Frische Bücher für 2016
Mit dem Erscheinen der Vorschauen für das literarische Frühjahr beginnt für mich immer die beste Zeit, bei der man vor lauter Blättern und Vormerken der Titel fast ganz vergisst, dass man auch dieses Jahr gar nicht zum Lesen all dieser spannenden und vielversprechenden Geschichten kommen wird. Dennoch habe ich mir vorgenommen, möglichst vielen Büchern meine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und Neues zu entdecken.
Hier deshalb ein paar Highlights, auf deren Erscheinen ich mich schon wirklich freue und die vielleicht auch bald hier auf diesem Blog noch genauer vorgestellt werden:
David Mitchell – Die Knochenuhren
Klappentext des Verlags:
An einem verschlafenen Sommertag des Jahres 1984 begegnet die junge Holly Sykes einer alten Frau, die ihr im Tausch für „Asyl“ einen kleinen Gefallen tut. Jahrzehnte werden vergehen, bis Holly Sykes genau versteht, welche Bedeutung die alte Frau dadurch für ihre Existenz bekommen hat.
Die Knochenuhren folgt den Wendungen von Holly Sykes‘ Leben von einer tristen Kindheit am Unterlauf der Themse bis zum hohen Alter an Irlands Atlantikküste, in einer Zeit, da Europa das Öl ausgeht. Ein Leben, das gar nicht so ungewöhnlich ist und doch punktiert durch seltsame Vorahnungen, Besuche von Leuten, die sich aus dem Nichts materialisieren, Zeitlöcher und andere kurze Aussetzer der Gesetze der Wirklichkeit. Denn Holly – Tochter, Schwester, Mutter, Hüterin – ist zugleich die unwissende Protagonistin einer mörderischen Fehde, die sich in den Schatten und dunklen Winkeln unserer Welt abspielt – ja, sie wird sich vielleicht sogar als deren entscheidende Waffe erweisen.
Darum freue ich mich:
Der Wolkenatlas ist mir nicht nur aufgrund der Verfilmung, sondern auch aufgrund seiner literarischen Brillanz noch immer gut in Erinnerung. Momentan lese ich gerade den nicht minder originellen Schmöker Die tausend Herbste des Jacob de Zoet und giere nach mehr. Umso schöner dass dieses Buch nun abermals in der Übersetzung von Volker Oldenburg erscheint und schon der Klappentext wieder eine überbordende Mischung verschiedenster Themen verspricht.
William Boyd – Die Fotografin: die vielen Leben der Amroy Clay
Klappentext des Verlags:
Ein Klick, die Blende schließt – der Startschuss zu einem neuen Leben. Mit sieben hält Amory Clay ihre erste Kamera in Händen, eine Kodak Brownie Nummer 2, und mit ihr sind alle Weichen gestellt. Amory Clay, Fotografin, Reisende, Kriegsberichterstatterin. Statt als Gesellschaftsfotografin in London zu reüssieren, lässt Amory alles Vertraute hinter sich und beginnt 1931 ein Leben voller Unwägbarkeiten in Berlin. Ein Berlin der Nachtclubs, des Jazz, der Extravaganz und Freizügigkeit – und der ersten Anzeichen von Bedrohung und Willkür.
Amory Clay, eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus ist, die unerschrocken ihren Weg geht, ihre Lieben lebt, ihre Geschicke selbst in die Hand nimmt. Tief fühlt sich William Boyd in sie ein und versteht es glänzend, Fiktion und Geschichte miteinander zu verschränken: das ausschweifende Berlin der frühen dreißiger Jahre, New York, wo sie den Mann trifft, der alles verändert, Paris im Zweiten Weltkrieg. Nach »Ruhelos« hat Boyd erneut eine unvergessliche Heldin geschaffen, eine verwegene, verblüffend moderne Frau, einen Künstlerroman, der das Porträt einer ganzen Epoche zeichnet.
Darum freue ich mich:
Egal ob Ruhelos, Eines Menschen Herz, Armadillo, Einfache Gewitter oder Eine große Zeit. Noch nie ist mir bislang ein schlechter Roman William Boyds untergekommen. Schon lang habe ich mir vorgenommen, diese tollen Bücher abermals zu lesen. Vielleicht bietet mir Die Fotografin genau diese Chance, wieder tief in den Boyd-Kosmos einzutauchen und wieder ein paar ältere Titel zur Hand zu nehmen?
