Graham Swift – Ein Festtag

Eine wunderbare Novelle hat Graham Swift mit Ein Festtag bzw. dem im englischen Original noch passenderen Titel Mothering Sunday geschaffen. Denn an jenem Muttertag im Jahr 1924 trägt sich ganz und gar Unerhörtes zu …

Der Muttertag war beziehungsweise ist Anlass für die gutbetuchten Familien auf dem englischen Land, den Hausangestellten freizugeben und zu einem Ausflug ins Grüne aufzubrechen. Im Hause Beechwood ist diesmal die Atmosphäre eine ganz besondere. Denn die Hochzeit der Sprösslinge zweier Clans steht kurz bevor. Auch das Gesinde ist von der Atmosphäre angesteckt – besonders aber die junge Hausangestellte Jane Fairchild, die hierfür auch einen speziellen Grund hat.

Denn seit Jugendjahren pflegt sie mit dem Bräutigam in spe eine Affäre, erst gegen Geld, später aus Gewohnheit. Und auch jener Muttertag ist eigentlich eine günstige Gelegenheit, die Bewohner sind aus den Herrenhäusern ausgeflogen und niemand stört die Zweisamkeit der beiden. So begibt sich Jane mit dem Rad zum Anwesen ihres Geliebten, um ungestörte Stunden mit ihm zu verbringen. Ein Muttertag nimmt seinen Lauf, der am Ende des Tages Janes ganzes weiteres Leben prägen wird.

Ein Festtag ist eher eine Novelle denn ein Roman. Schmale 144 Seiten umfasst das Buch und ist sehr reduziert. Kern ist die unerhörte Begebenheit der Affäre von Bräutigam und Hausangestellter, die nicht nur im Lichte der Jugend, sondern auch in der Retrospektive geschildert wird. Denn Janes hochbetagtes Ich kommt in der Novelle ebenfalls zu Wort, die jenes Geschehen im März 1924 reflektiert und nostalgisch Rückschau hält.

Graham Swift gelingt es in seinem Roman, eine stimmungsvolle und über allem schwebende Atmosphäre zu kreiern, die den Leser gefangen nimmt. Die Downton-Abbey-Atmosphäre wirkt wie aus der Zeit gefallen. Doch antiquiert ist das Buch keineswegs, vielmehr ist es stilistisch gut gearbeitet und von Susanne Höbel auch adäquat ins Deutsche übersetzt worden. Ein leichtes, fast schwebendes Buch über Begehren, Anziehung, Erotik und nicht zuletzt die Literatur selbst. Zu recht fand sich dieser Titel auch auf der SWR-Bestenliste!

 

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