Karen Thompson-Walker: Ein Jahr voller Wunder

Insomnia

„Ein Jahr voller Wunder“ ist eines jener Bücher, die sich einer eindeutigen Einordnung in ein Genre widersetzen. Wer beim Titel noch an Kitsch der Marke Hedwig Courts-Mahler oder ähnlicher Schmonzetten glaubt, der sieht sich getäuscht. Auch wenn das Cover mit seinem leuchtenden Schriftzug das Beste versucht, den Leser in die Irre zu führen. Das Buch dreht sich um die Vorstadtfamilie von Julia, die mit ihren Eltern Joel und Helen in Kalifornien lebt.
Eines Tages bricht das schier Unglaubliche über sie und die ganze Welt herein: Die Erde beginnt, sich langsamer zu drehen. Die Rotation bremst ab und die Folgen sind rigoros, wenngleich sie in „Ein Jahr voller Wunder“ eher in Schlaglichtern geschildert werden.
Die amerikanische Vorstadtgesellschaft driftet genauso wie die Dauer der Tage und Nächte auseinander, die Schwerkraft nimmt zu, Angst, Schlaflosigkeit und Übelkeit greifen um sich. Man erfährt von all diesen Ereignissen aber auch nur am Rande, denn eigentlich treibt die junge Julia eher eine andere Sorge um: sie ist das erste mal in ihrem Leben verliebt, und zwar in ihren Mitschüler Seth Moreno.
Werte wie Freundschaft und Liebe dominieren im Buch, Karen Thompson-Walker legt ihren Schwerpunkt klar auf diese zwischenmenschlichen Komponenten, der Untergang der Welt geschieht eher im Hintergrund.
Man könnte „Ein Jahr voller Wunder“ durchaus als Dystopie bezeichnen, genauso ist das Buch aber das Porträt einer Durchschnittsfamilie, in die das Unwahrscheinliche einbricht.
Mein Problem mit diesem Buch ist folgendes: Karen Thompson-Walker verschmilzt verschiedene Genres und Ansätze miteinander und dabei gerät das Buch insgesamt leider etwas in Unwucht.
Manchmal hatte ich während der Lektüre das Gefühl, als würde sich die Autorin gar nicht für die Katastrophe, die vor aller Augen passiert, interessieren. Die reizvolle Idee der Verlangsamung der Erde und die damit verbundenen Katastrophen werden in ihrem Potential nicht ausgereizt.
Zwar besticht die Grundidee á la „American Beauty“ gepaart mit dem Untergang der Welt, doch insgesamt fesselte mich das Endprodukt leider nicht völlig. Dennoch ein Roman einer hoffnungsvollen Newcomerin, der fernab des literarischen Mainstreams wandelt und dem eine Idee zugrunde liegt, die ich so noch nicht oft gelesen habe!  
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