Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg
2014 jährte sich das Geschehen des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal – Volker Kutscher hat dem Gedenken nun einen weiteren Roman hinzugefügt, der die Erinnerung an die damaligen Ereignisse wachhält – im Gewand eines Kriminalromans.
„Märzgefallene“ ist der fünfte Fall, den der Berliner Kommissar Gereon Rath lösen muss. In Berlin steht die Machtergreifung der Nazis infolge des Reichstagsbrandes kurz bevor, als ein ermordeter Obdachloser entdeckt wird. Die Spuren des Mordes führen zurück in die Gräben des Ersten Weltkrieges. Bei seinen Ermittlungen gegen den Willen der neuen gleichgeschalteten Polizeispitze stößt Gereon Rath auf weitere Opfer. Verbindendes Element scheint ein Einsatz einer Gruppe von Soldaten im französischen Hinterland zu sein, die für die Aktionsplan „Alberich“ eingesetzt wurden.
Während die Nazis in ganz Deutschland die Macht übernehmen muss sich Rath auf die Suche nach einem Mörder und einem Motiv begeben. Seine Recherche führt ihn bis nach Bonn und Wuppertal, wo er den Ursprung der Mordserie ergründen will, während sich Raths Arbeitswelt in der Mordkommission drastisch ändert.
So düster wie in „Märzgefallene“ der Gereon-Rath-Serie ist bislang noch kein Titel von Volker Kutscher ausgefallen. Gelungen integriert er die damaligen Ereignisse des Reichstagsbrandes, die Machtergreifung Hitlers, Bücherverbrennung und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in die Krimihandlung. Eindrücklich zeigt er, wie sich die Privat- und Arbeitsverhältnisse innerhalb kurzer Zeit änderten und mit welchen Widerständen exemplarisch Gereon Rath und seine Verlobte Charly Ritter zu kämpfen hatten. Hierbei widersteht Kutscher auch der Versuchung, seinen Helden Rath moralisch zu überzeichnen. Vielmehr steht er für die eigentlich apolitisch Schweigenden, die die Lage infolge der Machtergreifung systematisch verkannten bzw. nicht erkennen wollten.
Im Moment ist die Reihe um Rath im deutschsprachigen Raum eine der besten Kriminalserie, die sowohl durch ihre Ambitionen als auch durch Inhalte besticht. Bemängeln muss ich – weniger an diesem Titel, eher generell – das sich Volker Kutscher thematisch wiederholt (schon wieder eine Mordserie in Berlin, die ihre Ursprünge in der Vergangenheit hat). Die Fälle, mit denen sich Gereon Rath herumschlagen muss, ähneln einander vom Aufbau inzwischen sehr.
In „Märzgefallene“ ist Kutscher in meinen Augen jedoch der ausgeklügeltste Plot bisher gelungen. Kein heiterer Wohlfühl-Krimi, aber eine lohnende Anschaffung, die auch noch einmal die Ereignisse des Ersten Weltkriegs wachruft und die Anfänge des Dritten Reichs anschaulich beleuchtet.