Adam Andrusier – Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn

In Zeiten der Selfies mit den Stars auf dem roten Teppich sind sie etwas ins Hintertreffen geraten – die guten alten Autogramme. Adam Andrusier ruft in seinem Roman Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn diese Erinnerung wach und erzählt von seinem Leben als Autogrammsammler in Form eines autobiographisch grundierten Entwicklungsroman.


Immer wieder unterbrechen die Namen von Stars nebst Autogramm und zugeschriebenem Zitat den Roman von Adam Andrusier. Sie dienen im Debüt des 1981 geborenen Engländers als Kapiteleinteilung. Eine sinnige Entscheidung, dreht sich das Leben des Erzählers doch schon seit Kindertagen um Autogramme.

Von Ronnie Barker bis zu Ray Charles

Alles beginnt dabei mit einer Unterschrift von Ronnie Barker, der in der Nachbarschaft von Adams Familie in Pinner wohnt. Dort im Nordwesten Londons lebt der Komödiant, der Adam im persönlichen Kontakt zunächst noch die Unterschrift verwehrt, dann aber aufgrund eines Briefs, den Adam an die Berühmtheit aus der Nachbarschaft schreibt, das ersehnte Autogramm im Nachgang doch noch erhält. Dieses Autogramm ist der Grundstein, auf dem Adams Sammeln aufbaut. Fortan schreibt er an bekannte und berühmte Menschen mit der Bitte nach Autogrammen, die ihm meistens auch gewährt werden.

Adam Andrusier - Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn

Täglich treffen Schreiben mit Unterschriften von Persönlichkeiten ein. Bekanntere Stars, kleinere Namen, in seinem Sammelrausch macht Adam da keinen Unterschied und baut sein Geschäft mit den Korrespondenzen immer weiter aus. Während seine ältere Schwester in der Literatur versinkt und sich den großen englischen Klassikern hingibt, ist Adam immer mehr auf dem Sprung zum gewerbsmäßigen Autogrammsammler und lauert auch Stars auch nach Konzerten oder Autogrammstunden auf, um die heißgeliebten Unterschriften für seine Sammlung zu ergattern.

Mit seiner Sammelleidenschaft ist er im Übrigen auch nicht alleine, sein Vater, der Adam zum Sammeln ermuntert, pflegt die Erinnerung an sein jüdisches Erbe, indem er Bilder von zerstörten Synagogen in ganz Europa sammelt. Zudem retuschiert er die Gesichter seiner Familie regelmäßig in andere Abbildungen hinein und findet so einen Ausgleich zu seinem Dasein als Versicherungsmakler.

Aus dem Leben eines Autogrammjägers

Erst der Besuch einer Fachmesse und der Kontakt mit anderen Sammlern bringt Adam dann die ernüchternde Erkenntnis, dass viele seiner Autogramm wertlose „Sekretariatsautogramme“ sind. Bei ihnen handelt es sich um Autogramme, die viele signierunwillige Stars einfach von ihrem Personal oder ihren Familien anfertigen ließen, um sich Arbeit zu ersparen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf verdoppelt Adam seine Anstrengung noch einmal und wird mit seiner Sammelleidenschaft sukzessive zu einem respektierten Mitglied in der englischen Sammlergemeinde.

Diese Entwicklung zeichnet Adam Andrusiers von der Kindheit und den Sammelanfängen bis hin zu seinem Dasein als Autographenhändler chronologisch nach. Daneben erzählt er von seinem Studium, seiner pianistischen Vervollkommnung und den innerfamiliären Konflikten, die den Alltag der Familie Andrusier häufig dominieren. Denn die starke Bindung seines Vaters zu seiner ebenso anspruchsvollen wie schwierigen Mutter und die unbändige Liebe zum israelischen Volkstanz sowie dem Komödiantentum auf offener Bühne bringen viel Spannung in die Beziehung der Eltern, die Andrusiers in diesem autobiographischen Roman recht ungeschönt nachzeichnet.

Vom Reiz des Sammelns

Das alles ist schön erzählt, folgt einer sinnigen Struktur – und doch fehlt mir für eine restlose Begeisterung doch der letzte Funke. Jüdische Identität, das komplexe und sich wandelnde Vater-Sohn-Verhältnis, das Geschäft mit der Unterschrift von Stars und die findigen Wege Adams, an diese zu gelangen. All die Themen sind für sich genommen interessant – aber irgendwie plätschert die Erzählung doch ohne rechten Höhepunkt vor sich hin.

Ähnlich wie zuletzt etwa Shaun Bythell in seinem Berufsbild Tagebuch eines Buchhändlers muss man schon ein gesteigertes Interesse an den im Buch verhandelten Autogrammepisoden mitbringen, um sich tief in den heute schon etwas anachronistischen Trends des Sammelns, Tauschens und Beurteilens der Star-Unterschriften zu versenken. Zwar gibt es immer wieder nette Anekdoten, etwa über eine falsche Unterschrift von Marilyn Monroe oder den Versuch Adams, dem blinden Ray Charles ein Autogramm abzuluchsen, über die ganze Länge des Buchs tragen solche Einzelepisoden allerdings nicht wirklich.

Fazit

Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn ist ein Feelgood-Roman über eine kuriose jüdische Familie, den Reiz des Sammelns und die Anstrengung, die ein Autogramm manchmal auch bedeuten kann. Dennoch fehlt dem Buch in meinen Augen etwas ein Spannungsbogen oder eine besondere literarische Gestaltung, um über das Adjektiv „nettes“ Buch hinauszukommen. So legt Adam Andrusier ein anekdotenreiches Erinnerungsbuch vor, das sich prima verschenken lässt, gut unterhält und Fans von Shaun Bythell oder auch Joachim Meyerhoff glücklich machen dürfte.


  • Adam Andrusier – Tausche zwei Hitler gegen eine Marilyn
  • Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
  • ISBN 978-3-293-00593-8 (Unionsverlag)
  • 320 Seiten. Preis: 24,00 €
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