Liz Moore – Der Gott des Waldes

Das Verschwinden einer jungen Frau steht im Mittelpunkt des neuen Buchs von Liz Moore. Doch nicht nur die Komposition ihres Romans ist ambitioniert – auch zeichnet ihr Roman Der Gott des Waldes ein Bild des Geldadels in Amerika und der besonderer Regeln, die für diesen gelten.


„Camp Emerson“, hatte er zu ihr gesagt. „Ein paar Stunden den Adirondack Northway hoch, im Van-Laar-Naturreservat“. Louise hatte ihn überrascht angesehen. „Das kenne ich“.

Liz Moore – Der Gott des Waldes

Nicht nur Louise kennt dieses Camp, das einen der zentralen Schauplätze von Liz Moores Roman bildet. Alle Familien aus Neuengland, die etwas auf sich halten, schicken ihre Kinder in das Camp Emerson, wo diese während des Sommers ein besonderes Ferienlager erleben. Unter Leitung von T. J. Hewitt sind die Kinder in unterschiedlichen Hütten untergebracht, wo sie der Aufsicht von Betreuerinnen und Auszubildenden unterstehen. Lagerfeuer, Übungen, Spaß aber auch am Ende des Sommers ein mehrtägiges Überlebenstraining im Wald stehen auf dem Plan des elitären Camps.

Hier verschwindet Barbara van Laar, die Tochter der Besitzer jener Güter in den Adirondacks, auf denen sich das Camp befindet, das einst von Peter van Laar begründet wurde. Besonders brisant wird dieses Verschwinden der Erbin der van Laars, da nicht nur Barbara verschwunden ist. Vor vierzehn Jahren verschwand dort im Wald ihrer Bruder Bear van Laar ebenfalls spurlos. Hat dieses Verschwinden eventuell etwas mit dem Serienmörder Jacob Sluiter zu tun, dem dort in den Adirondacks zahlreiche Morde zur Last gelegt werden?

Eine Meisterin der Erzählstruktur

Liz Moore - Der Gott des Waldes (Cover)

Mit Der Gott des Waldes erweist sich Liz Moore erneut als grandiose Bastlerin, die Erzählebenen und -stränge miteinander aufs Beste verknotet und verknüpft. War ihr Roman Long bright river in seiner Doppelmontage der Erzählperspektiven der zwei unterschiedlichen Schwestern fein gearbeitet, steigert sie hier den Schwierigkeitsgrad noch einmal um ein vielfaches. So sind es nicht nur über ein halbes Dutzend Figuren von der jungen Ermittlerin Judyta bis hin zu Jacob Sluiter, deren Perspektive Liz Moore schildert.

Sie verschränkt in ihrem Roman auch verschiedene Zeitebenen miteinander. Die Suche nach der verschwundenen Barbara van Laar und die Ermittlungsarbeiten über mehrere Tage hinweg nehmen einen großen Raum ein. Das Verständnis der aktuellen Ereignisse würde allerdings nicht ohne die Kenntnis der Geschehnisse rund um das Verschwinden von Bear van Laar vor vierzehn Jahren funktionieren. Dementsprechend nimmt auch die Erzählung im diese Ereignisse im Sommer 1961 eine zentrale Funktion ein. Darüber hinaus greift Liz Moore in ihrem Erzählen noch weiter aus, indem sie auch das Schicksal von Bears und Barbaras Mutter Alice van Laar in eingestreuten Rückblenden erzählt.

Spannend, erzählerisch ausgefeilt und komplex

Wo aus einer derartigen Konstruktion viel Chaos und Unübersichtlichkeit erwachsen könnte, ist es bei Liz Moore eine große Übersichtlichkeit, die daraus erwächst und die durch die vielen Sprünge vor allem Spannung und Drive für die umfangreiche Erzählung generiert. Ähnlich versiert wie Joel Dicker mit seinen vielfachen Rückblenden ist auch hier Abwechslung garantiert, ohne dass die Orientierung in der Geschichte an einer Stelle auch nur unter der Vielzahl an Stimmen und Zeiten leidet.

So gelingt Liz Moore eine stets vorantreibende Erzählung, die neben der Frage über das Schicksal Bear van Laars vor vierzehn Jahren oder das aktuelle Verschwinden von Barbara auch viel über den Geldadel dort an der Westküste erzählt Die besonderen Rechte, die mit Geld einherzugehen scheinen, die gar nicht ausbuchstabierte Möglichkeit, die Ermittlungen in eine für die Familie genehme Richtung zu lenken, die Skrupellosigkeit, mit der man sich falsche Verdächtige zurechtlegt bis hin zu fatalen Konsequenzen und ganz generell die Abhängigkeiten, die mit dem immensen Reichtum der Familie van Laar einhergehen.

All das schwingt in der Der Gott des Waldes mit und macht das Buch zu einem fabelhaften Spannungs- und Gesellschaftsroman, dessen Status als New York Times Bestseller und Empfehlungsbuch von der Lektüreliste Barack Obamas nach der Lektüre als absolut folgerichtig erscheint.

Fazit

Dieses Buch ist ein Glücksfall, ist es doch in seiner erzählerischen Anlage reichlich komplex aber nie kompliziert, erzählt es vom Verschwinden und der Nonchalance alten Geldes und nimmt Der Gott des Waldes nicht zuletzt auch mit in die Wälder der Adirondacks zwischen Ferienlager und Survivaltraining. Liz Moore gelingt ein fabelhafter Spannungsroman mit gesellschaftlichem Anspruch, der ein wenig an Wes Andersons Film Moonrise Kingdom aus dem Jahr 2012 erinnert, der aber im Vergleich zu Andersons Werk deutlich düsterer und vielgestaltiger daherkommt. Ein großer Spannungsroman und schon jetzt eines der Buchhighlights dieses Jahres!


  • Liz Moore – Der Gott des Waldes
  • Aus dem Englischen von Cornelius Hartz
  • ISBN 978-3-406-82977-2 (C. H. Beck)
  • 590 Seiten. Preis: 26,00 €
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