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Matthias Sachau – Hauptsache, es knallt

Schlimmer als im Auftaktkapitel zu „Hauptsache, es knallt“ von Matthias Sachau kann es kaum kommen. Jeder der schon einmal auf einer Hochzeit war oder wenigstens halbwegs die Vorstellung einer Hochzeit in Weiß bewahrt hat, wird die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen angesichts des geballten Chaos in Sachaus neuem Buch.
Doch wie es zu diesem Hochzeitsdesaster kam, klärt der Autor erst langsam und lässt den Wahnsinn, der über die Hochzeitsgesellschaft rund im Janina (Traumfrau Typ Eiche) und Markus hereinbricht, langsam beginnen. Doch das Desaster nimmt unaufhörlich seinen Lauf und im Stile der 24-Serie droht der schönste Tag im Leben der beiden zu einer Tour de Force zu geraten, die man nicht einmal seinem schlimmsten Feind wünscht.
Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive von Tim, der als enger Freund des Brautpaares versucht, den schönsten Tag der beiden auch mit höchstem körperlichen Einsatz noch halbwegs glimpflich zu gestalten. Doch dass das nix wird weiß der Leser schon seit den ersten Seiten – und amüsiert sich köstlich dabei.
Sachau lässt sich nicht lumpen und fährt ein Monstrositätenkabinett der Hochzeitsgäste auf: Vom Hobbyrennfahrer im Rollstuhl, genannt Turbo-Erich, bis hin zum ekelhaft jovalen kölschen Füllkrug. Wer solche Gäste auf seiner Gästeliste hat sollte sich das mit dem Trauen noch einmal überlegen.
Ein großer Spaß mit vielen Pointen, den man zukünftigen Brautpaaren erst besser nach der Hochzeit schenken sollte … 
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Adrian McKinty – Der katholische Bulle

Das Herz der Finsternis

Es gibt schönere Orte auf Erden als Carrickfergus, an denen man als Polizist seinen Dienst versehen kann,.
Der Ort Carrickfergus ist ein Vorort der nordirischen Hauptstadt Belfasts und das Jahr ist 1981. Noch prekärer wird die Lage, wenn man zum Höhepunkt des Nordirlandkonflikts dort als katholischer Bulle seinen Dienst versieht.
Denn zwischen den verschiedenen Parteien und Religionen brennt die Luft, wenn man sich zur falschen Zeit auf der falschen Seite aufhält, kann dies durchaus tödlich enden.
Mit diesen (und weiteren)  Probleme hat Sean Duffy zu kämpfen, als er als Jungspund ins Polizeirevier nach Carrickfergus abgeordnet wird und sofort zur Zielscheibe des Hasses der IRA wird. Und als immerhin sehr belesener – Grünschnabel wird Duffy gleich auf seinen ersten Fall angesetzt, der es in sich hat. Wie es den Anschein hat, scheint Nordirland vom ersten Serienkiller in der Geschichte des Landes heimgesucht zu werden, der sich unter den Homosexuellen Belfasts seine Opfer sucht. Duffy muss seine Ermittlungen aufnehmen und sich seiner Haut erwehren.

Harter Tobak

Es ist wahrlich harter Tobak, den Adrian McKinty im Auftakt zu seiner Sean-Duffy-Reihe (Teil zwei erschien Anfang des Jahres in Amerika) kredenzt. Belfast gerät bei ihm zu einem einzigen Moloch aus Hass, Gewalt und Fanatismus – ein einziges Herz der Finsternis.
Mit Sean Duffy setzt er dem ganzen brutalen Inferno einen höchst sympathischen Ermittler entgegen, der zwar noch grün hinter den Ohren ist, seine Sache dennoch ausgezeichnet macht.
Er kämpft sich durch ein undurchdringliches Dickicht aus alten Rivalitäten und Feindschaften, die sowohl zwischen den einzelnen Charakteren als auch zwischen den verfeindeten irischen Splittergruppen herrschen. Dass dies auch für den Leser nicht immer leicht ist soll folgendes Zitat zeigen (S. 242):

„All das hier, der neue Job, das neue Büro, und die DUP ein Stockwerk tiefer. Seawright ist von der UVF, richtig? Seawright ist UVF, Billy White ist UDA, und Sie sind der neue Kopf der FRU und neuer Verbindungsmann zwischen den loyalistischen Paras und der IRA“ stellte ich fest.

