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Elisa Hoven – Dunkle Momente

Mit Dunkle Momente veröffentlicht der S. Fischer Verlag das literarische Debüt einer echten juristischen Koryphäe. Denn nicht nur, dass Elisa Hoven Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof ist. Sie lehrt auch als Professorin für Strafrecht an der Universität Leipzig und arbeitete in Harvard, erhielt Preise für ihre Dissertation wie auch für ihre Habilitation. Dass sie sich nun in ihrem literarischen Debüt ebenfalls auf dem Gebiet des Rechts und des Unrechts umtut, das überrascht wenig.


Es war im Jahr 2009, da Ferdinand von Schirach seinen ersten Erzählband unter dem Titel Verbrechen veröffentlichte. Der vielbeachtete Bestseller löste eine ganze Welle an weiteren Fallgeschichten aus, wurde verfilmt und hat sicherlich auch einen Anteil am aktuell grassierenden Boom der True Crime-Podcasts und Bücher über wahre Verbrechen. Auch von Schirach selbst befeuerte den Trend und veröffentlichte schon ein Jahr später unter dem Titel Schuld fünfzehn weitere Erzählungen, die allesamt um Verbrechen und deren teilweise Aufklärung kreisen.

Nun betritt die Juraprofessorin und Verwaltungsrichterin Elisa Hoven den Boden, den Ferdinand von Schirach mit seinen Werken bereitet hat. Denn auch Dunkle Momente bietet Kriminalfälle beziehungsweise juristische Strafverfahren auf, mit denen sich Hovens Strafverteidigerin Eva Herbergen in ihrem beruflichen Leben beschäftigt hat. Eine Rückschau auf besondere Fälle soll es werden, was die Leser*innen im Folgenden erwartet, so suggeriert es der Prolog.

Dabei bilden die neun Fälle einen Querschnitt der Themen ab, mit denen sich die Autorin Elisa Hoven beruflich beschäftigt. Vom Feld des Sexualstrafrechts im Fall einer Gruppenvergewaltigung (Siebter Fall: Vergewaltigung – was starke Erinnerungen an Ferdinand von Schirachs Auftakterzählung Volksfest aus dem Band Verbrechen weckt, nur dass hier statt einer Blaskapelle ein Junggesellenabschied im Mittelpunkt steht), bis hin zum neunten Fall Stefan Heinrich, der in seiner Themensetzung an Hovens Habilitationsthema erinnert, die sich ebenfalls mit dem Thema der Strafverfolgung von Auslandsbestechung beschäftigte, ist in diesem Buch alles dabei.

Der Bruch des Vorhersehbaren

Elisa Hoven - Dunkle Momente (Cover)

Die neun Fälle, die die Strafverteidigerin Eva Herbergen hier noch einmal nachzeichnet, kreisen allesamt um einen Bruch des Vorhersehbaren, die titelgebenden Dunkle Momente. In diesen Momenten kippt das Leben, mal ist das Verbrechen der dunkle Momente, manchmal auch eine Enthüllung im Nachgang des Verbrechens, der durch die juristische Aufarbeitung freigelegt wird.

So erzählt sie unter anderem von einem alten Millionär, dem sie unbeabsichtigt bei der Vermeidung einer Verurteilung in einer Mordsache half. Ein Mandat erweist sich als deutlich gewiefter und intrigant als angenommen. In Form der Verteidigung eines Kindersoldaten findet sogar das Internationale Strafrecht ins Buch.

Für alle Fans von True Crime Erzählungen und den lakonischen Erzählungen Ferdinand von Schirachs dürfte das eine lockende Lektüre sein. Leider fehlt Hovens Erzählen im Vergleich mit dem Bestsellerautoren und Juristen aus München dabei die Prägnanz und Tiefe, die die Werke Schirachs so vielgelesen machen.

