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Adania Shibli – Eine Nebensache

Nein, eine Nebensache ist es wirklich nicht, die Adania Shibli schildert, auch wenn sie das für manche Figuren in Shiblis Buch sein mag. Die 1974 in Palästina geborene Autorin erzählt in Eine Nebensache von dem Missbrauch und Mord an einem Mädchen in der Wüste Negev im Jahr 1949 und von einer Frau, die sich 25 Jahre später auf die Spuren des ermordeten Mädchens begibt.


Die einzige Bewegung war das Flirren einer Fata Morgana. Kahle, weite Flächen schichteten sich bis an den Rand des Himmels und zitterten in der Luftspiegelung, während das glühende Licht der der Nachmittagssonne die Silhouette sandiger blassgelber Hügel fast verwischte. Die Erhebungen waren kaum zu unterscheiden und schlängelten ziellos aneinander vorbei, ab und an durchbrochen von den dünnen Schatten trockener Distelstauden und von Steinen, die wie Tüpfel über die Hänge verteilt lagen. Mehr war da nicht. Die Ödnis der Negev-Wüste erstreckte sich endlos unter der Last der Augusthitze.

Adania Shibli – Eine Nebensache, S. 5

So stellt sich die Wüste dar, in der eine Militäreinheit im August 1949 ihr Camp errichtet hat. Sie halten Manöver ab und patrouillieren im israelischen Grenzgebiet. Das Waffenstillstandsabkommen mit den Nachbarstaaten ist gerade einmal ein halbes Jahr alt, und so herrscht unter den Soldaten Wachsamkeit. Am Morgen des 12. Augusts entdecken Truppen in einer Oase eine Gruppe arabischer Männer, die von den Soldaten erschossen werden. Nur ein junges Mädchen und ihren Hund verschonen die Truppen, um beide mit ins Militärcamp zu nehmen.

Das Verbrechen der Soldaten

Adania Shibli - Eine Nebensache (Cover)

Nach einer übergriffigen Reinigung stellt der Kommandant das Mädchen seiner Truppe zur Verfügung. Er selbst versucht Normalität und Autorität vorzuschützen, während er nach einem Tierbiss deliriert und kaum mehr gehen und stehen kann. Und doch vergewaltigt auch er das junge Mädchen in seiner Unterkunft wie viele weitere Männer. Nach diesen Taten erschießen die Soldaten die Frau und verscharren sie anonym in der Wüste.

Es ist diese schwer fassliche Tat, die die namenlose Ich-Erzählerin im zweiten Teil des Buchs nicht mehr loslässt. In einer Zeitung hat sie einen kleinen Artikel über den Vorfall gelesen, der sie seitdem umtreibt. Gerade die Tatsache, dass sich das Martyrium des jungen Mädchens auf den Tag 25 Jahre vor ihrer Geburt abgespielt hat, beschäftigt sie. Und zwar so sehr, dass sie beschließt, den Ort des Verbrechens aufzusuchen und nach Spuren der damaligen Tat zu suchen.

In Zeiten der Anspannung zwischen Israel und Palästina wahrlich kein leichtes Vorhaben, besonders wenn man an Panikattacken und einer Angststörung leidet. Und doch mietet sich die Frau mithilfe von Kollegen ein Auto, begibt sich aus den überwachten Sektoren von Ramallah gen Negev und versucht Spuren des Mädchens und seinen Todesort zu finden.

Ein Buch in zwei Teilen

Diese zwei Hälften ergeben Adania Shiblis Geschichte, die von Leid, Brutalität, dem komplizierten Miteinander in Israel und von einer unfasslichen Tat erzählt. Während der Soldat und das Mädchen im ersten Teil des Buchs wenig Profil erhalten und auch durch die auktoriale Erzählweise wie hingetupft wirken, ist es im zweiten Teil die namenlose Ich-Erzählerin, die umso präsenter und klarer wirkt, wenngleich sie keinen Namen erhält. Ihre vielen Ängste, der permanente Druck, unter dem sie steht, der allgegenwärtige Terror und die nie enden wollende Gewaltspirale, durch die Augen der Ich-Erzählerin bekommen wir all das mit.

Während sie vergeblich versucht, das Schicksal des Mädchens genauer zu lokalisieren und etwas Greifbares in Händen zu halten, lernt sie das Schicksal einer Kibbuz-Gruppe kennen und erlebt die Weite der Negev am eigenen Leib. Mit nur wenigen Szenen gelingt es Adania Shibli, das Leben im Grenzland, die Nachwirkungen von Gewalt und Krieg und die Gefährlichkeit von Männern ohne Kontrolle in Worte zu fassen.

Fazit

Eine Nebensache ist eine knappe, aber intensive Geschichte aus dem israelisch-palästinensischen Grenzland, die auch besonders durch ihr bitteres Ende eine große Eindringlichkeit entfaltet. Die Übersetzung von Günther Orth aus dem Arabischen überzeugt ebenfalls, sodass diesem Buch gerade in diesen Zeiten voller Krieg, Gewalt und Grenzüberschreitungen eine besondere Bedeutung zukommt.


  • Adania Shibli – Eine Nebensache
  • Aus dem Arabischen von Günther Orth
  • ISBN 9783-949203-21-3 (Berenberg)
  • 116 SEiten. Preis: 22,00 €
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