Dieser Thriller nimmt sein verhandeltes Thema ernst. Schon ab den ersten Seiten presst einen S. A. Cosby mit seinem Roman um einen eigentlich ausgestiegenen Fluchtwagenfahrer in den Sitz. Rasante Unterhaltung mit einem leider etwas überzogenen Gewaltanteil. Blacktop Wasteland.
Alles beginnt mit einem geheimen Rennen im Dinwiddie County, mitten im Nirgendwo von Virginia. Beauregard, genannt Bug, ist auf Vermittlung seines Cousins Kelvin angetreten, um mit seinem hochmotorisierten Duster ein Rennen zu fahren. Als Preisgeld locken einige hundert Dollar. Geld, das Bug gut gebrauchen kann, befindet er sich doch knöcheltief im Dispo. Seine Autowerkstatt wirft aufgrund von billiger Konkurrenz vor Ort kaum mehr etwas ab. Seine Kinder brauchen Geld für die Schule, die Kreditkarten sind ausgereizt. Und so versucht er dieser prekären Situation mithilfe eins Autorennens zu entkommen. Doch das Rennen geht schief und Beauregard steht ähnlich klamm wie zuvor da.
Da wird Bug rückfällig und dient sich lokalen Gangstern noch einmal als Fluchtwagenfahrer an. Zusammen mit zwei wenig intellektuellen Amateurgangstern will er einen Juwelier überfallen, um sich so seine Schulden vom Hals zu schaffen und seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch wie es zumeist bei solchen Geschichten der Fall ist: auch hier geht einiges schief und Bug macht sich mit dem Überfall gehörig Feinde.
Ein klassischer Krimi mit klassischen Motiven
Behauptet der Grandseigneur Walter Mosley in seinem Lob des Buchs auch, S. A. Cosby erfände hier den amerikanischen Kriminalroman neu, würde ich konstatieren, dass hier genau das Gegenteil der Fall ist. Blacktop Wasteland ist ein klassischer, in manchen Momenten fast wie aus der Zeit gefallener Thriller. Das Motiv ist altbekannt: ein Fluchtwagenfahrer, der eigentlich ausgestiegen ist, nun aber noch einmal einen letzten Coup drehen möchte, um alle Altlasten hinter sich lassen (James Sallis lässt grüßen).
Auch der Überfall selbst wirkt schon fast antiquiert: in Zeiten von Hacking, dem Verschwinden des Bargelds und digitalen Geldströmen wirkt so ein Überfall auf einen Juwelier direkt nostalgisch. Dass die tölpelhaften Gangster den Coup dann natürlich verstolpern, in ihrer Großmäuligkeit zu Fehlern neigen und dann von weitaus gefährlicheren Gangstern ins Visier genommen werden, das kennt man doch eigentlich schon zur Genüge. Von einer Neuerfindung des Krimis würde ich deshalb hier keinesfalls sprechen.
Ein Thriller mit Beschleunigungsfaktor und mit Gewalt
Doch auch wenn S. A. Cosby hier nichts neu erfindet, so spielt der doch gekonnt mit den Themen und Motiven. Man nimmt ihn seinen Helden, den herzensguten Fahrer, der eigentlich nur seine Familie zusammenhalten will, durchaus ab. Auch ist das Buch in seinen Fluchtwagenszenen, den Rennen und der permanent lauernden Gefahr gelungen und presst übertragen gesprochen in den Sitz. Bei der Laufzeit des Romans ist keine Seite zuviel, das Tempo durchgehend hoch und wird zum Ende hin sogar noch beschleunigt.
Das alles wäre ein Ereignis, ein Meisterwerk, wenn da nur diese überzogene Gewalt nicht wäre. Das beginnt schon in der Eingangsszene und setzt sich im Lauf des Buchs inkremental fort.
Warren setzte gerade an, sich umzudrehen, als Beauregard den Schraubenschlüssel auf seinen Trapezmuskel krachen ließ. Beauregard hörte ein feuchtes Knacken, wie früher, wenn sein Großvater am Esstisch Hähnchenflügel gebrochen hatte. Warren ging zu Boden, und sein Urin spritzte über die Karosserie des Oldsmobile.
Er rollte sich auf die Seite, und Beauregard verpasste ihm einen weiteren Schlag auf die Rippen. Warren wälzte sich auf den Rücken. Blut tropfte aus seinem Mund un über sein Kinn. Beauregard kniete sich neben ihn, nahm den Schraubenschlüssel und legte ihn wie einen Knebel quer über Warrens Mund. Er packte beide Enden und legte sich mit seinem ganzen Gewicht darauf. Warrens Zunge krümmte sich wie ein dicker rosa Wurm um den Schaft des Werkzeugs. Blut und Speichel strömten aus seinen Mundwinkeln über seine Wangen.
S. A. Cosby – Blacktop Wasteland, S. 23
Fazit
Das war mir seiner Brutalität und der Explizität der Schilderungen dann doch etwas zu heftig, als dass ich dieses Buch vorbehaltlos weiterempfehlen könnte. Das ist schade, weil Blacktop Wasteland ansonsten eigentlich ein rundum gelungener, schneller und mitreißender Thriller aus der amerikanischen Einöde ist. Nur der Punkt der schon fast splatterhaften Gewalt, er störte mich doch erheblich, vor allem wenn gegen Ende alles in einem Gemetzel versinkt (ohne an dieser Stelle zu viel von der Handlung vorwegnehmen zu wollen). Hier wäre weniger definitiv mehr gewesen – was S. A. Cosby dann hoffentlich im dieser Tage erscheinenden neuen Thriller Die Rache der Väter dann beherzigt. Dann könnte er wirklich in die Premiumliga der amerikanischen Spannungsautor*innen aufsteigen!
- S. A. Cosby – Blacktop Wasteland
- Aus dem Englischen von Jürgen Bürger
- ISBN 978-3-7472-0220-3 (Ars Vivendi)
- 320 Seiten. Preis: 22,00 €