Anthony Marra – Letztes Lied einer vergangenen Welt
Klappentext des Verlages:
Keiner versteht es so wie Roman Markin, Menschen einfach verschwinden zu lassen. Wer im Leningrad der 1930er-Jahre staatlich liquidiert wird, dessen Foto landet auf dem Tisch des Retuscheurs. Nicht ein einziges Bild soll bezeugen, dass diese Person je existiert hat. Doch eines Tages will Roman nicht dem Vergessen dienen, sondern sich erinnern: an seinen Bruder – und bringt sich damit in große Gefahr …
Anthony Marra erzählt von Menschen zu ganz unterschiedlichen Zeiten: von der Primaballerina, die im Gulag Schwanensee tanzen muss; von ihrer Enkelin Galina, die sich an das Einzige klammert, was ihr von ihrer Jugendliebe bleibt: ein Gemälde des idyllischen Ortes, an dem er starb; von Kolya und seinem Bruder, die sich in der Trostlosigkeit einer sibirischen Bergbaustadt an den einzigen Traum klammern, der ihnen bleibt: die Weite des Weltalls, im Ohr die Nussknacker-Suite.
Darum freue ich mich:
Anthony Marras erster Roman Die niedrigen Himmel begeisterte mich schon über die Maßen (deshalb auch ein verdienter erster Platz in meinen Jahrescharts 2015). Umso erfreuter war ich, als ich in den Ankündigungen nun diese neuen Stories des Amerikaners über sein Leib-und-Magen-Thema Russland entdeckte.
Nachdem ich auch mit meinem letzten Kurzgeschichtenband aus dem Hause Suhrkamp mehr als gute Erfahrungen gemacht habe, freue ich mich auch auf diese Geschichtensammlung sehr. Und außerdem ist das Cover ein echter Blickfang!
Joel Dicker – Die Geschichte der Baltimores
Klappentext des Verlags:
Bis zum Tag der Katastrophe gab es zwei Goldman-Familien. Die Baltimore-Goldmans und die Montclair-Goldmans. Die »Montclairs« sind eine typische Mittelstandsfamilie, kleines Haus im unschicken New Jersey, staatliche Schule für Marcus, den einzigen Sohn. Ganz anders die Goldmans aus Baltimore: Man ist wohlhabend und erfolgreich, der Sohn Hillel hochbegabt, der Adoptivsohn Woody ein Sportass erster Güte. Als Kind ist Marcus hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für diese »besseren« Verwandten und Eifersucht auf ihr perfektes Leben. Doch Hillel und Woody sind seine besten Freunde, zu dritt sind sie unschlagbar, zu dritt schwärmen sie für das Nachbarsmädchen Alexandra – bis ihre heile Welt eines Tages für immer zerbricht. Acht Jahre danach beschließt Marcus, inzwischen längst berühmter Schriftsteller, dass es Zeit ist, die Geschichte der Baltimores aufzuschreiben. Aber das Leben ist komplizierter als geahnt, und die »Wahrheit« über ihre Familie scheint viele Gesichter zu haben.
Darum freue ich mich:
Joel Dicker – dieser Name bürgt für mich für Qualität. Seinen Roman Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert halte ich für mehr als gelungen, ein Schmöker, der mich eine Woche im August 2013 gefangen genommen hat. Wie der Schweizer seine erfundene amerikanische Kleinstadt schildert, das war für mich großes Kino. Hoffentlich kann Die Geschichte der Baltimores da wieder anknüpfen!
Anthony Doerr – Memory Wall
Klappentext des Verlags:
Unser Leben, unsere Welt werden durch unsere Erinnerungen zusammengehalten. Was geschieht mit uns, wenn wir sie verlieren, und welche Möglichkeiten tun sich auf, wenn andere unsere Erinnerungen wiederbeleben können? Der 74-jährigen Alma Konachek, die in einem Vorort von Kapstadt lebt, widerfährt genau dies. Sie verliert ihr Gedächtnis. Unbekannte brechen mehrfach in ihr Haus ein, auf der Suche nach Hinweisen zu einem spektakulären Fossilienfund ihres plötzlich verstorbenen Mannes. Denn Alma hat eine Wand voller Fotos, Gedächtnisstützen, Speichermedien, in der sich irgendwo der fehlende Hinweis zu dem gesuchten Fossil befindet.
In dieser lichten, wunderschönen Novelle gelangt schließlich ein Junge in den Besitz des Geheimnisses dieser alten Frau und ihres Mannes, einer Episode aus ihrer Vergangenheit mit der Macht, ein Leben zum Guten zu wenden. Der Junge reist dazu in die Karoo-Wüste und setzt sich dieser wilden Landschaft aus. Wie alle Werke Doerrs zeugt auch dieses von der Größe des Lebens – von der geheimnisvollen Schönheit der Fossilien, Wolken, Blätter – vom atemberaubenden Glück, in diesem Universum zu leben. Die Vorstellungskraft und Sprachmacht, das Einfühlungsvermögen und die Erzählkunst Anthony Doerrs sind unvergleichlich.
Darum freue ich mich:
Platz 2 in meinem Ranking der besten Bücher des Jahres 2015 und nun eine Novelle? Ist gekauft! Wenn er er schafft, die erzählerische Magie seines Buchs Alles Licht, das wir nicht sehen erneut zu entfachen, wird dieses Buch hoffentlich auch im Jahresranking 2016 weit oben stehen. Der Klappentext klingt auf jeden Fall auch schon einmal verheißungsvoll!