2020 ist ein Krisenjahr. Das gilt auch für die Buch- und Literaturbranche. Warum dieses Jahr trotz des Alters von gerade einmal drei Monaten schon jetzt weg kann.
Selten hatte man nach drei Monaten eines literarischen Jahres so sehr das Bedürfnis, entweder die Zeit noch einmal auf Jahresbeginn zurückzustellen oder alternativ gleich die restlichen Monate bis zum neuen Jahr vorzuspulen. Denn das, was 2020 in diesen wenigen Monaten für die Literaturbranche bereithielt, das möchte man doch am liebsten vergessen und ganz schnell noch einmal von vorne beginnen.
Nur damit wir uns richtig verstehen: natürlich sind die Folgen von Corona und Co außerhalb der Buchbranche noch deutlich verheerender, mitunter sogar tödlich, gar keine Frage. Aber auch für die Buch- und Literaturbranche sind diese Tage teilweise existenzbedrohend. Und nachdem ich hier einen Literaturblog betreibe, will ich mich auf die Analyse dieses bisher so bescheidenen Monate kaprizieren und zeigen, warum dieses Jahr schon jetzt in die Tonne kann. Und das in mehrfacher Hinsicht.
Das Feuilleton
In diesem bisherigen Jahr hat sich das Feuilleton wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Absurder Höhepunkt sicherlich die Debatte um Uwe Tellkamp und seinen irgendwann demächst erscheinenden Roman Lava. Der ist bislang noch nicht erschienen, obwohl man im Feuilleton der Welt meinte, er läge schon lange vor und sollte aufgrund der Haltung Tellkamps, der schon gerne einmal die Meinungskorridore enger werden sieht und sich an die DDR-Verhältnisse erinnert fühlt, nicht mehr veröffentlicht werden. Zensur! Ein missliebiger ostdeutscher Schriftsteller, der mundtot gemacht werden soll!
Für die Welt stand schnell fest, dass hier ein echter Skandal vertuscht werden sollte. Deshalb schnell die Feder gespitzt, auch noch fix eine Intellektuellen-Umfrage initiiert mit der Frage, ob man wirklich nicht mehr alles sagen und schreiben dürfe in diesem Land. Viel Geraune, viel nebulöse Andeutung, bis sich dann herausstellte: Tellkamps Buch wird beim Suhrkamp-Verlag gerade einfach nur redigiert und erscheint wahrscheinlich nächstes Jahr. Eine alberne Aufblähung eines Möchtegern-Skandales, an dessen Ende einfach mal wieder Shakespeare steht. Much ado about nothing!
Auch wurden die Debatten um andere Aufreger-Themen, wie etwa das #frauenzählen in Verlagsvorschauen oder das Erscheinen von Woody Allens Biografie auf einem teilweise doch recht fragwürdigen Niveau geführt. Da hätte man seine Energie doch besser in die Vermittlung von lesenswerten Büchern gesteckt.
Auch drängte sich im Feuilleton 2020 bislang der Eindruck auf, dass man auch in diesem Jahrzehnt die Abwertung von Frauen und die literarische Gagatheorie „Frauen – Unterhaltung“, „Männer – Literatur“ weiter munter fortschrieb. Beispielsweise Volker Weidermann im Spiegel über die neue Verlegerin des Rowohlt-Verlags, Nicola Bartels.
Aber da sind wir ja auch schon beim nächsten Thema – bei Rowohlt und der Verlagswelt.
Die Verlagswelt
Auch in der Verlagsbranche brachte 2020 wenig Gutes. Da war schon einmal Monsieur-Ex Florian Illies, der nach nur wenigen Monaten seinen Job als Rowohlt-Verleger wieder hinschmiss. Für Sandra Kegel in der FAZ eine peinliche Party. Und für Illies nur ein weiteres Ex-Prädikat, von denen er nun schon einige hat: Ex-Angestellter bei der Zeit, bei der FAS, bei einem Auktionshaus, bei einem Kunstmagazin. Und nun auch Ex-Verleger, nach ein paar Monaten. Einen Job, für den man zuvor die erfolgreiche Barbara Laugwitz höchst unrühmlich abgesägt hatte. Stabilität und Konstanz sieht anders aus.
Und dann kam auch schon Corona. Obwohl man zuvor noch behauptet hatte, die Leizpiger Buchmesse finde sicher statt, wurde sie dann wenige Tage später doch abgesagt. Die richtige Entscheidung, wie die rasant steigenden Fall- und Todeszahlen dann schnell zeigen sollten, obwohl auch ich ob der ganzen erfolgten Vorplanung zunächst enttäuscht war.