Literarisch eher schmale Kost

Denn literarisch gesehen ist Dunkle Momente eher schmale Kost. Dies beginnt schon bei der Bezeichnung eines Romans. Zwar gibt es durch den vorangesetzten Prolog so etwas wie eine Rahmenhandlung, sie fällt allerdings mehr als knapp aus. Eigentlich besteht Hovens Buch nur aus den neun Fällen, auf die zwar in einigen Passagen untereinander Bezug genommen wird. Im Ganzen hat dieses Buch aber eher einen episodalen Charakter.

Daran wäre ja eigentlich nichts auszusetzen, wenn Hoven ihr Erzählen variieren würde. Leider sind aber alle neun Fälle nach dem gleichen Strickmuster erzählt. Eine Exposition des Falles, ein Einstieg der Strafverteidigerin, der Beginn des Prozesses und eine überraschende Wendung, die die von Eva Herbergen verteidigten Mandant*innen in neuem Licht erscheinen lässt. Die Vielfalt der Fälle von Kannibalen bis zu Mordvertuschung, sie spiegelt sich in der Vielfalt des Erzählens leider nicht wieder. Schnell setzt ein gewisser Ermüdungseffekt angesichts der immer gleich gebauten neun Fälle ein.

Und auch sprachlich ist Dunkle Momente eher einfache Kost und fällt nicht unbedingt mit viel Stilwillen auf.

Peters Laune verbesserte sich, als ich ihm sagte, dass Thomas Webers Name auf dem Display stand. Die Webers wohnten damals in derselben Straße wie wir, nur einige Häuser weiter. Eine ruhige Gegend in Berlin-Zehlendorf, grün, Wälder und zwei Seen in der Nähe.

Wir hatten uns kurz nach ihrem Einzug auf einer Nachbarschaftsfeier kennengelernt. Larissa Weber war eine bekannte Frau, aber in Peters Welt war sie mehr als das, sie war ein Star. Wir beide hatten ihre Bücher gelesen, und Peter, der sonst einen Generalverdacht gegen alles hegte, was auf den Bestsellerlisten steht, war begeistert. Ich war nie ganz warm geworden mit ihren Romanen, sie waren unbestreitbar tiefsinnig, aber auch anstrengend und verworren. Anspruchsvoll und komplex, sagte Peter dann. Und schließlich ist er Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und nicht ich.

Elisa Hoven – Dunkle Momente, S. 47 f.

Anstrengend und verworren, das lässt sich über Dunkle Momente nun wirklich nicht sagen. Sehr deskriptiv und verwaltend, klar in der Struktur, aber auch wenig anschaulich und ins Innere der Figuren vordingend ist der Erzählstil, dem etwas mehr Raffinement gutgetan hätte. Eva Herbergen bleibt trotz eingestreuter Infos fast genauso blass wie die übrigen Figuren in ihren Geschichten. Und das ist schade, denn die Fälle hätten durchaus Potential, auch über ihren jeweiligen Bezugsrahmen hinauszuweisen.

Fazit

So ist Dunkle Momente eine Fallsammlung juristischer Mandate, die zeigt, dass Menschen und Schicksale nicht immer das sind, was sie scheinen. Das legt Elisa Hovens Verteidigerin Eva Herbergen in den Erinnerungen an ihre Fälle deutlich dar. Hätte Hoven sprachlich und strukturell die gleiche Vielfalt walten lassen, die die geschilderten Fälle kennzeichnet, hätte das Buch an Prägnanz und literarischem Gehalt gewonnen, so ist das Buch eine weitere Sammlung literarisierter Fallbeispiele, die im Zuge des Booms an True Crime sicherlich Absatz finden dürfte. Es bleibt zu wünschen, dass Elisa Hoven in ihrem zweiten Werk zu einer überzeugenderen Erzählstimme und Figurenanlage findet, denn ihre Schilderungen zeigen Potential.

Ebenfalls einen kritischen Blick wirft Timothy Sonderhüsken in seinem Blog Rabumm auf Elisa Hovens Debüt.


  • Elisa Hoven – Dunkle Momente
  • ISBN 978-3-10-397669-4 (S. Fischer)
  • 336 Seiten. Preis: 22,00 €
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