Richard Ford – Valentinstag

Einen Valentinstag fernab von Kitsch und Verliebtheit verbringen in Richard Fords neuem Roman Frank Bascombe und sein Sohn Paul miteinander. Es könnte ihr letzter gemeinsamer Valentinstag sein – denn Paul leidet an einer unheilbaren Nervenkrankheit – und so brechen Vater und Sohn noch einmal auf zu einem Roadtrip, der sie mitten hinein ins Herz Amerikas führt.


Wie sein Autor selbst altert auch Frank Bascombe, das literarische Alter Ego von Richard Ford, mit jedem Buch deutlich. Von der Vitalität des früheren Sportreporters ist nicht mehr viel übrig. Sein Sohn Ralph starb bereits mit neun Jahren, von seiner Frau hat er sich ebenfalls schon lang getrennt, er hat eine Bestrahlung gegen den Prostatakrebs überlebt – und hat sich nun mit seinem reichlich unspektakulären Dasein als Senior arrangiert.

Er hütet Häuser, philosophiert sich durch den Tag und besucht ab und an Klassentreffen, die ihn aber auch deutlich an seine eigene Endlichkeit erinnern. Als Stütze und familiärer Ankerpunkt ist ihm nur noch sein Sohn Paul geblieben. Doch der 47-Jährige erhält nun eine niederschmetternde Diagnose: Amyotrophe Lateralsklerose oder kurz ALS. Die unheilbare Nervenkrankheit, die vor einigen Jahren durch die Ice-Bucket-Challenge auch hierzulande verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rückte und zu deren prominentesten Opfer der Physiker Stephen Hawking zählte, sie wird nun auch zum Schicksal von Franks Sohn.

Eine Heilung ist nicht möglich und der Verfall der Muskeln schreitet rasch voran. Und so beschließt Frank, die Zeit, die ihm mit seinem Sohn Paul bleibt, bestmöglich zu nutzen und mit diesem zu einem Roadtrip aufzubrechen.

Mount Rushmore sehen und sterben

Als typischer Amerikaner liegen für Frank die Ziele dieses letzten Roadtrips auch im Kernland der USA. So möchte er mit seinem Sohn zum Mount Rushmore-Monument, in das die Köpfe vierer US-Präsidenten eingemeiselt sind. Auf der Fahrt dorthin erleben sie viele skurrile Erlebnisse, können eine Filmvorführung mit Valentinstagsfilmen ob einer Protestgruppe nicht wahrnehmen, besuchen ein Maislabyrinth, frotzeln und diskutieren, pflegen ihre Alter-Egos als republikanische Klischeewähler und kommen so jenem Amerika nahe, das außer New York, LA und Washington selten in unseren Köpfen auftaucht.

Wir sind jetzt jetzt zusammen allein, unterwegs dorthin, wohin wir unterwegs sind. Zwei komische Vögel im Wolkenkuckucksheim.

Richard Ford – Valentinstag, S. 210
Richard Ford - Valentinstag (Cover)

Neben dem Roadtrip mit ihrem auf den Namen Warmer Wind getauften Wohnmobil durch die Einöde Amerikas ist Valentinstag auch ein berührender Vater-Sohn-Roman, der die männliche Unfähigkeit zu gefühlsbasierter Kommunikation zeigt. Paul hat seine Krankheit, die er erst für Borreliose hielt, auf den Namen Al’s getauft und geht mit ihr wie einem alten Bekannten um, die er auch durch die Benenneung in ironischer Distanz von sich hält.

Gekonnt ignoriert Frank im Gespräch mit seinem Sohn den rasch voranschreitenden Verfall, den er den Leser*innen umso ungeschönter schildert. Lieber hievt er mit über siebzig Jahren den Rollstuhl von Paul in den Wagen und diskutiert mit seinem Sohn über absolute Nebensächlichkeiten, ehe die beiden das offen verhandeln, was wie der berühmte Elefant so klar im Raum steht.

Paul lauscht Musicalsongs, sein Vater fährt ihn, in Gedanken an alte Episoden von amourösen Anbahnungen und zwischenmenschlichen Kontakten, wohl wissend auch um deren Endlichkeit. So entsteht in diesem Roadnovel indirekt ein Bild einer Vater-Sohn-Beziehung, in der man die Fakten totschweigt und sich an Hoffnungen wie etwa eine neue Therapie klammert, zu der Paul eine ehemalige Liebschaft von Bascombe senior verhilft.

Fazit

Richard Ford gelingt es hier wieder, mit viel Gesetztheit, Humor, aber auch Abschiedsschmerz auf Frank und seinen Sohn zu blicken. Er schafft mit seinem Roman gleich ein dreifaches Porträt. So ist Valentinstag ein weiterer Baustein in Fords Romanzyklus um das Leben von Frank Bascombe. Darüberhinaus nimmt er hier das Verhältnis von Frank und seinem siebenundvierzigjährigen Sohn in den Blick und zeichnet so das Bild eines im Verfall vereinten Vater-Sohn-Gespanns. Und nicht zuletzt ist Valentinstag auch das Porträt eines Amerika abseits der Hochglanzbroschüren und spürt so dem Kern des „anderen“ Amerika voller Patriotismus, schäbiger Hotelzimmer und skurriler Personen nach. So gelingt Richard Ford einmal mehr ein von Land und Lakonie durchsättigter Roman.

Für das besseres Verständnis jenes von Anspielungen und Zitaten durchsetzte Werk empfiehlt sich im Übrigen ein Blick in den Anhang des Romans, um jenes Referenzgewitter an Popkultur und amerikanischer Geschichte, das Frank und Paul Bascombe auf ihrer Reise abbrennen, besser zu verstehen. Darin schlüsselt der großartige Übersetzer Frank Heibert all die in den Dialogen fallengelassenen Anspielungen für uns Nicht-US-Amerikaner auf und leistet so einen wichtigen Beitrag für das bessere Verständnis dieser hochgradig „amerikanischen“ Lektüre.


  • Richard Ford – Valentinstag
  • Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
  • ISBN 978-3-446-27732-8 (Hanser)
  • 384 Seiten. Preis: 28,00 €
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