Der große Schlaf
Der Schlaf und die Kriminalliteratur – ein weites Feld.Schon in der griechischen Mythologie ist Thanatos, also der Bruder von Hypnos, dem Gott des Schlafes, für den Tod zuständig. Wo geschlafen wird, da ist der Tod nicht fern.
Schriftsteller jeglicher Couleur haben sich von dieser Symbolik inspirieren lassen, egal ob Robert Schneider (Schlafes Bruder), Haruki Murakami (Schlaf) oder auch Raymond Chandler.
Dessen stilbildender Roman Der große Schlaf gilt als die Geburtsstunde des Hardboiled-Krimis und hat seither viele Nachahmer gefunden. Mit dem Privatdetektiv Philip Marlowe führt er einen Typus des rastlosen Privatdetektivs ein, der seine Nase in Dinge hineinsteckt, die unter Umständen tödlich enden können. So mancher, der sich fortan im Krimi zur Ruhe legte, wachte aus dem Schlaf nicht mehr auf – dieser war zum ewigen Schlaf geworden.
Der Schlafmacher in England
In Michael Robothams neuestem Thriller aus der O’Loughlin/Ruiz-Reihe bekommt es der klinische Psychologe Joe O’Loughlin nun mit dem titelgebenden Schlafmacher zu tun, der im ländlichen Somerset zugeschlagen hat. In einem abgelegenen Farmhaus wurden eine Mutter und ihre jugendliche Tochter ermordet, die Spuren am Tatort sprechen eine widersprüchliche Sprache. Einbruchsspuren finden sich genauso wie ein Pentagramm am Tatort. Und Verdächtige gibt es auch en Masse, zahlreiche Menschen hätten ein Motiv für den Mord gehabt. Inmitten dieses Chaos bittet DCS Veronica Cray abermals den klinischen Psychologen zu Hilfe, der der Polizei bei der Aufdrosselung dieses Verbrechens unter die Arme greifen soll. Dabei macht dieser gerade in Sachen Annäherung an seine Ex-Frau Julianne Fortschritte und möchte sich lieber auf diese Baustelle konzentrieren. Doch dann nimmt er doch zusammen mit dem pensionierten Polizeibeamten Vincent Ruiz die Fährte des Schlafmachers auf, um zu verhindern, dass in der ländlichen Umgebung noch mehr Opfer in den großen Schlaf fallen.
Der Schlafmacher ist bereits der 10. Fall für das bewährte Duo Vincent Ruiz und Joe O’Loughlin. Nachdem von Michael Robotham zuletzt der mit dem Dagger-Award ausgezeichnete Stand-Alone-Thriller Um Leben und Tod erschien, ist dieser Roman nun (wieder von Kristian Lutze übersetzt) das Jubiläum des eingespielten Doppels aus Bulle und Psychologe. Nachdem Robotham ja gerne mit Form und Topos seiner Bücher spielt (Vom Highspeed-Verfolgungsthriller über den klassischen Entführungskrimi bis hin zum Psychothriller hat er schon verschiedenste Genres durchdekliniert) war ich auch schon sehr auf dieses Buch gespannt. Es ist vom Tempo her ruhiger, kann aber wieder mit seiner Figurenzeichnung und dem Plot diesmal in ländlicher Umgebung überzeugen.
Neigte ich während der Lektüre dazu, den Fall als solide Fortsetzung auf gewohnt hohem Niveau einzuordnen, so hat mich der Schluss dieses Buchs auf ganz besondere Art und Weise gepackt, Gerade wenn man die Entwicklung der Charaktere über die letzten Reihentitel verfolgt hat. Ohne an dieser Stelle zu sehr ins Detail gehen zu wollen – mit dieser Wendung ist Robotham abermals eine überraschender Twist gelungen, der den Folgebänden wieder frischen Wind verleihen sollte, auch wenn einige Leser Robotham die letzten Seiten sicherlich am liebsten umschreiben lassen würden.
Insgesamt wieder ein weiterer Top-Thriller, der beweist, dass Joe O’Loughlin und Vincent Ruiz noch lange nicht den Schlaf der Gerechten schlafen, sondern gerne in ihrem 11. Fall weiter auf die Suche nach der Wahrheit gehen dürfen!