Was bei mir im kleinen zutrifft, trifft die Verlage ja deutlich härter. Gebuchte Hotelbetten, Fahrtkosten, Messebauer, geplante Veranstaltungen. Der Ausfall ist massiv und schlägt vor allem bei den kleinen und unabhängigen Verlage am gravierendsten durch, die in keine Konzernstrukturen eingebunden sind und über so etwas wie Rücklagen nicht verfügen. Besonders die Leipziger Buchmesse ist ja immer eine Publikumsmesse, bei der man für die Frühjahrsprogramme und Spitzentitel werben kann. Eine Möglichkeit, die dieses Jahr völlig wegfiel. Manch einer nahm das auch mit Humor, wie etwa Benjamin Quaderer, dessen Spitzentitel Am Ende die Alpen eigentlich dank Messe und Co viel Aufmerksamkeit hätte erhalten sollen.
Kleiner Trost – immerhin hier kommt bald eine Besprechung dieses wirklich lesenswerten Buchs. Dennoch ist der Ausfall von Öffentlichkeit, Absatzmöglichkeiten und Gewinn für die Verlage wirklich gravierend. In dieser Hinsicht ist auch eine traurige Nachricht abseits der ausgefallenen Leipziger Buchmesse zu vermelden:
Der Kleinverlag Binooki ist insolvent und muss den Betrieb einstellen. Der von zwei Schwestern betriebene Verlag hatte sich um den Transfer von türkischen Autor*innen ins Deutsche verdient gemacht und muss doch nun aufgrund eines Betrügers Insolvenz anmelden. Auch auf diese Nachricht hätte man verzichten können.
Der Buchhandel
Und dann ist da nicht zuletzt auch noch die Buchhandelsbranche. Sie trifft die Corona-Krise nun besonders hart. Während für die meisten Kund*innen wohl der Klick bei Amazon und Co. am einfachsten erscheint, fürchten viele Buchhandlungen um ihre Existenz. Die Laufkundschaft, die normalerweise die Umsatzzahlen generiert, fällt völlig weg. Bis auf Berlin mussten überall die Buchhandlungen schließen, da ihnen laut politischen Richtlinien keine Systemrelevanz zukommt. Darüber könnte man natürlich trefflich streiten. Fakt ist allerdings, dass sich die Buchhändler*innen so neue Wege überlegen müssen, um ihre Kund*innen zu erreichen und weiterhin den Umsatz zu generieren, der ihnen ein Forbestehen ihrer Läden ermöglicht.
Die Wichtigkeit von Online-Präsenzen und Webshops wird in der Corona-Krise einmal mehr augenfällig. Verschiedene Kampagnen und Initiativen von Verlagen und Buchhandlungen versuchen auch gegenzusteuern. Und auch ich möchte mit einem Appell enden.
In Zeiten, in denen ein Online-Gigant wie Amazon Büchern keine hohe Priorität mehr einräumt und diese zugunsten von Lebensmittelzustellungen zurückstellt, gibt es in meinen Augen keinen einzigen Grund, einen solchen Marktmonopolisten weiter zu stärken. Im Gegenteil. Die Buchhandlungen werden nach wie vor täglich von den Zwischenbuchhändlern beliefert. Bestellte Bücher werden so deutlich schneller geliefert – und von vielen Buchhandlungen neuerdings sogar persönlich zugestellt. So seien an dieser Stelle nur kursorisch ein paar lokale Buchhandlungen genannt, die diesen Service anbieten. Ruft einfach eure Buchhändler*innen an und fragt nach – sie werden euch sicher gerne beliefern. Denn gerade in diesen Zeiten sollte ein Besinnen auf lokales Kaufverhalten und eine Unterstützung der Aktiven vor Ort das Gebot der Stunde sein. Schließlich wäre es schön, wenn die Buchhandels- und Verlagswelt nach der Corona-Krise noch die alte wäre. Insofern: Buy local!
Diese Buchhandlungen liefern nach Hause
Berlin: Ocelot, Uslar & Rai, Buchbox
Nürnberg: Buchhandlung Jakob
Hanau: Buchladen am Freiheitsplatz
Ansbach: Buchhandlung Seyerlein
Ulm: Aegis
München: Glatteis, Buch in der Au, CoLibris
Augsburg: Schlosser’sche Buchhandlung, Buchhandlung am Obstmarkt, Bücher Max
Titelbild: Pexels
Bild Tellkamp: By Smalltown Boy – Transferred from de.wikipedia to Commons., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6213358
Uslar&Rai: Homepage