Franz Dobler – Ein Bulle im Zug

Ein einziges Ärgernis

Was hätte es für ein spannender Roman werden können – ein Bulle sitzt in einem ICE, rast durch Deutschland, lernt spannende Menschen kennen und löst nebenbei noch ein kriminalistisches Puzzle und klärt für sich, warum er einen Jungen erschossen hat. Dazu noch das lesegenussversprechende Signet „Deutscher Krimipreis 2015“ – und der Boden für ein wahres Highlight war bestellt.

Der Boden mochte bestellt sein, doch der Ertrag in diesem Falle blieb leider aus. „Ein Bulle im Zug“ gleicht einem Zug der Deutschen Bahn, der nie pünktlich kommt, sämtliche Haltestellen verpasst und dann auch noch in der falschen Stadt ankommt – bei diesem Roman (ob hier wirklich von einem Krimi zu sprechen ist, möchte ich später im Text noch erörtern) passt leider nichts.

Die Handlung des Buchs, die sich der Leser selbst zusammenklauben muss, ist schnell erzählt:

Bei einer Razzia erschoss Robert Fallner einen jungen Gangster namens Maarouf. Die Waffe, die Fallner gesehen haben wollte, tauchte nicht auf und so wurde er vom Dienst suspendiert. Um seine Dämonen aus seinem Kopf zu vertreiben, beschließt er auf Anraten seiner Freundin Jacqueline einen alten Traum zu verwirklichen – mit einer Bahncard 100 quer durch Deutschland. Doch seine Dämonen lassen ihn nicht los und so begleitet Fallner der erschossene Junge auf seiner Reise.

Diskrepanz zwischen Klappentext und Text

Liest sich der Plot in der Theorie und auf dem Klappentext durchaus vielversprechend, so ernüchterte ich beim Lesen nach den ersten Dutzend Seiten dann schlagartig. Selten kam mir in letzter Zeit ein Buch unter, das ich so oft abbrechen wollte, wie „Ein Bulle im Zug“ (oder bei dem ich so oft die Notbremse ziehen wollte, um im Bild zu bleiben).

Franz Dobler - Ein Bulle im Zug (Cover)

Das Buch ist gleicht einem Stream of Consciousness, also einem Bewusstseinsstrom, bei dem sich der Protagonist ungefiltert treiben lassen kann und seine Eindrücke an den Leser weitergibt.

Dem Buch mangelt es an Struktur, luzide durchlebt Fallner ein Auf und Ab im Zug, Erinnerungsfetzen vermischen sich mit Fantasien, Spekulationen und Halluzinationen.

Das wäre alles noch irgendwie zu ertragen, wenn es nicht in solch einer flachen und dermaßen vulgären Sprache geschildert wäre, dass mein ästhetisches Empfinden manchmal schon arg strapaziert wurde. Natürlich muss ein Krimi auch einmal dahin gehen wo es weh tut – auch derbe Noir Romane eines Ken Bruen oder eines Ray Banks haben für mich einen großen Reiz. Doch Dobler gelingt es nicht mit seiner Sprache eine tiefere Botschaft zu evozieren. Stattdessen schimpft und flucht sich Fallner quer durch Deutschland und gleicht des Öfteren eines Tourette-Patienten auf Reisen.

Wirklich ein Krimi?

Auf dem Umschlag des Buches von Franz Dobler prangt das Label „Deutscher Krimipreis 2015“ – dessen ersten Platz das Buch gemacht habe. Doch in meinen Augen ist das Buch nicht wirklich ein Krimi, da mir im Buch das wesentliche Merkmal eines Spannungsromans fehlt – nämlich die Spannung selbst. Ein Betrachtungsroman wäre in meinen Augen der passendere Gattungsbegriff.

Und auch wenn der Protagonist als Polizist für die Ermittlerfigur des Romans eigentlich prädestiniert ist, so verschafft es Fallner zum Einen nicht (wie eigentlich keine Figur des Romans) den Leser für sich einzunehmen und zum Anderen irgendwelche Ermittlungen anzustellen, die den Leser bei der Stange halten könnten.

Natürlich könnte man entgegen halten, dass sich andere Ermittler wie beispielsweise Wolf Haas‚ Simon Brenner sich auch nur durch die Handlung treiben lassen – aber diese Romane bieten wenigstens Handlung und Spannungsmomente. Auch wenn sich Fallners ICE mit Spitzengeschwindigkeiten durch die Landschaft bewegt – im Inneren des Zugs herrscht Windstille. Diese Stille durchweht die meisten Seiten von „Ein Bulle im Zug“ und sorgt so dafür, dass zumindest bei mir des Öfteren Langweile aufkam.

Natürlich ist der Kriminalroman an sich ein mehr als weites Feld, doch bei aller kreativen Auslegung des Begriffs Krimi – dieses Buch fällt für mich bei dieser Genreeinordnung hinten über.

Keine zweite Chance

Wahrscheinlich war ich nicht in der Lage, dieses Buch intellektuell in seiner Tiefe zu verstehen – aber einen zweiten Lesedurchgang werde ich mir bei diesem Buch bestimmt nicht mehr antun. Schade um die vertanen Chancen!

Die vom Autor angekündigte Fortsetzung des Romans, an der er gerade arbeitet, wird zumindest bei mir keine Lektüre mehr werden. Und so bleibt das ernüchterte Fazit, dass dieser literarische Zug zumindest für mich noch ärgerlicher als die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn war!

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