Die Kunst der Rede, sie hat es Sönke Wortmann ganz offensichtlich angetan. Im vergangenen Jahr adaptierte er nach der Komödie „Der Vorname“ im Jahr 2018 nun den nächsten Film aus Frankreich. So wurde aus der französischen Komödie „Le Brio“ der deutsche Film „Kontra“ mit Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst. Darin diskriminiert ein Rhetorikprofessor eine Studentin und muss sie zur Wiedergutmachung für einen Debattierwettbewerb vorbereiten.
Offensichtlich war es Sönke Wortmann nicht genug, die Kunst der Rede filmisch einzufangen. So verfasste er mit Es gilt das gesprochene Wort auch noch seinen ersten Roman, der sich mit diesem Thema beschäftigt.
Im Mittelpunkt des Buchs steht Franz-Josef Klenke, der als Redenschreiber des deutschen Außenministers Hans Behring fungiert. Er formuliert die Reden des Ministers, setzt sich im Vorfeld mit den jeweiligen Rahmen der Reden auseinander und wirkt im Schatten, um den Politiker glänzen zu lassen. Eigentlich stammt er aus der Werbebranche, war mit einer Agentur in die Wahlkampagne um Peer Steinbrück im Bundestagswahlkampf 2013 eingebunden und kam danach zu seinem Job im Dienste des Ministers.
Ein Abend in Marokko
Liiert ist er mit Maria, die er bei einem Termin des Außenministers in Krakau kennengelernt hat. Sie leidet unter selektivem Mutismus, das Sprechen unter Druck und mit unbekannten Personen ist ihr kaum möglich. Im Privaten mit Klenke kann sie sprechen, in der Öffentlichkeit hingegen ist sie wie gelähmt und kann sich nicht artikulieren. Das gegensätzliche Paar plant nun einen privaten Urlaub im Anschluss an einen Termin des Außenministers in Marokko.
Dort vor Ort erwartet sie die dritte Hauptfigur, die Sönke Wortmann in den Mittelpunkt stellt. Es handelt sich um den Diplomaten Cornelius von Schröder. Dieser fristet unzufrieden sein Botschaftsleben in Rabat. Von seiner Frau Marysol hat er sich entfremdet und hadert mit seinem Leben. Der Job, sein Einsatzgebiet, sein Familienleben – all das bedeutet ihm nur noch Verdruss, weshalb er sich in Fremdenfeindlichkeit, Verschwörungstheorien und rechten Hass hineinsteigert. Auf einem Delegationsabend treffen alle drei Figuren dann dort in Marokko aufeinander – mit folgenschweren Konsequenzen.
Ein Gefühl der Unentschiedenheit
Was wollte Sönke Wortmann mit seinem Buch sagen? So ganz kann ich es nach der Lektüre von Es gilt das gesprochene Wort nicht sagen. Über dem ganzen Buch schwebt ein Gefühl der Unentschiedenheit. Es mag sich alles nicht so recht fügen. Da ist das Porträt des Redenschreibers Franz Josef-Klenke mit seinem Job im Schatten. Hier wagt Sönke Wortmann einen Blick hinter die Kulissen des politischen Tagesgeschehens. Er erzählt von Menschen mit Idealen mitten im Machtapparat der Politik und stützt sich dabei auch auf wahre Ereignisse, wie etwa den Bundestagswahlkampf 2013, der Klenke zu seinem Job im Auswärtigen Amt brachte.
Dann ist da aber auch die Liebesgeschichte zwischen der nahezu stummen Maria und dem mit Rhetorik befassten Klenke, die von Wortmann reichlich oberflächlich geschildert wird. Wenn Maria Klenke sieht, schlägt hier das Herz schnell (S. 226). Das kann man so formulieren, es ist aber in seiner Gesamtheit weder originell noch überzeugend. Literarisch gesehen ist das ganze Buch doch auch eher einfache Hausmannskost denn elegant formulierte und tiefenscharf herausgearbeitete Prosa.
Vom Fehlen eines überzeugenden Zugriffs
Immer wieder springt Wortmann von Figur zu Figur, fügt währenddessen die Reden ein, die Klenke dem Minister formuliert hat und in denen aktuelle politische Probleme betrachtet werden. Dann will Wortmann aber auch das Abgleiten des Botschaftsmitarbeiter von Schröder in den Radikalismus schildern und aktuelle geopolitische Verwerfungen nachzeichnen. Gegen all das wäre nichts zu sagen, wenn diese Aspekte auch nicht ebenso wie die Liebesgeschichte nur an der Oberfläche der Dinge kratzen würden. Alles hier würde eine vertiefende Behandlung vertragen, stattdessen bleibt Wortmann im Ungefähren und wagt es nicht, den Dingen wirklich auf den Grund zu gehen. Nichts bleibt hier nachhaltig im Kopf, weder die Romanze, noch die Radikalisierung, noch der Clash in Marokko.
Man wünscht sich, Wortmann hätte den Mut gehabt, sich für einen Aspekte seines Romans zu entscheiden, und diesen mit der gebotenen Sorgfalt behandelt. So bleibt das Gefühlt, dass dem Regisseur sein Material entglitten ist und er keinen wirklichen Zugang oder eine überzeugende Formsprache für seinen Plot gefunden hat. Das ist schade, da die behandelten Themen eigentlich hochinteressant sind. Und auch über die Politik und das Geschäft mit ihr gäbe es viel Spannendes zu sagen, wie es etwa Nora Bossong in ihrem Roman Schutzzone gezeigt hat. Hinter diesem Werk bleibt Sönke Wortmann leider mit großen Abstand zurück und vermag es nicht, seinen Stoff in ein überzeugendes Buch zu verwandeln.
Fazit
Trotz vielversprechender Anlagen gelingt es Sönke Wortmann nicht, seine Themen zu einem überzeugenden Roman zu runden. Es gilt das gesprochene Wort ist von einem Gefühl der Unentschiedenheit und literarischen Belanglosigkeit geprägt, das das Buch schnell wieder vergessen lässt.
- Sönke Wortmann – Es gilt das gesprochene Wort
- ISBN 978-3-550-20059-5 (Ullstein)
- 240 Seiten. Preis: 24,00 €