Auch wenn der Indie-Bookday schon wieder ein paar Tage her ist – hier ein Interview mit Camilla Zuleger vom neugegründeten Nord-Verlag. Der Nord-Verlag hat sich dieses Jahr gegründet und beschäftigt sich mit nordischer Literatur. Auf der Leipziger Buchmesse gab es eine Release-Party für die ersten übersetzen Bücher des Verlags. Was genau der Nord-Verlag so treibt und welche Ziele Camilla mit ihrem Verlag verfolgt – das und mehr wollte ich von ihr wissen …
Nehmt uns doch mal mit: wie kommt man von der Idee zu einem Verlag?
Ich, Camilla, die Verlagsgründerin, habe Literatur an der Uni studiert. Von Beginn an, wollte ich in einem Verlag arbeiten. Aber da Dänemark ein minikleines Land ist, und nicht jeder Däne liest, ist es nicht so einfach, einen Job in einem Verlag zu bekommen. Und eigentlich wollte ich immer auch selber entscheiden wie alles funktioniert. Erstmal überlegte ich, einen Verlag in Dänemark für deutsche Literatur zu gründen. Aber es gibt schon so viele kleine Verlag hier – und relativ wenige Leser, so dass ich dachte: Das wird wohl zu schwierig. Dann aber sagte ein Freund zu mir: Warum denn nicht ein Verlag in Deutschland für nordische Literatur? Und seitdem hat es sich 100 % richtig gefühlt.
Was unterscheidet euch von anderen Verlagen?
Ich würde erstmal sagen, dass wir mit anderen Verlagen viel gemeinsam haben. Wir sind aber eher ein Nischenverlag, und werden mit aller Wahrscheinlichkeit das Sortiment nicht auf nicht-übersetzte Literatur ausweiten. Aber unter den Nischenverlagen sind wir wahrscheinlich einer der wenigen, der sich auf neue, nordische Literatur auf Deutsch fokussiert. Und was uns auch noch unterscheidet, ist der Ort. Wir sitzen in Kopenhagen, und nicht in Deutschland. Ich würde sagen, dass die meisten Verlage durch eine große Liebe zur Literatur in allen Formen verbunden sind. In dem Sinn sind wir genau so wie alle andere Verlage – nur hoffentlich mit einer etwas anderen Ausgangslage und besonderem Ausdruck.
Was macht die skandinavische Literaturszene aus?
Die skandinavische Literaturszene, d.h. die norwegische, dänische und schwedische Literatur, ist besonders dadurch gekennzeichnet, dass wir eine Art gemeinsame Sprache haben. Obwohl es drei unterschiedliche Sprachen sind, können wir uns – mit ein bisschen Mühe – gegenseitig verstehen. Das bedeutet, dass es eine starke Bewegung innerhalb der nordischen Autoren gibt; sie studieren auf Autorenschulen in anderen Ländern, auf anderen Sprachen als ihrer eigentlich Muttersprache. Und dadurch beeinflusst die Literatur der verschiedenen Länder sich gegenseitig, und wird deswegen auch in gewissen Hinsichten ähnlich. Das finde ich, ist das Einzigartige an der Szene. Dazu kommt, dass es hier auch ein gutes Milieu für Debütanten gibt – nicht zuletzt in Form von Förderung, was es ermöglicht, dass Debütanten überhaupt arbeiten und veröffentlichen können.
Wie seid ihr auf eure DebütautorInnen gestoßen?
Sowohl Victor als auch Ingvild sind im Norden keine Geheimtipps – weit davon entfernt sogar. Sie waren mit ihren Bücher omnipräsent, als diese herauskamen. Über Ingvilds Buch hat man auch in Kopenhagen viel geredet, obwohl es gar nicht offiziell in Dänemark erschienen ist. GOLDvon Victor Boy Lindholm brachte etwas Neues in die Szene. Zusammen mit ein paar anderen jungen Autoren hat er sich getraut, eine andere Sprache innerhalb der Lyrik zu benutzten, die zuvor als “unpoetisch” oder “unschön” galt. Damit hat Victor es salonfähig gemacht, der modernen Pop- und Jugendkultur eine Rolle in der Poesie zu geben. Außerdem war er nur 22 Jahre alt, als sein Debüt erschien, was natürlich auch etwas besonderes ist. Ingvild Lothe, glaube ich, hat über etwas sehr Aktuelles und früher extrem Tabuisiertes, nämlich die dunklere Seite des Frauseins geschrieben – vor #metoo. Und das hat sie auf einer Art und Weise gemacht, die so einzigartig ist, dass es bald sowas wie einen neuen Stil geprägt hat.
Wieso diese Bücher als erste? Was haben sie uns zu sagen?
Wir haben sehr lange überlegt. Denn wenn man näher darüber nachdenkt, sind zwei Gedichtbände auf einmal vielleicht eine vollkommen blöde Idee. Aber ich wollte gern zeigen – und zwar sehr deutlich – dass es eine andere Seite der nordischen Literatur gibt. In den Regalen der Buchhandlungen gibt es nämlich viele Bücher von nordischen Autoren und auch mehrere sehr gute. Aber meistens sind das Krimis, Romane oder große Familiendramen; sozusagen die klassischen Bücher. Was ich gern präsentieren will, sind die Experimente; die Bücher, die vom Stil und Ausdruck her, neu und einzigartig sind; die Publikationen, die einen neuen Weg definiert haben. Und das machen sowohl GOLD als auch “Warum bin ich so traurig, wenn ich doch so süß bin” auf ihre Art und Weise. Dass sie keine „klassischen“ Bücher sind, hat eine große Rolle spielte, weil davon haben wir schon genug, oder?
Welche Rolle spielt die äußere Gestaltung?
Eine sehr große! Die nordische Kultur, die der Nordverlag vermittelt, wird sehr von einer visuellen Identität geprägt. Ich hatte das Glück, mit zwei so fantastischen Designern arbeiten zu dürfen: Matilde Juul und Fie Lindholm, die beide eine unglaublich tolle Arbeit mit Ingvild bzw. Victor geleistet haben. Ich bin auf das Resultat sehr stolz. Es ist aber auch sehr wichtig, da die Umschläge ja die erste Begegnung mit den potentiellen Lesern sind. Außerdem sind wir auch Papier-Nerds. Beide Bücher sind nicht aus beliebigem Papier, sondern aus sorgfältig ausgewählten Papiersorten, die alle umweltfreundlich sind und einem unvergleichbares Gefühl haben.
Was ist noch so alles geplant? Welche Autoren und Themen wollt ihr präsentieren?
Gerade schauen wir erstmal von einem Tag zum nächsten. Was in der Zukunft passieren wird, kann ich noch nicht genau sagen, aber Ideen haben wir genug. Erstmal liegt der Fokus auf den beiden ersten Büchern, und dann schauen wir mal. Doch kann ich sagen, da Norwegen nächstes Jahr Gastland bei der Frankfurter Buchmesse ist, dass man sich vorstellen könnte, dass man weitere norwegische Literatur sehen wird. Und dann werden wir auch weiter mit der visuellen Kunst in verschiedenen Formen arbeiten.