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Donato Carrisi – Die Totenjägerin

Die Toten aus dem Schatten

Mit „Die Totenjägerin“ legt Donato Carrisi seinen dritten Thriller um die Sonderermittlerin Mila Vasquez vor. Wer die Vorgängerbücher „Der Todesflüsterer“ und „Der Seelensammler“ gelesen hat, ist beim aktuellen Buch im Vorteil, zwingend erforderlich ist die Lektüre der beiden sehr spannenden Vorgänger aber nicht.

In der namenlosen Stadt, in dem Mila lebt, ereignet sich eine Reihe von mysteriösen Morden. Vor Jahren verschwunden kehren einige Menschen wieder um zu erbarmungslosen Mördern zu werden. Doch wo waren diese Menschen in der Zwischenzeit? Was hat es mit ihrem Verschwinden auf sich? Was verbindet diese aus dem Schatten zurückgekehrten?
Mila wird zusammen mit dem geächteten Ermittler Simon Berish auf eine Schnitzeljagd geschickt, die sie von einem Mord zum nächsten Tatort führt. Von Cliffhanger zu Cliffhanger hetzt Carrisi seine Protagonisten.

Der italienische Autor weiß routiniert Spannung zu erzeugen, der Aufbau seiner Geschichte ist einfach stimmig. Stets hetzt man noch ein Kapitel weiter, weil man einfach wissen will, wie es mit Mila und Simon auf ihrer Tour de Force weitergeht! Wem die beiden Vorgängerbücher gefallen haben oder wer sich einfach für gute zeitgenössische Thriller begeistern kann, dem sei „Die Totenjägerin“ wärmsten ans Herz gelegt!

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Sascha Arango – Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit über die Lüge

Dass das mit den Lügen manchmal alles andere als leicht sein kann, das muss der Schriftsteller Henry Hayden in Sascha Arangos Debüt feststellen.

Ein blendender Autor

Arango, bislang eher als Drehbuchautor für Tatortfolgen und Spielfilme der Öffentlich-Rechtlichen aufgefallen, legt mit „Die Wahrheit und andere Lügen“ ein beachtliches Debüt als Krimischriftsteller hin, das es zu lesen lohnt. In seinem doppelbödigen Roman entspinnt er einen fiesen Plot um den Schriftstellerstar Henry Hayden, der in Wahrheit keine einzige seiner Zeilen selbst geschrieben hat. Stattdessen hat seine Frau alle Romane verfasst, deren Lorbeeren der Gatte einheimst.
Kompliziert und in Fahrt gerät das Ganze nun, als Henrys Geliebte – eine Lektorin aus dessen Verlag – ein Kind von Henry erwartet. Die Geliebte muss verschwinden, so entscheidet Henry. Doch dabei geht natürlich schief, was schief gehen kann.

Der talentierte Mr. Hayden

Sascha Arango versteht sein Handwerk meisterlich. Nicht einmal 300 Seiten benötigt er für seinen Roman, der Henry genauso wie den Leser durch die Handlung hetzen lässt. Stets steht man Henry ambivalent gegenüber – ein Blender, ein Täuscher und Betrüger, der trotzdem das ein oder andere Mal Herz beweist. Wird der Schriftstellerstar mit seinen Täuschungen und Manövern der Polizei entgehen oder verheddert er sich im eigenen Lügengewirr? Das sind die Fragen, die die Spannung von „Die Wahrheit und andere Lügen“ ausmachen. In einer wirklich sprachlich höchst angenehmen und mitreißenden Prosa verkleidet folgt man Henry Hayden wirklich gerne und sieht den Verwicklungen bis zur letzten Seite gebannt zu.
Ein großartiges deutsches Krimidebüt, bei dem sich der Lesegenuss mit der Hoffnung verbindet, schnell neue (Lügen)Geschichten aus Arangos Feder lesen zu dürfen!

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Romain Puértolas – „Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“

Eine Reise, die ist lustig

Zugegeben – schon der Titel macht klar, an welches Publikum sich „Die unglaubliche Reise eines Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“ richtet. Nicht nur titeltechnisch dürfte „Der Hundertjährige, der aus einem Fenster stieg und verschwand“ bei diesem Buch Pate gestanden haben. Der Franzose Romain Puértolas schickt darin allerdings keinen Greis auf die Reise sondern wählt sich einen indischen Fakir mit dem Namen Ayarajmushee Dikku Pradash.

Dieser fliegt von seiner Heimat Indien aus nach Frankreich, um sich dort bei IKEA ein neues Nagelbett zu kaufen (sic!). Doch wie der Titel schon erahnen lässt, ist dies nur der Auftakt zu weitaus größeren Odyssee, die Pradash unter anderem nach England, Italien und Spanien führt. Halb Europa wird bereist und immer neue Verwicklungen treiben den Fakir über die Landkarte und durch die Geschichte. Dies ist natürlich nicht wirklich glaubhaft und sehr überdreht – wer auf jeglichen Anflug von Realismus verzichten kann, der wird hier glücklich.

