mitreißenden Dokudramas. Kopetzky nimmt verschiedene Figuren und ihren Blick auf die Pandemie in den Blick und zeigt ihre Beweggründe für ihr Verhalten. Vom tumb-strategischen Direktor der Ritherwerke bis hin zu Spyridakis, dem der aufkeimende Liebe zur jazzhörenden Erbin der Ritherwerke Kraft gibt, gelingt es Kopetzky, nachvollziehbare Figuren zu gestalten. War schon Propaganda eine große Verbeugung vor dem ehemaligen Wehrmachtsoffizier Günther Stüttgen, so führt er in Monschau diese Verbeugung fort.

Wie ein Christian Drosten des Jahres 1962 wirkt dieser Stüttgen in der Beschreibung Kopetzkys, den er als kundigen und umsichtigen Manager des Pockenausbruchs zeigt (von höchster „strategischer Intelligenz“, S. 96). Unerwartet dramatisch wird das Buch dann in seinem ungewöhnlichen Schluss, der die erzählerischen Fäden aus Propaganda rund um Stüttgen noch einmal aufgreift. Hier wirkt das Buch fast manchmal wie eine Ausarbeitung übrigen Materials, das Kopetzkys letztes großes Schreibprojekt noch bereithielt (was die Qualität des Buchs aber keinesfalls mindert). Denn bis auf kleine stilistische Holprigkeiten habe ich keinerlei Kritikpunkt an diesem Buch.

Ein unterhaltsames medizinisches Dokudrama

Ahnte Vera, dass sie mit dieser Geschichte und ihrem in die Zukunft weisenden Entschluss nun Nikos Spyridakis‘ Herz endgültig zum Schmelzen brachte, so wie der geniale Induktionsofen aus dem Ingenieurskontor ihres Onkels ein Stück Metall? Wurde er in diesem Moment zu einem kupferfarbenen griechischen Ritter, Vera treu ergeben, weil er vermeinte, in ihre Seele geblickt zu haben?

Steffen Kopetzky – Monschau. S. 164 f.

Hätte es auch einzelne Abschweifungen wie etwa die Schilderung der Hamburger Sturmflut im gleichen Jahr oder einige überanstrengte Bilder wie das obige nicht gebraucht, so gelingt es Kopetzky doch ein toller historischer Roman und ein Stück Medizingeschichte, das die Atmosphäre und die belastende Enge dort in den Gassen Monschaus aufgreift. Von Grass, Simmel und „Zwei kleine Italiener“ bis hin zu Stuyvesant und Rémy Martin atmet dieses Buch den Geist des Jahres 1962. Unterhaltsam und informativ zugleich, das ist Monschau von Steffen Kopetzky. Und in seiner Parallele zur Lage unserer Tage wirklich bemerkenswert.

Empfohlen sei an dieser Stelle auch das Video, in dem Kopetzky die Hintergründe seiner Geschichte erläutert:


  • Steffen Kopetzky – Monschau
  • ISBN 978-3-7371-0112-7 (Rowohlt)
  • 352 Seiten. Preis: 22,00 €
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