Tade Thompson – Wild Card

Ist das eine Ermittlungsmethode? Ewige Skepsis?“. Die Frage kam leise.

„Ich habe keine Methoden“, antwortete ich wahrheitsgetreu.

Tade Thompson – Wild Card, S. 195

Mitten hinein in einen Hexenkessel aus Bürgerkrieg, Mord und Überlebenskampf führt Tade Thompson in seinem Thriller Wild Card. Bekanntheit erlangte der nigerianische Autor mit seiner Wormwood-Trilogie, die man dem Genre des Afrofuturismus zurechnen kann und deren Auftaktband Rosewater mit dem Arthur C. Clarke-Award ausgezeichnet wurde. Doch von Science-Fiction ist in seinem ursprünglich 2015 erschienen Roman Wild Card keine Spur. Stattdessen legt er hier einen Thriller reinsten Wassers vor, der in den fiktiven afrikanischen Staat Alcacia entführt.

Eine kleine Lüge mit großen Auswirkungen

Tade Thompson - Wild Card (Cover)

Dorthin fliegt Weston Kogi, um der Beerdigung seiner Tante beizuwohnen. Eigentlich lebt er inzwischen in England und verdingt sich als Wachmann, doch die familiären Banden innerhalb der Yoruba sind stark. Und so kommt Weston zurück in das Land, aus dem er einst aufgrund des Bürgerkriegs floh. Die Lage hat sich inzwischen beruhigt und auch die Beerdigung geht reibungslos über die Bühne. Doch für Kogi halten die Feierlichkeiten trotzdem ein dickes Ende bereit. Einem ehemaligen Schulkameraden gegenüber gibt er den Aufschneider. So behauptet er, bei der Mordkommission der englischen Polizei angestellt zu sein. Eine Lüge, die sich als fatal erweisen soll.

Den nach der Feier wird er von der Liberation Front of Alcacia gekidnappt. Diese möchte, dass er den Mord an einem hochangesehenen Politiker aufklärt und die Verantwortlichen für den Mord bei der People Christian’s Army findet. Doch kaum ist Weston Kogi aus den Fängen der LFA entlassen, wird er einmal mehr entführt. Nun ist es die PCA, die von Weston Kogi die Aufklärung des Mordes an dem Politiker verlangt. Und die Schuld soll er – keine große Überraschung – bei der LFA finden. So sitzt Weston Kogi gehörig in der Klemme, steht er doch zwischen den beiden verfeindeten Rebellengruppen und hat darüber hinaus keine Ahnung, wie das geht: einen Mord aufklären.

Immer wieder flackert Gewalt auf

Bei seiner Suche nach den Hintergründen für den Mordanschlag erlebt er die ganze Grausamkeit und den Wahnsinn am eigenen Leib. Banden, Geheimpolizei, Verbündete, die ein doppeltes Spiel treiben gibt es in Alcacia an jeder Ecke. Mit Weston Kogi möchte man da nicht tauschen.

Dabei scheut sich Tade Thompson auch nicht vor expliziten Szenen, um die Gräuel in Alcacia zu bezeichnen. Immer wieder flackern Momente größte Gewalt und Brutalität auf. Leichen werden zerstückelt, Menschen werden von Landminen in die Luft gesprengt. Missbrauch und Unterdrückung sind an der Tagesordnung. Das muss man aushalten können. Vor allem aber ist es die Ahnung, dass die hier beschriebenen Szenen doch wohl nur Abziehbilder der Gewalt sind, die in vielen afrikanischen Staaten tatsächlich grassiert. Das inzwischen so abgenutzt Schlagwort vom afrikanischen Bürgerkrieg wird hier wieder neu mit Bedeutung aufgeladen.

Eine bestechende Grundidee

Bestechend ist ja die Grundidee dieses Krimis. Eine aufschneiderischer Ex-Alcacianer, der nun mit den Auswirkungen seiner Flunkereien zu kämpfen hat. Allerding macht Tade Thompson für mein Gefühl zu wenig aus der Grundidee. Schnell mutiert Kogi vom Lügner zum tatsächlichen Ermittler, der sämtlichen Spuren nachgeht, Verhöre führt, die ihn weiterbringen und immer weiß, wie es gerade weitergeht in dem Schlamassel, in dem er steckt. Er liest sich dann als Ermittler wider Willen doch recht austauschbar, da er dann genau das macht, was alle anderen Ermittler*innen in solchen Situationen auch machen würden. Egal wie oft er zusammengeschlagen, misshandelt und malträtiert wird – wenig später fährt er unbeirrt und stoisch mit seinen Ermittlungen fort. Ein kriminalistisches Stehaufmännchen reinsten Wassers, dem man seinen früheren Job in England angesichts dieses Talents nicht so richtig abnimmt.

Auch wenn Kogi behauptet, dass er keine eigene Methode habe – Tade Thompson lässt ihn durchaus zielgerichtet im Nebel stochern. Hier hätte man durchaus mit Kogis Nicht-Eignung für den Job spielen können, um den Thriller noch etwas origineller und unverwechselbarer zu gestalten.

Fazit

Davon abgesehen ist Wild Card ein prima Thriller, der mit seinem Schauplatz und Thema andere Wege geht, anstelle einen weiteren Serienkiller-Thriller aus Europa oder Cop-Thriller aus Übersee zu präsentieren. Gelungene Unterhaltung mit leichten Abstrichen, relevant und außergewöhnlich.


  • Tade Thompson – Wild Card
  • Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet
  • ISBN 978-3-518-47151-7 (Suhrkamp)
  • 329 Seiten. Preis: 11,95 €
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