Ebenso eine Geschmacksfrage ist auf der Humor, von dem „Die unglaubliche Reise eines Fakirs, der in einem IKEA-Schrank feststeckte“ durchtränkt ist. Mit dem unbedingten Willen zum Kalauer überzeichnet Puértolas seine Figuren allesamt gnadenlos und grotesk. Gerade die Roma, die der französische Autor in seinem Buch wenig gut dastehen lässt, fallen durch alberne Namen auf: Tom-Cruise Jesus Cortés Santamaria ist nur ein Beispiel der Albernheiten.

Zu loben ist die Übersetzung des famosen Übersetzers Hinrich Schmidt-Henkel, der es schafft, den sehr wortspiel-lastigen Humor des Franzosen wenigstens einigermaßen ins Deutsche hinüberzuretten.
Insgesamt ein Buch, das ganz klar auf die Leserschaft von Jonas Jonassons Mega-Bestseller des Hundertjährigen schielt. Ob das Buch ein solcher Erfolg wie in Frankreich (so verkündet es zumindest der Verlag auf dem Klappentext) wird, bleibt abzuwarten.

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Bernhard Aichner – Totenfrau

Eine Frau sieht schwarz

Sie haben ihr ihre große Liebe genommen – nun schlägt Blum zurück. Erbarmungslos verfolgt sie die Spuren der Mörder ihres Mannes und entdeckt eine unglaubliche Geschichte, die so unglaublich ist, dass Blum niemand glauben will.

So geht sie, die Geschichte, die das Gerüst von Bernhard Aichners Roman „Totenfrau“ bildet. Im Mittelpunkt seiner Erzählung steht Blum, eine höchst eigenwillige und kompromisslose Frau, deren Einführung auf den ersten Seiten den Leser schon einmal kräftig schlucken lassen dürfte. Als Bestatterin verdient sie ihr täglich Brot mit dem Herrichten und Unter-die-Erde-Bringen von Toten. Die Realitätsnähe der im Bestattungsinstitut spielenden Szenen ist auch der Tatsache geschuldet, dass der österreichische Autor selbst ein halbjähriges Praktikum bei einem Bestatter ableistete, um die Glaubwürdigkeit des Romans zu gewährleisten.

Der Inhalt von Aichners Rachegeschichte ist alles andere als die Neuerfindung des Rades. Die Art und Weise, mit der er aber seine Geschichte erzählt, nötigt mir aber Respekt ab.
Anhand eines minimalen Personaltableaus erzählt Aichner seine Geschichte, die trotz ihres Österreich-Settings höchst universell ist und deren Rechte dementsprechend auch schon in zahlreiche Länder verkauft wurden.

Schnell erzählt

Seine kurzen Kapitel sind schnell und hart geschrieben, Dialoge nimmt Aichner aus seinem Erzählfluss heraus und gibt diese nur als wörtliche Rede wieder. Hier zeigt sich auch das große Talent, wenn aus gewechselten Wörtern Gespräche werden, die den Leser mitzittern lassen und ihn das Schlimmste befürchten und auf das Beste hoffen lassen. Gerade der Dialog mit einem Polizisten in der Mitte des Romans ragt hier heraus. Bei Aichner sind Gespräche nicht nur Mittel zum Zweck, sie sind elementarer Bestandteil des Plots, die die Spannung weter vorantreiben. Das ist stark gemacht!

Blum kann in ihrer Kompromisslosigkeit als österreichische Antwort auf Lisbeth Salander gelten. Die Totenfrau ist eine Rachegeschichte, die in ihrer Radikalität noch lange nachhallt. Außergewöhnlich gut!

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Per Leo – Flut und Boden

Die Familie als Steinbruch

Von der Dissertation zum Roman – diesen nicht alltäglichen Weg beschritt Per Leo mit seinem Roman „Flut und Boden“. Ursprünglich als Dissertation über den Graphologen Ludwig Klages konzipiert, stieß er schon bald auf familiäre Verstrickungen ins Dritte Reich. Er beschäftigte er sich daraufhin mit seiner Familiengeschichte intensiver und das Endergebnis seiner Forschung ist nun der Roman „Flut und Boden“.

Per Leo nutzt die seine Familiengeschichte als Steinbruch, an der er sich abarbeitet, die Quell der Inspiration ist und die in ihrer Ambivalenz sinnbildlich für das Nachkriegsdeutschland steht. Dabei wagt Per Leo einen wilden Parforceritt durch die Familiengeschichte, Familienmitglieder werden zu Chiffren abgekürzt und der Duktus seiner Erzählung ist auch raschen Veränderungen unterworfen. Mal erzählt Leo mäandernd und detailversessen, dann wechselt er wieder ins Harte, Staccatohafte. „Flut und Boden“ hat keinen richtigen Erzählrhythmus, die einzelnen Kapitel wirken selbst ins sich nicht geschlossen, sondern sind viel mehr Collagen.

Die Frage, die mich umtrieb, war folgende: Kann man „Flut und Boden“ eigentlich als Familienroman bezeichnen? Natürlich ist es der Roman über eine Familie, aber das Buch Leos ist weit weg von jeder Behäbigkeit und gravitätisch chronologischer Abfolge. Diese Familiengeschichte ist weniger „Buddenbrooks“ denn mehr schneller Musikclip durch die Jahrzehnte. Leos Montagetechnik ringt dem doch schon recht zu Tode erzählten Familienroman-Genre neue Seiten ab und lohnt das Entdeckt-Werden!

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