Chris Hammer – Outback
Während die Buchläden und Krimiregale mit völlig austauschbarer Dutzendware aus Frankreich geflutet werden (Mord in der Provence, Mörderisches Lavandou, Mörderischer Mistral, Tod in der Provence, Provenzalische Verwicklungen, Blutrote Provence, Mörderische Côte d’Azur, Madame le Commissaire, Bruno, Chef de Police, Bretonisches Vermächtnis, und so weiter und so fort; man könnte diese Reihe mit Titeln aus dem Setzkasten noch unendlich fortführen) gibt es gottseidank auch noch andere Trends als Rezept- und Reisebücher mit ein bisschen Mord und Totschlag. Eine Region, die gerade den Takt in Sachen spannender und ungewöhnlicher Krimis angibt, ist Australien. In meinen Augen entwickelt sich Down Under immer mehr zum Crime Wunder.
Zahlreiche Autoren und Autorinnen von der Insel sind es, die das Krimigenre bereichern, darunter unter anderem Candice Fox mit ihrer Crimson-Lake-Serie, Garry Disher oder Alan Carter, der nun gerade mit Marlborough Man eine neue vielversprechende Serie gestartet hat.
Zu diesen Stimmen gesellt sich nun auch Chris Hammer, der mit Outback einen komplexen, spannenden und journalistisch grundierten Thriller aus der Gluthitze des Outback vorlegt. Jener Thriller entführt in das kleine Städtchen Rivers End, das fernab der Zivilisation liegt. Genauso verdorrt wie das ganze Land ist auch das kleine Städtchen selbst. Und das hat seine Gründe.
Eine Wahnsinnstat im australischen Outback
Vor einem Jahr erschoss der junge Pfarrer des Städtchens zielgerichtet fünf Männer vor seiner Kirche. Eine Wahnsinnstat, die Entsetzen und völlige Ratlosigkeit auslöste. Der Pfarrer war beliebt, kein Zeichen hatte auf den Amoklauf hingedeutet. Die Tat sorgte für die landesweite Bekanntheit von Rivers End und seitdem leben die wenigen Menschen dort unter dem Eindruck der Katastrophe. Die meisten Läden sind dicht, es herrscht Landflucht, kaum jemanden zieht es noch in jenes Städtchen im Outback.
Außer Martin Scarsden, einen Reporter, der für den Sidney Morning Herald tätig ist. Er soll ein Feature über das Städtchen und den Amoklauf des Pfarrers schreiben. Denn was immer noch nicht gefunden ist, ist das Motiv des jungen Pfarrers. Warum hat er gerade jene fünf Männner erschossen? Martin tut sich im Dorf um und beginnt nachzuforschen. Dabei stößt er auf einige Geheimnisse, die ihn schon bald überrollen werden wie die vielen Feuerwalzen, die immer wieder im Outback wüten.
Die Suche nach dem Motiv
Viele Thriller kreisen immer um die Frage „Was passiert als nächstes?“. Daraus generieren sie ihre Spannung, da die Handlung immer unvorhersehbar bleibt oder zumindest bleiben will. Chris Hammer geht da anders an die Sache heran. Bei ihm steht das Motiv für die Tat des Pfarrers und die Suche danach im Vordergrund. Mit der Figur von Martin Scarsden hat er dafür eine tolle Figur gefunden, die sowohl durch ihren Charakter als auch ihren Job einen guten Zugriff auf die Erzählstruktur erlaubt. War Scarsden früher als Kriegsreporter im Gazastreifen im Einsatz, hat er sich nun ganz in seinen Auftrag im Outback verbissen.
Dass Chris Hammer selbst eine Vita als Journalist und Korrespondent hat, das lässt sich aus Outback sehr gut herauslesen. Fundiert beschreibt er den Kampf um die nächste Schlagzeile, die Konkurrenz von Fernsehsendern und Printmedien und die Verwicklungen, die solch ein Auftrag mit sich bringen kann. Zwar erscheint die ein oder andere ermittlungstechnische Erkenntnis etwas überzogen (Martin ist ja fast jedes Mal der Polizei voraus und sichert sich entscheidende Erkenntnisse, bevor die Gesetzeshüter auf den Plan treten), aber das ist angesichts des Tempos und des großartig geschilderten Settings gerne verziehen.
Outback ist ein Thriller (übersetzt von Rainer Schmidt), der auch lange nach diesen rekordverdächtigen 40 bis 42-Grad-Tagen noch schwitzen lässt. Eine weitere tolle Krimientdeckung aus diesem Crime Wunder Down Under!