Dave Eggers – Der Circle

Überwachung total

Mae Holland hat es geschafft. Sie ist im „Circle“ angekommen, dem hipsten und trendigsten Betrieb des ganzen Silicon Valley. Voller Begeisterung stürzt sie sich in ihren neuen Job und ist vom inspirierenden Umfeld mehr als angetan. Kostenlose Speisen, ein toll designter Campus, ein Laden der mehr Wert auf ausgeglichene Mitarbeiter legt denn auf Arbeiten nach Stechuhr (der Name „Circle“ klingt nicht unbeabsichtigt genauso wie Google).

Und genauso wie Google „Don’t be evil“ als Parole ausgegeben hat, so will auch der Circle nur eine bessere, transparentere und sicherere Welt erschaffen. Dank des Systems TruYou, einer Art digitalen Zwangsidentität wider Datenmissbrauch und Shitstorms, wurde der erste Schritt dahin schon gemacht. Mae bringt sich dank ihrer Freundin Annie, einer hochgestellten Circle-Persönlichkeit gut ein und schafft es rasch, im Geschäft Fuß zu fassen und dank eigener Ideen zu einem elementaren Teil des Circles zu werden.
Der Leser beobachtet in einer Mischung aus Faszination und Angst den Aufstieg Maes hin zu einem führenden Mitglied im Circle. Mit jedem Schritt auf der Karriereleiter wird Mae gläserner und die digitale Sicherheit und Transparenz totalitärer. Ähnlich wie in Orwells „1984“ oder Huxleys „Schöne Neue Welt“ bekommt man rasch einen Eindruck, was die neue Offenheit für uns alle bedeuten würde. Was „Der Circle“ so verstörend macht, ist die Naivität und Begeisterungsfähigkeit der Bevölkerung, sich in die neue Offenheit zu stürzen, koste es was es wolle. Denn die drei Grundsätze des Circles lauten: „Geheimnisse sind Lügen. Teilen ist Heilen. Alles Private ist Diebstahl.“

Ähnlich begeistert wie sich Mae in ihren neuen Job stürzt, geht es dem Leser mit dem Roman. Von der ersten Seite an ist man angetan von den Visionen und dem Leitbild des Circles, seiner Motivation und der herrschenden Arbeitsmoral. Doch das Grauen kommt auf leisen Pfoten – auch wenn Eggers auf starke Antipoden zu Maes Daten-Striptease-Haltung verzichtet, wird der Leser unmittelbar in den Sog gezogen und muss selber Position wider die globale Transparenz beziehen.

Abgesehen von zwei drei sprachlichen Schnitzern ist die Übertragung ins Deutsche von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann gut gelungen. Sie schaffen es, das technologisierte Vokabulars des Circles gut lesbar und adäquat ins Deutsche hinüberzuretten. Dank der schriftstellerischen Geschick Eggers entfaltet sich rasch eine Sogwirkung, die bewirkte, dass ich den Roman an einem Wochenende mit seinen ganzen 560 Seiten weglas.

Ein Roman, der wachrüttelt, zu eigener Initiative einlädt und zeigt, wie weit wir uns mit unserer Lust auf digitales Blankziehen und Präsentieren schon gebracht haben. Pflichtlektüre für jeden Freund von Social Media, Bewertungsportalen und Überwaschungstools. Höchst lesenswert!

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