Louise Kennedy – Das Ende der Welt ist eine Sackgasse

Gute Laune bescheren sie nicht unbedingt, die Kurzgeschichten von Louise Kennedy, die der Band mit dem Namen Das Ende der Welt ist eine Sackgasse versammelt. In Sackgassen finden sich viele von Kennedys Figuren wieder, Hoffnung und Zuversicht sind rar gesät. Es sind Geschichten, die einen Blick in ein Irland abseits von Grüner Insel-Romantik geben.


Vor zwei Jahren erschien mit Übertretung der fabelhafte Debütroman der irischen Autorin Louise Kennedy. Darin erzählte sie von mannigfaltigen Übertretungen, die das Leben der jungen Cushla Lavery kennzeichneten. Ihre Affäre mit einem deutlich älteren, protestantischen Anwalt und ihr Einsatz für einen Schüler weit über das übliche Engagement hinaus brachten der Lehrerin viele Probleme ein, was Louise Kennedy vor dem Hintergrund der irischen Troubles zur Hochzeit der 70er Jahre schilderte.

Schon damals war gute Laune nicht unbedingt das Motiv, das sich durch ihren Roman als erzählerisches Programm zog. Zumeist war die Lebenswelt von Kennedys Figuren grau, gewaltgesättigt und wenig hoffnungsstiftend. Ebenjenen tristen bis düsteren Realismus findet man nun auch in den Geschichten, die Das Ende der Welt ist eine Sackgasse versammelt.

Bonjour Tristesse

Louise Kennedy - Das Ende der Welt ist eine Sackgasse (Cover)

Fast immer gilt das Motto Bonjour Tristesse, wenn man mit Louise Kennedy in die kurzen Ausschnitte aus dem Leben ihrer Figuren hineinblickt. Da ist eine Frau in der titelgebenden Geschichte, die den Auftakt des Erzählungsbandes bildet. Von ihrem Mann verlassen sitzt die Frau auf Schulden und in der trostlosen Siedlung aus leerstehenden Häuser, wo sich nur mal der Esel eines benachbarten Bauern in eines der Musterhäuser verirrt. Eine trostlose Affäre mit diesem Bauern, Drogen, trostloser Sex – und dann wieder Bonjour Tristesse. Willkommen in der Welt von Kennedys Figuren.

Dominante und herrische Männer, deprimierte Frauen – und wenn eine Geschichte mal aus dem auf Irland zentrierten Schema ausbricht wie in der Erzählung Hinter Karthago, in der zwei Freundinnen eigentlich in einem warmen Ferienort wie Ägypten reisen wollten, dann aber nur in einer seelenlosen, grauen Betonbunkeranlage in Tunesien abseits der Saison landen, wo sich so gar nichts einstellen mag von der erhofften Exotik und Ablenkung. Stattdessen ruft der Besuch bei einer der beiden Frauen Erinnerungen an ihre Brustamputation wach und vereint die beiden Frauen in der Tristesse, von der sie sich trotz aller ostentativ zur Schau getragenen Lust auf Ablenkung und Urlaub nicht freimachen können

Auch Gewalt spielt eine Rolle, mal deutlicher etwa in der stark mit Farben arbeitenden Erzählung Im Gegenlicht, in der der Bruder einer Kosmetikerin im Zuge des Nordirlandkonflikts getötet wird, mal subtiler, als die Suche und der ausstehende Fund einer Leiche eine zentrale Bedeutung spielt (Schongebiet).

Weibliche Perspektiven

Mit ihren überwiegend aus weiblicher Perspektive geschilderten Geschichten liest sich Louise Kennedys Kurzgeschichtenband fast wie ein Gegenentwurf zu Zach Williams´ ebenfalls in diesem Jahr erschienenen Kurzgeschichten, die allein um Männer kreisten.

Louise Kennedy hingegen erkundet jene Schattierungen von Weiblichkeit, die in der Literatur sonst eher ausgespart werden. Neben den Gewalterfahrungen sind es auch die Erfahrung von Untreue und Betrug, denen sich Kennedys Figuren immer wieder ausgesetzt sehen. Erlebte Abtreibungen, Vergewaltigungen oder der Rückzug von Männern aus der erzieherischen Verantwortung – am eindrucksvollsten mündet letzterer Aspekt in der Erzählung Brüchiges, in der Ciara an ihrer Rolle als Mutter des in seiner Entwicklung zurückgebliebenen Ferdia verzweifelt und dennoch zumindest die Fassade eines Familienidyll aufrecht erhalten will.

Junge Figuren wie der Cian, der mit seinen Händen bei Heilungen helfen soll oder die aus Nordirland stammende Róisín, deren Alltag durch die Ankunft eines neuen Paares aus England auf den Kopf gestellt wird (Belladonna), sie alle ergeben einen Erzählreigen, der auf die Brüche und Abgründe blickt, Irland Noir gewissermaßen.

Fazit

Genau beobachtet und eingefangen (so treffend wie konkret etwa die Wahl des Begriffs des Malzgeruchs, der die Atmosphäre eines ungelüfteten Schlafzimmers nach einer Nacht beschreibt) räumt Louise Kennedy in Das Ende der Welt ist eine Sackgasse all dem einen Platz ein, für das sich die romantisierende Literatur über Irland nicht immer interessiert. Drogen, lieblose Beziehungen, Konflikte mit Rollenerwartungen mit Platz auch für Abgründiges, gehalten in Moll, das kennzeichnet diese Geschichten, die die Erwartungen jener in eine Sackgasse führen dürfte, die „einfach mal etwas Schönes“ lesen wollen.

Alle anderen, die einen Blick auf sonst eher ausgesparte Themen werfen möchten, die weibliche Perspektiven und Literatur mit genauem und unbestechlichem Blick schätzen, die dürften wie schon mit Übertretung auch mit dem erneut von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser übersetzten Das Ende der Welt ist eine Sackgasse glücklich werden


  • Louise Kennedy – Das Ende der Welt ist eine Sackgasse
  • Deutsch von Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser
  • ISBN 978-3-96999-458-0 (Steidl)
  • 256 Seiten. Preis: 25,00 €
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