Monthly Archives: Februar 2022

Virginia Reeves – Ein anderes Leben

Auch in Zeiten steigender Energiepreise ist der Strom heute doch alles andere als ein Luxusgut. Er ist immer verfügbar, kann einfach über Steckdosen genutzt werden und ist so alltäglich, dass wir gar nicht mehr über ihn nachdenken. Ein anderes Leben als dieses von Virginia Reeves entführt in eine Zeit, in der Strom noch Gefahr bedeutete und das Leben von Menschen ins Unglück stürzen konnte. Wir sprechen hierbei aber nicht vom Zeitalter der Entdeckung der Elektrizität, sondern vom ländlichen Alabama vor nicht einmal hundert Jahren. Ein neuer Beitrag in der Rubrik #backlistlesen.


Roscoe T. Martin hadert mit seinem Leben als Farmer. Zusammen mit seiner Frau und den beiden Kindern sowie einem Angestellten bewirtschaftet er die familieneigene Farm. Doch das Leben in den 20er Jahren in Alabama ist hart, der Ertrag der Farm reicht kaum zum Überleben. Da entschließt sich Roscoe zu einer folgenschweren Tat. Er will die Stromleitungen der Alabama Power Company illegal anzapfen, um Strom zur eigenen Farm zu leiten und dort die Dreschmaschine elektrisch anzutreiben. Das notwendige Wissen für die Manipulation besitzt er, da er eigentlich gelernter Elektriker ist und früher im Kraftwerk arbeitete, ehe er der Liebe wegen die Farm übernahm.

Der Fluch der bösen Tat

Virginia Reeves - Ein anderes Leben als dieses (Cover)

Doch der Fluch der bösen Tat lässt nicht lange auf sich warten. Nach seinem illegalen Abzapfen des Stroms ist es nur eine geringe Zeitspanne, in der alles zu laufen scheint. Bei einer Inspektion der manipulierten Leitungen erleidet ein Inspekteur einen tödlichen Stromschlag und Roscoe T. Martin und sein Kompagnon Wilson fahren beide ins Gefängnis ein.

Während Wilson als Schwarzer in den Minen untertage schuften muss, versieht Martin seinen Dienst im Kilby-Gefängnis in der Molkerei, später der Gefängnisbibliothek und trainiert mit einem Aufseher die Hunde, die zur Unterbindung von Fluchtversuchen eingesetzt werden. Dabei treibt ihn die Frage um, wie es mit seiner Familie und der heimischen Farm wohl weitergegangen sein mag. Denn von seiner Frau hat er seit seiner Verurteilung nichts mehr gehört. Und auch vor der Kommission, die über die Aussetzung der Gefängnisstrafen als Bewährung befindet, stehen seine Chancen schlecht.

Anklänge an Klassiker des Genres

Ein anderes Leben als dieses von Virginia Reeves zeigt die Geschichte eines Mannes, der das Gute wollte, doch das Böse tat. Sein Martyrium hinter Gittern schildert sie dabei in spannender Form. Denn es ergänzen sich im Hauptteil aus der Ich-Perspektive erzählte Passagen aus dem Gefängnis (was Erinnerungen an Klassiker des Genres weckt, etwa Stephen Kings Die Verurteilten) mit auktorial erzählten Schilderungen des Farm- und Familienlebens, das durch Martins Tat ins Unglück gestürzt wurde.

Gelungen schafft es Virginia Reeves, plastische Charaktere zu zeichnen und ihre Geschichte ohne übermäßige Schnörkel oder unnötige Passagen geradlinig und konzentriert zu erzählen. Der Rassismus, die Zwangsarbeit hinter Gittern, der brutale Umgang mit Gefangenen und die willkürliche Herrschaft der Obrigkeit wird von der Autorin eindringlich geschildert. Auch ist das Buch stark in seinem Aufzeigen, wie eine einzige, aus gutem Willen und wirtschaftlichen Nöten begangene Tat das Leben von einem halben Dutzend Menschen beeinflussen und entscheidend prägen kann.