Eine großartige Melange für Kenner

Wer „Der katholische Bulle“ richtige verstehen und genießen will, sollte einiges an Vorwissen bzw. den Willen sich nebenbei ein Bild der Geschehnisse zu machen, mitbringen. Adrian McKinty gibt keine großen Einführungskurse, ehe er die Handlung beginnen lässt.
Ähnlich wie Sean Duffy wird man ins kalte Wasser der nordirischen Feindschaften geworfen und muss sich aus dem Geflecht befreien. Wer eines der anderen vorzüglichen Bücher McKintys gelesen hat, weiß, was einen erwartet: Ein Thriller durchsetzt mit großartigen Anspielungen und einem hohen intellektuellen Niveau (wer sonst könnte Max Weber, Novalis und die Stones so vorzüglich verquicken?) und einigen brutalen Passagen. Zart behafteten Lesern würde ich raten, die Finger von diesem Buch zu lassen – allen anderen, die gerne etwas aus guten Büchern lernen und Krimis nicht alleine der Spannung wegen konsumieren. Eines der besten Bücher des Jahres 2013!          
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Astrid Rosenfeld: Elsa ungeheuer

Skurrile Figuren, schwache Story

Also skurrile Figuren kann Astrid Rosenfeld ungeheuer gut: Nach den in Erinnerung bleibenden Figuren in ihrem ersten Roman „Adams Erbe“ legt die Autorin mit „Elsa ungeheuer“ ein neues Buch voller verschrobener und einzigartiger Charaktere vor. Leider bleibt dessen Story vor lauter Personen aber insgesamt etwas auf der Strecke.


In „Elsa ungeheuer“ wirken mit: Ein Brüderpaar, ein Murmeltier, die älteste Frau der Welt, ein versoffener Hotelier, eine leicht verhaltensgestörte Mutter, die junge, ungeheuerliche Elsa, eine Kunstsammlerin im Rollstuhl und zig weitere ausgefallene Personen. Diese bilden mit ihren Beziehungen und Animositäten untereinander das Grundkonstrukt von „Elsa ungeheuer“.
Und gerade was den ersten Teil des 278-Seiten starken Romans angeht: hier zeigt sich das Können von Astrid Rosenfeld. Leicht und mit einem angenehm dezenten Humor skizziert sie die Menage á trois in der oberpfälzischen Provinz. Man beobachtet Karl, den Ich-Erzähler, seinen Bruder Lorenz und die titelgebende Elsa, die zusammen im ersten Part des Buches einen Teil ihrer Kindheit erleben.
Doch leider bricht diese teilweise Idylle, die Rosenfeld zunächst aufbaut, ab etwa der Mitte völlig. Sie springt von der Kindheit der drei in die Gegenwart des Jahres 1999. Plötzlich wird Lorenz zum Künstler gepusht, Karl lebt vor sich hin und Elsa ist nach Amerika entschwunden. Dieser Bruch in der Erzählstruktur ist für mich nicht schlüssig und hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Eine großartige Handlung ist im zweiten Teil des Buches nicht mehr vorhanden, distanziert betrachtet man die erwachsen Gewordenen, die einem vorher am Herzen lagen und jetzt zu leblosen Charakteren geworden sind. Fort ist die Magie, mit der Astrid Rosenfeld ihren Protagonisten zunächst Leben eingehaucht hat.
So bleibt bei mir der fade Geschmack eines tollen ersten Teils und eines zweiten Teils, der zu wünschen lässt. Die Story konnte mich hier im Gegensatz zu Rosenfels Erstling „Adams Erbe“ zu keinem Zeitpunkt so stark fesseln, wie sie es bereits einmal geschafft hat. Skurrile Figuren sind zwar wieder vorhanden und machen großen Spaß, die Story inklusiv ihrer Brüche retten sie aber nicht.
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Anne-Gine Goemans: Gleitflug

Nur Fliegen ist schöner

Es mischen mit: 4 Gänse, die nicht fliegen dürfen, es aber können, ein Flughafenförster, ein reichlich dicker Journalist, ein Mädchen aus der holländischen Provinz und Gieles, der Sohn jenes Flughafenförsters und zugleich Besitzer der vier Gänse. Plus weiteres schrulliges Personal mit teilweise auch recht eigenwilligen Namen.

