Football, Burger, Farmleben und die unendlichen Weiten Montanas. Callan Wink erzählt in seinem ersten Roman von der Mannwerdung eines Jungen in der amerikanischen Provinz. Und liefert dabei wenig Erhellendes.
Gäbe es einen Bausatz für einen Coming of Age-Roman, die Zutaten Sommer, Liebe, Unsicherheit, eine bevorstehende richtungsweisende Entscheidung und nächtliche Partys gehörten sicher zu den unverzichtbaren Ingredienzen eines solchen Bausatzes. Und auch der Amerikaner Callan Wink bedient sich dieser Elemente in seinem ersten Roman Big Sky Country ausgiebig. In jenen im Volksmund so betitelten amerikanischen Bundestaat zieht der junge Protagonist August mit seiner Mutter.
Nachdem sie sich mit ihrem Mann auseinandergelebt hat, beschließt Augusts Mutter, sich in Montana eine neue Arbeitsstelle in einer Bibliothek zu suchen. Ihren Mann, der eine Milchwirtschaft in Michigan betreibt, lässt sie dort mit seiner Geliebten allein. Nach der Kindheit im Mittleren Westen findet sich August so in einem ihm unvertrauten Landstrich wieder, der von Weite, Farmen und wenigen Menschen geprägt ist.
Anschluss findet er dort zunächst kaum. Er ist Teil des örtlichen Football-Teams und schließt erst allmählich Kontakt zu anderen Jugendlichen. Während sich Schulkameraden zum Krieg im Irak verpflichten – das Buch spielt um das Jahr 2001 herum – weiß August nicht so wirklich etwas mit sich anzufangen. Er angelt, feiert ein Sommerfest zu Ehren eines gefallenen Mitschülers, lässt sich treiben und besucht in losen Abständen seinen Vater auf der heimischen Farm. So richtig weiß August nicht, wie sein weiterer Lebensweg aussehen soll. Studium am College, Übernahme des väterlichen Hofs oder etwas völlig anderes? Seine Eltern und Freunde sind ihm bei diesen Fragen auch keine wirkliche Hilfe.
Wohin mit mir im Leben?
Diese Frage umkreist Callan Wink in seinem Buch. Etwas antriebslos lässt er August über die endlosen Straßen Montanas radeln und einsam an Ufern fischen, während er sich zunehmend von seinen Eltern entfremdet. Das alles schildert Callan Wink in einer ruhigen Prosa, die auch die nicht so schönen Seiten in Augusts Leben in den Blick rückt. Nicht alles ist so sommerhell, wie es uns das Feld auf dem Buchcover glauben machen will. Die düster dräuenden Wolken, es gibt sie auch im Text selbst.
So schildert Wink mit großer Genauigkeit, wie August von seinem Vater beauftragt wird, die sich wild vermehrenden Katzen auf dem Hof zu töten. Die Sommerparty der Jugendlichen kippt dann in eine Gruppenvergewaltigung, in der Einöde Montanas sind auch neurechte Spinner und Verschwörungstheoretiker zuhause. Das alles lässt Wink in seinen Roman einfließen und erschafft so Tiefe im Buch. Dennoch macht die manchmal an John Williams‚ Stoner erinnernde Sprache und die Genauigkeit des Blicks allein noch kein gutes Buch aus.
Denn thematisch weiß das Buch nichts Neues zu erzählen. Machte man sich die Mühe, und fertigte für Big Sky Country einen thematischen Thesaurus an, dann sähe dieser ungefähr so aus: Mittlerer Westen, Montana, Farmen, College, Umzug, Football, Rodeo, Burger, Bier, Freundschaften, rechte Hillibillys, Pick-Up, Feldarbeit.
Wenig Überraschendes
Dass ein Buch über einen Jungen in der amerikanischen Provinz von diesen Themen erzählt, das ist wenig überraschend. Und genau das war, was mich an Callan Winks Buch auch störte. Er weiß der ganzen Fülle an thematisch ähnlich gelagerten Büchern nicht Neues hinzuzufügen. Big Sky Country liest sich, wie ein dutzendfach gesehener Film oder ein ebenso oft gelesenes Buch über einen Jungen in der amerikanischen Provinz. Natürlich spielt August Football, cruist mit seinem Auto ziellos durch die Gegend, trinkt Bier, futtert Burger oder sucht beim Tanz den Kontakt mit Mädchen (und zimmert dem Nebenbuhler dann natürlich an der Bar die Faust ins Gesicht). Das ist solide erzählt, aber es reicht nicht, um etwas Besonderes aus dem Buch zu machen.
August bleibt ein blasser Held, dessen Erlebnissen und Aventüren es an Außergewöhnlichem, Besonderem oder Unerhörtem gebricht. Alles ist so, wie man es sich von einem Teenager in der amerikanischen Provinz vorstellt. Die erzählerischen Figuren bleiben so blass und oberflächlich wie die Telefonate, die August mit seinem Vater führt. Und das genügt mir dann leider nicht, um als gutes Buch durchzugehen.
Nach der Lektüre von Big Sky Country bleibt für mich die Erkenntnis, dass Callan Winks Form doch vielleicht eher die der Kurzgeschichte ist. Sein Erzählungsband Der letzte beste Ort hat die Qualitäten, die ich in seinem Roman vermisste. So gibt es von mir die Empfehlung, sich eher an diese Storys zu halten, wenn man einen tollen amerikanischen Erzähler entdecken will. Big Sky Country bietet nicht viel Neues unter dem weiten Himmel Montanas.
Weitere Stimmen zum Buch gibt es hier: Meike Feßmann in der SZ und Jana vom Blog Wissenstagebuch.
- Callan Wink – Big Sky Country
- Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer
- ISBN 978-3-518-42983-9 (Suhrkamp)
- 378 Seiten. Preis: 23,00 €