Fazit

Virginia Reeves ist ein eindringliches Buch gelungen, das den amerikanischen Süden vor nicht einmal hundert Jahren heraufbeschwört. Dass sie es als Debütantin mit Ein anderes Leben als dieses auf die Longlist des Bookerprizes im Jahr 2016 schaffte (genauso wie Ian McGuire mit seinem Roman Nordwasser), das ist beachtlich und angesichts der Dichte und Präzision ihres Schreibens auch gerechtfertigt. Auch vier Jahre nach dem Erscheinen in der Übersetzung von Simone Jakob und Hannes Meyer ist dieses Buch noch absolut frisch und lesenswert und sollte als Backlistperle hier in der Buch-Haltung gerne Erwähnung finden.


  • Virginia Reeves – Ein anderes Leben als dieses
  • Aus dem Englischen von Simone Jakob und Hannes Meyer
  • ISBN 978-3-8321-9869-5 (Dumont)
  • 320 Seiten. Preis: 23,00 €
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Deb Olin Unferth – Happy Green Family

Hennen. Süße kleine Federbälle. Das starke Abenteuer ihrer Rettung: Wer wollte da nicht dabei sein? Es war an der Zeit zu sagen: Es reicht.

Deb Olin Unferth – Happy Green Family, S. 166

Mit einem Huhn fängt es an und wächst sich zu einem riesigen Unternehmen aus: Deb Olin Unferth erzählt in Happy Green Family vom Mut zur Revolution im amerikanischen Huhniversum. Ein starkes Buch über die industrielle Tierhaltung, einen wahnwitzigen Plan und idealistische Menschen im Mittleren Westen.


Bwwaauk, so heißt das Huhn, das der Betriebsprüferin Cleveland bei einer ihrer Routineinspektionen einer Hühnerfarm irgendwo in den Weiten des Mittleren Westens über den Weg läuft. Eigentlich sollte sich das Huhn wie seine Millionen von Artgenossen in einem Stall befinden und dort fleißig Eier produzieren. Doch das Huhn hat den Weg in die Freiheit gefunden und veranlasst Cleveland zu einer Tat, die so gar nicht ihrem Naturell entspricht. Statt das Huhn zu melden und auf den Hof zurückzubringen, nimmt sie es an sich und beschließt, es der Tierrettung zu überantworten.

Diese Huhnrettung ist die erste Aktion, die eine ganze Lawine auslösen soll. Doch einstweilen bleibt alles noch recht überschaubar. Immer wieder entnimmt die Prüferin Hühner aus den Ställen, die sie zuvor kontrolliert hat. Doch ihre Taten bleiben nicht unentdeckt. Die junge Halbwaise Janey wird Cleveland unterstellt, um ihr durch die Ausbildung als Betriebsprüferin in einer Hühnerfarm wieder etwas Halt und Orientierung im Leben zu verleihen. Sie beobachtet ihre Mentorin bei ihrem Tun und wird nach einer Konfrontation zur Mitwisserin und Helferin bei Clevelands Treiben.

Weitere Akteure folgen und bald erwächst aus der Hühnerrettungs-Ich-AG eine ganze Bewegung, die natürlich mit steigender Größe auch immer unwägbareren Gefahren unterliegt. Denn Cleveland und Janey haben sich ein mehr als ambitioniertes Ziel gesetzt, das sie mithilfe ihrer Unterstützer realisieren wollen: Eine Million Hühner sind es, die auf der Happy Green Family Farm ihr Dasein fristen. Und sie wollen diese in einer waghalsigen Aktion befreien. Doch der Plan ist äußerst riskant…

Der Wahnsinn industrieller Tierhaltung

Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Cover)

Mit Happy Green Family hat Deb Olin Unferth ein Buch geschrieben, das den Wahnsinn der industriellen Tierhaltung eindrücklich illustriert. Sie nimmt die Leser*innen mit in die Ställe und Legebatterien und zeigt, wie aus Hühner dort Ei-Legemaschinen gemacht werden, die unter künstlicher Sonneneinstrahlung zum Dauerbrüten animiert werden. Dabei lernt man auch viel Wissenswertes über Hühner, etwa die Tatsache, dass Hühner eigentlich Freundschaften und Verbände gründen, ihr linkes Auge für die Fernsicht verwenden oder eigentlich nur etwa 60 mal im Jahr ein Ei legen, was durch die künstliche Beleuchtung in den Stellen auf das fünffache gesteigert wurde.

