In den Fängen der Lügenpresse
In Zeiten, in denen das Wort der Lügenpresse aus dem öffentlichen Diskurs kaum mehr wegzudenken ist, Wahlschlachten eher über Gefühle denn über Fakten entschieden werden und die Manipulation ein probates Mittel zur Skandalisierung und Zuspitzung geworden ist, gießt dieser Roman des tasmanischen Schriftstellers Richard Flanagan Öl ins Feuer.
Er erzählt in Die unbekannte Terroristin von vier Tagen im Leben von Gina Davies, nach denen nichts mehr so ist wie es war. Davies – genannt die Puppe – verdingt sich in einem Striplokal in Sydney als Tänzerin. Inmitten der schmieriger Kunden und des heruntergekommenen Ambientes gilt ihr Augenmerk eigentlich nur dem Geld, das sie mehrt und mehrt. Doch dann macht sie die Bekanntschaft mit Tariq und beschließt aus einem Affekt heraus, die Nacht mit ihm zu verbringen, ohne zu ahnen, dass damit ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten wird.
Denn im Post-11.September-Fieber wurden von der australischen Regierung strenge Terrorgesetze erlassen und als nun in einem Fußballstadion in Sydney drei Kinderrucksäcke mit Bomben entdeckt werden, beginnt ein Alarmismus und eine Hysterie, in dessen Mitte unversehens die Puppe rückt. Von den Medien wird nämlich Tariq als Hauptverdächtiger für den Anschlagsversuch gebrandmarkt und Gina, die mit ihm die Nacht verbrachte, avanciert in den vier Tagen, von denen der Roman erzählt, zur unbekannten Terroristin.
Die Medien, allen voran der windige Moderator Richard Cody, der die Puppe aus dem Striplokal kennt, eröffnen eine Hexenjagd. Stündlich werden die Kreise größer, die die Geschichte zieht und Gina Davies ist schon bald nicht mehr eine gesuchte Zeugin sondern die Haupttäterin des Terrorversuchs. Immer hysterischer heizen die Medien die Spekulationen an und entfachen aus der Glut der Lügen und Manipulationen einen hell lodernden Scheiterhaufen, auf dem die Puppe brennen soll. Und die Puppe beschließt zu flüchten.
Neu ist das vorliegende Buch von Richard Flanagan nicht. Es ist im Original bereits 2006 erschienen, hat aber auch jetzt – oder gerade jetzt – noch eine hohe Sprengkraft. Er beschreibt in Die unbekannte Terroristin eine fiebrige Welt, in der in der Öffentlichkeit die Spekulationen über gesichterte Erkenntnisse triumphieren – ein Faktum, das auch in Deutschland in den letzten Monaten wieder vermehrt zu beobachten war. Statt neruhe utral die gesichterten Erkenntnisse zu zirkulieren, stiften die Medien immer mehr Unruhe und erzeugen Hektik statt sich auf Seriosität und zu besinnen.
In seinem Roman operiert Richard Flangan nur mit einem minimalistischen Setting. Vier Tage genügen ihm, um die Welt einer jungen Frau völlig aus den Angeln zu heben. Nur eine handvoll Charaktere bestreiten das ganze Geschehen, die meisten von ihnen getrieben von egoistischen Motiven und das immer gehetzter. Dies ist literarisch ganz gut gelungen und entfaltet im Laufe der vier Hauptkapitel eine immer größer werdendere Sogwirkung.
Einzig der Kniff den Namen der Protagonistin Gina Davies eigentlich das komplette Buch über zu verschweigen und nur von der Puppe zu sprechen will mir nicht ganz einleuchten. Zwar gibt es dramaturgische Gründe hierfür, sie rechtfertigen in meinen Augen diesen Manierismus allerdings nicht. Er bringt die Geschichte nicht voran und hätte besser gelöst werden können.
Davon abgesehen ist dieser Roman auch eine Dekade nach seinem Erscheinen noch ein lesenswertes Buch mit einem geschmackvollen Cover, das eine beängstigende Sicht auf die Macht der Medien und ihren Einfluss auf das Schicksal einzelner bietet.
Eine schöne Rezension die Lust auf das Buch macht. Das Thema finde ich eh sehr interessant und gerade in der heutigen Zeit ist es wohl aktueller den je, sich damit zu beschäftigen.
Danke für den Buchtipp.
Liebe Grüße
Vielen Dank für deine Worte – ich kann das Buch wirklich empfehlen!
Beste Grüße