Kurt Prödel – Klapper

Tschick hat einen großen Bruder bekommen. Sein Name: Klapper. Zwischen Antriebslosigkeit, Counter Strike, pubertärer Verzweiflung und Schwaden von Axe Africa schleppt sich Kurt Prödels Held durchs Leben und findet in einer neuen Mitschülerin namens Bär das erste Mal so etwas wie eine Verbündete.


Die verwirrende Adoleszenz ist ein Thema, das nicht erst seit Heinz Strunks Romanen immer wieder Stoff für junge Autor*innen liefert. Kurt Prödel ist der jüngste Autor, der sich nun mit seinem Debüt auf diesem Feld umtut. Dabei erzählt er von Thomas alias Klapper, der mit seinen Eltern in einer Idealwelt bürgerlicher Spießigkeit wohnt, irgendwo in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen.

Klapper, Kollegah und Krümeleistee

Er selbst passt aber nicht unbedingt in diese Welt. Denn zum Unverständnis insbesondere seines Vaters zieht es Klapper auch im Sommer vor, seine Tage im abgedunkelten Zimmer zu verbringen, wo er an den Spielplänen für das Computerspiel Counterstrike werkelt und die Außenwelt eher als Bedrohung denn lebenswertes Umfeld begreift. Auch die Schule bietet ihm wenig Hoffnung, denn mit seinem fahlen Äußeren, dem langen Haar und den Klappergeräuschen, die seit der Pubertät dem aufgeschossenen Körper entweichen und seinen Spitznamen geprägt haben ist er der typische Außenseiter und geradezu der Prototyp für den Begriff des Nerds.

Nach dem Essen studierte sich Klapper im IKEA-Wellenspiegel und stellte enttäuscht fest, dass die Ferien ihm nicht zu einem pubertären Glow-up verholfen hatten. Im Gegenteil. Sechs Wochen Computer, Energydrinks und Isolation machten was mit einem. Er berührte seine bleiche Gesichtshaut und runzelte die Stirn. Dann griff er in sein Haar und hatte auf einmal eine halbe Strähne in der Hand. Was war das nur für ein Gerippe eines defekten Teenager-Körpers, das bei bestimmten Bewegungen knackte. Das war nicht nur äußerst unangenehm, sondern gab Thomas auch seinen Spitznamen.

Kurt Prödel – Klapper, S. 19

Klapper und Bär

Kurt Prödel - Klapper (Cover)

Das ändert sich erst, als nach den Sommerferien Vivi-Marie neu in Klappers Klasse kommt, die ab dem ersten Tag eine große Faszination auf ihn ausübt. Nicht nur, dass sie anstelle ihres eigentlichen Namens mit „Bär“ angesprochen werden möchte, aber fällt sie aufgrund ihrer Größe und Stoizismus ebenso aus der sozialen Klassennorm wie Klapper.

Mit einer schnell getakteten Umgangssprache erschafft Kurt Prödel einen glaubwürdigen Sound für seinen Held, der auch Jahre später nicht recht vom Fleck gekommen ist und schon gar nicht seine sozialen Skills verbessert hat. Zusammengesetzt aus einigen Momenten im Sommer 2025 und den großen erzählerischen Rückblenden, die den Hauptteil dieses Romans ausmachen, entsteht ein genaues Bild der Pubertät, in der zwar schon bald der Abschied von der Schulzeit in greifbare Nähe rückt, trotzdem aber noch der in Kung Fu-Pose erstarrte Oliver Kahns über dem Bett hängt und man Zitronenkrümeleistee für ein akzeptables Getränk hält.

Dass das Ganze nicht in eine pubertäre Peinlichkeitsrevue á la Heinz Strunk abkippt, verdankt sich Kurt Prödels Talent, auch emotionale Tiefe und Gespür für die Zerrissenheit von Menschen zuzulassen. Der vordergründige perfekte Haushalt von Klappers Eltern, der nur psychische Probleme verdeckt, der Abschied, den der von Prödel umrahmte Lebensabschnitt für Klapper bedeutet und die tiefe Wunde, die ein Ereignis hinterlässt, an dem der junge Mann noch Jahre später laborieren wird, das alles bringt Tiefe in Klapper und macht es zu mehr als einem schnell konsumierbaren Schmunzelbuch über die Pubertät, wie es schon genug gibt.

Tolles Debüt, klappert nur marginal

Natürlich würde den Figuren ein wenig mehr Tiefe und Ausgestaltung gut tun, was nicht nur für das Ensemble, sondern sogar für Bär und Klapper selbst gilt. Auch ist der erzählerische Strang der Gegenwart im Roman etwas arg knapp geraten, sodass es an der ein oder anderen Stelle vielleicht doch etwas klappert im literarischen Gerüst. Solchen Kinderkrankheiten eines Debüts steht einem sprachlich originellen wie emotional interessantem Roman aber eher marginal gegenüber. Das fand auch das Publikum der Litcologne, die im März Kurt Prödel den Nachwuchspreis der LitCologne zusprach.


  • Kurt Prödel – Klapper
  • ISBN 978-3-98816-024-9 (park x ullstein)
  • 251 Seiten. Preis: 22,00 €
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