Den Wahnsinn dieser industriellen und auf Ertrag optimierten Tierhaltung und unseres schizophrenes Verhältnis zu den Tieren thematisiert Unferth eindrücklich, ohne dabei zu moralinsauer zu werden. Sie zeigt Cleveland und Janey bei ihrem idealistischen Kampf, verklärt diesen aber nicht zu Bauernhof-Kitsch, sondern bleibt angenehm realistisch (was auch der amerikanische Originaltitel Barn 8 zeigt, der bei der Rettungsaktion eine dramatische Rolle spielen soll).

Ambitioniertes und überzeugendes Erzählen

Neben der Form und ihrem Anliegen ist es auch Unferths Erzählen, das durch seine anspruchsvolle Form überzeugt und begeistert. Denn anstelle einer einfachen linearen Erzählung entscheidet sich Unferth für ein deutlich komplexeres Vorgehen. Immer wieder springt sie in Einsprengseln in der erzählten Zeit vor und zurück, ergänzt das Ganze mit einem Verhörprotokoll, schiebt gegenläufige Perspektiven ineinander und schreckt auch nicht davor zurück, aus der Perspektive eines Huhns zu erzählen.

Diese erzählerischen Extravaganzen werten Happy Green Family wirklich auf und erfordern zwar ein genaues Lesen, um bei der steigenden Komplexität in Sachen Zeit und Handlung den Überblick zu behalten, belohnen aber auch mit einem engagierten Buch, nach dessen Lektüre man im Supermarkt zweimal überlegt, ob es der billigste 10-Eierpack aus Bodenhaltung sein soll, oder ob man doch etwas mehr Geld investiert und dafür Eier aus Freilandhaltung oder mit mehr Tierwohl erwirbt. Happy Green Family öffnet dahingehend die Augen, wenn man zuvor nicht schon für dieses Thema sensibilisiert war.

Fazit

Deb Olin Unferths Buch ist außergewöhnliche, literarisch ambitionierte und von Barbara Schaden souverän ins Deutsche übertragene Literatur, die mir ausgesprochen gut gefallen hat. Und wer vom Thema Hühner in diesem Frühjahr noch nicht genug bekommen kann: in einem Monat erscheint mit Brüten von Jackie Polzin der nächste Roman, der sich mit dem Leben von Hühner in Amerika beschäftigt. Diesmal allerdings auf eine ganz andere Art und Weise.


  • Deb Olin Unferth – Happy Green Family
  • Aus dem Englischen von Barbara Schaden
  • ISBN 978-3-8031-3344-1 (Wagenbach)
  • 288 Seiten. Preis: 20,00 €
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Markus Gasser – Die Verschwörung der Krähen

Wenn man wie ich schon etwas länger ein öffentliches Lesetagebuch in Form eines Blogs führt, wird man unweigerlich öfter mit einer Frage konfrontiert: Schreibst du auch selbst etwas oder hast Lust auf ein eigenes Buch? Und auch wenn die Frage angesichts der steten Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort und dem publizistischen Erfolg von anderen Bloggenden nahe liegt (man denke hier nur an die Bloggerinnen Mareike Fallwickl, Anbelle Stehl, Katharina Herrmann oder Berit Glanz, die den Wechsel vom besprechenden zum schreibenden Fach gemeistert haben), verneine ich diese Frage vehement.

Schreibende Buchkritiker*innen?

Denn so gerne ich Bücher anderer Autor*innen lese und meine Meinungen dazu kund tue, so entschieden lehne ich es ab, selbst als Autor hervorzutreten. Ich bin mir um die Durchschnittlichkeit meines eigenen Schreibens durchaus bewusst, sodass ich dem Buchmarkt eine weitere, mittelmäßige Buchproduktion angesichts der Schwemme an Titeln unbedingt ersparen will. Denn für mich steht fest: eine Liebe zum Buch und zur Buchkritik garantiert noch lange kein eigenes gutes Buch.