Aus ihrem liebenswert-eigenbrötlerischen Personal strickt Anne-Gine Goemans eine Geschichte über familiären Halt, Mannwerdung, Liebe und nicht zuletzt über das Fliegen. Bereits das hervorragend gestaltete Cover vermittelt den Eindruck von Fernweh und Fliegen und dieser Eindruck wird auch im Buch bestätigt.
Um seine Mutter aus Afrika heimzuholen, wo sie als Entwicklungshelferin tätig ist, lässt sich Gieles einen riskanten Plan einfallen. Ähnlich seinem großen Vorbild, dem amerikanischen Piloten Chesley Sullenberg, will er mithilfe seiner Gänse alles riskieren, um seine Mutter auf sich aufmerksam zu machen. Mithilfe des adipösen Journalisten Super Waling will er seinen Plan in die Tat umsetzen, doch wie das bei großen Plänen immer der Fall ist, kommen Gieles diverse Dinge dazwischen …
Anne-Gine Goemans „Gleitflug“ ist einer jener Romane, die vordergründig leichter daherkommen, als sie es in Wahrheit sind. Neben ihrer Geschichte um Gieles und sein Leben am Rande der Flughafenbahn verschränkt die Holländerin noch eine zweite Geschichte, die vom Leben holländischer Siedler und deren Landnahme des sogenannten Polder-Gebiets erzählt. Diese Episoden werden durch weitere Einschübe wie z.B. einen unfreiwillig komischen Brief ergänzt, ergeben zusammen aber ein homogenes Romankonstrukt.
Neben der schriftstellerischen Raffinesse hat das Buch auch noch eine zweite Große Stärke, und dass ist seine zwischenmenschliche Wärme. Man erlebt Menschen mit Macken und Fehlern, die man trotzdem gernhaben muss und bei denen man das Gefühl hat, dass es sie tatsächlich so wie im Buch beschrieben geben könnte.
Diese Plastizität und Fabulierfreude machen Gleitflug zu einem tollen Leseerlebnis, wie gemacht für graue Herbstabende oder sonstige Tage im Jahr!          
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Karen Thompson-Walker: Ein Jahr voller Wunder

Insomnia

„Ein Jahr voller Wunder“ ist eines jener Bücher, die sich einer eindeutigen Einordnung in ein Genre widersetzen. Wer beim Titel noch an Kitsch der Marke Hedwig Courts-Mahler oder ähnlicher Schmonzetten glaubt, der sieht sich getäuscht. Auch wenn das Cover mit seinem leuchtenden Schriftzug das Beste versucht, den Leser in die Irre zu führen. Das Buch dreht sich um die Vorstadtfamilie von Julia, die mit ihren Eltern Joel und Helen in Kalifornien lebt.
Eines Tages bricht das schier Unglaubliche über sie und die ganze Welt herein: Die Erde beginnt, sich langsamer zu drehen. Die Rotation bremst ab und die Folgen sind rigoros, wenngleich sie in „Ein Jahr voller Wunder“ eher in Schlaglichtern geschildert werden.
Die amerikanische Vorstadtgesellschaft driftet genauso wie die Dauer der Tage und Nächte auseinander, die Schwerkraft nimmt zu, Angst, Schlaflosigkeit und Übelkeit greifen um sich. Man erfährt von all diesen Ereignissen aber auch nur am Rande, denn eigentlich treibt die junge Julia eher eine andere Sorge um: sie ist das erste mal in ihrem Leben verliebt, und zwar in ihren Mitschüler Seth Moreno.
Werte wie Freundschaft und Liebe dominieren im Buch, Karen Thompson-Walker legt ihren Schwerpunkt klar auf diese zwischenmenschlichen Komponenten, der Untergang der Welt geschieht eher im Hintergrund.
Man könnte „Ein Jahr voller Wunder“ durchaus als Dystopie bezeichnen, genauso ist das Buch aber das Porträt einer Durchschnittsfamilie, in die das Unwahrscheinliche einbricht.
Mein Problem mit diesem Buch ist folgendes: Karen Thompson-Walker verschmilzt verschiedene Genres und Ansätze miteinander und dabei gerät das Buch insgesamt leider etwas in Unwucht.
Manchmal hatte ich während der Lektüre das Gefühl, als würde sich die Autorin gar nicht für die Katastrophe, die vor aller Augen passiert, interessieren. Die reizvolle Idee der Verlangsamung der Erde und die damit verbundenen Katastrophen werden in ihrem Potential nicht ausgereizt.
Zwar besticht die Grundidee á la „American Beauty“ gepaart mit dem Untergang der Welt, doch insgesamt fesselte mich das Endprodukt leider nicht völlig. Dennoch ein Roman einer hoffnungsvollen Newcomerin, der fernab des literarischen Mainstreams wandelt und dem eine Idee zugrunde liegt, die ich so noch nicht oft gelesen habe!  
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