Das bewahrheitet sich für meine Begriffe leider auch im Falle von Markus Gasser, der den vielgesehenen Literaturkanal Literatur ist Alles auf Youtube betreibt. Seine Literaturkenntnis und Belesenheit teilt er dort mit einer Vielzahl von Abonnent*innen. Über 16.500 Menschen folgen den Besprechungen, Empfehlungen und Überlegungen des 1967 geborenen Österreichers. Seine mal in Emphase, mal im Furor, mal im raunenden Ton vorgebrachten Meinungen und Buchvorstellungen erzielen tausende Abrufe, begeisterte Kommentare und zeigen einen Mann von stupender Belesenheit. Und auch wenn ich die Buch- und Kritikwelt auf Youtube nur sporadisch verfolge, würde ich sagen, dass Markus Gasser verdient einer der größten Namen auf der Plattform ist, der einen akademischen Literaturzugang für eine breite Masse gewährleistet.

Das belletristische Debüt Markus Gassers

Nicht nur auf Youtube teilt er seine Literaturleidenschaft, auch sind bereits mehrere Sachbücher über Bücher erschienen, etwa das bei Hanser veröffentlichte Das Buch der Bücher für die Insel. Nun liegt mit Die Verschwörung der Krähen der erste belletristische Wurf des Literaturwissenschaftlers vor, der im Verlag C. H. Beck erschienen ist. Darin schildert Gasser die Lebensgeschichte des Daniel De Foe, der den meisten wahrscheinlich nur noch als Schöpfer des Weltbestsellers Robinson Crusoe ein Begriff sein dürfte.

Und eigentlich sind alle Zutaten da für einen packenden historischen Schmöker über den umtriebigen Daniel Foe oder Daniel De Foe, wie er sich selbst nannte. Geboren 1660 als Sohn von Presbyterianern war ihm ein Leben voller prägender Erfahrungen vergönnt. Als Kind erlebte der die Pest von London mit, ein Jahr darauf den Großen Brand und den damit verbundenen Neuaufbau großer Teile Londons unter der Leitung von Christopher Wren. Heirat mit Mary Tuffley, Ausgrenzung aufgrund seines presbyterianischen Glaubens als Dissenter, umfangreiches Schaffen als Vielschreiber, das ihn als Verfasser zahlreicher aufklärerischer Flugblättern in Opposition zur regierenden Queen Anne und an den Pranger brachte. Spionagetätigkeit, Flucht, Täuschung, Bestseller wie Moll Flanders oder Robinson Crusoe.

Ein wahrhaft (episoden-) reiches und hochspannendes Leben, das als Roman eigentlich ein Heimspiel sein sollte, noch dazu, da der Titel sogar eine Verschwörung versprach, somit sogar ein potentielles Spannungselement inkludierte.

Leider zäh und unübersichtlich

Markus Gasser - Die Verschwörung der Krähen (Cover)

Doch von Spannung kann zumindest nach meiner Lektüre bei Die Verschwörung der Krähen keine Rede sein. Denn anstelle eines packenden historischen Pageturners ist das Buch leider ein in weiten Teilen höchst zäher und unübersichtlicher Roman geworden. Und das trotz der Figur Daniel Defoe mit ihrem schillernden Leben.

Dabei beginnt alles ganz spannend mit einem betagten Insassen einer Kutsche, der im Jahr 1730 auf einen inszenierten Raubüberfall wartet. Es ist Daniel De Foe höchstpersönlich. Von hier aus springt Gasser zurück ins Jahr 1703, um von der Feindschaft De Foes und Königin Anne Stuart zu berichten, die De Foe sogar bis an den Pranger brachte. Von dieser Episode springt der Österreicher dann ins Jahr 1660 bis 1703, um den Bogen von Kindheit bis zum Erwachsenenleben De Foes zu spannen. Weitere Episoden folgen, etwa das Kapitel Fake News, das sich um De Foes Agitation als Flugblattschreiber und einziger Autor und Herausgeber der Review dreht. Daneben gibt es noch Einsprengsel, die an den Königshof und die Unterwelt Londons führen. So wird etwa ausführlich vom Verbrecherimperium Jonathan Wyldes erzählt, der als eine Art Unterwelt-König über London herrschte.

Komplotte, Intrigen und Langeweile

Für sich genommen sind das alles spannende Episoden und Ansätze. Aber dennoch wird kein konsistenter und überzeugender Roman aus dem Ganzen. Alles zerfällt in einzelne Kapitel und ist leider recht schwerfällig und kompliziert erzählt. Die zahllosen Intrigen und Küngeleien am Königshof um Queen Anne Stuart, ihren Kanzler Robert Harley, Sir Salathiel Lovell, den Staatssekretär Earl of Nottingham oder Geheimagenten Horatio Peregrin Smith alias „Smite“ ließen mein Interesse schnell erlahmen, da es für meine Begriffe an einer gewisse Übersichtlichkeit und klaren Personenführung gebricht.

Keine Woche verging, in der nicht zum Ärger Marys irgendein Beamter mit einer Verleumdungsklage oder ein Gläubiger an die Tür ihres Hauses pochte. Man setzte De Foe mit dem ältesten aller Vorwürfe zu, der den achtzehnjährigen Benjamin dazu brachte, sich den Zweitnamen „Norton“ zuzulegen: Ihn hätte De Foe auf Durchreise in Bristol – oder Colchester? – mit einer gewissen Miss Norton gezeugt. Seine Todfeinde nannten De Foe einen „Muschelöffner“, „Austernlecker“, „Dan den Trickster“, den „Hexer“ und „die Krähe“ – hinterlistig, schwatzhaft, aasgierig, teuflisch. Besser wäre, es gäbe ihn nicht.

Das Schlimmste daran war, dass die Krähe ihnen zustimmte. Als „De Foe“ schrieb er in der „Review“ für die Konservativen, pseudonym gab er den Liberalen recht. Obwohl er Flottengeneral Marlborough bewunderte, erklärte er in der „Review“, der Kreis um Wharton wollte den Krieg mit Frankreich nur fortsetzen, damit sich Marlborough als Held feiern und nach einem Staatsstreich zum König krönen lassen könne.

Markus Gasser – Die Verschwörung der Krähen, S. 126

Es gebricht an Konsistenz

In seinen Bezügen und Anspielungen auf die verschiedenen politischen Einflussfaktoren und Big Player hatte mich die Lektüre dann obschon des geringen Umfangs von knapp 240 Seiten und beigefügten Personentableau schnell ermüdet.

Alles verläuft sich irgendwo zwischen Königshof, Haus der De Foes, dem Gefängnis Newgate und der Unterwelt. Was wollte uns Gasser sagen? Die Lebensgeschichte De Foes erzählen? Bezüge zur heutigen Presselandschaft herausarbeiten? Ein Tableau vivante der Londoner Ober- und Unterwelt zeichnen? Für mich geht leider nichts davon auf, obwohl die einzelnen Teile für sich genommen durchaus Potential hätten.

Auch die Sprache ist merkwürdig inkonsistent. In Dialogen bekommt man hier ein „Uuuups“ zu hören, Königin Anne ist Ihre Quatschlichkeit und gerne einmal mischt Gasser gehobenes, historisierendes Idiom mit Begriffen wie dem „Trickster“ (siehe oben). Dieser Kunstgriff der Vermengung verschiedener Sprachebenen verfing bei mir leider nicht, im Gegenteil: die Sprache trug mich so manches Mal aus der Bahn und konfusionierte mich das ein ums andere Mal zusätzlich

Fazit

Für mich ist Die Verschwörung der Krähen kein gelungener historischer Roman und leider der Beweis für die These, dass Belesenheit nicht automatisch zu gelungenen Romanen führt, wenngleich das übrige Schaffen Markus Gassers natürlich nicht zu gering zu schätzen ist. Aber trotz meiner Vorliebe für Geschichte, Spannung und Kolportage ist das leider ein Buch, von dem ich mir deutlich mehr erhofft habe.


  • Markus Gasser – Die Verschwörung der Krähen
  • ISBN 978-3-406-78150-6 (C. H. Beck)
  • 238 Seiten. Preis: 23,00
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