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C Pam Zhang – Wo Milch und Honig fließen

Gar nicht so paradiesisch, dieses Land Wo Milch und Honig fließen. In ihrem neuen Roman erzählt C Pam Zhang von einer Enklave reicher Menschen, die mit den Segnungen von Technologie und unermesslichem Reichtum die grassierende Klimakatastrophe überleben wollen. Die Arche Nova trifft dabei auf Spitzencuisine.


Diese Chuzpe muss man erst einmal haben. Denn obwohl ihr eigentlich die formalen Qualifikationen für einen mehr als exklusiven Job als Köchin fehlen, bewirbt sich die namenlose Ich-Erzählerin in C Pam Zhangs neuem Roman trotzdem auf die Stelle als Spitzenköchen für eine Forschungsgemeinschaft in den italienischen Alpen, wie es in der Anzeige heißt.

Der kreativ frisierte Lebenslauf macht es möglich, dass die Erzählerin auf den Berg dort im französisch-italienischen Grenzland eingeladen wird, wo sie für ihre Auftraggeber Menüs auf Spitzenniveau zubereiten soll.

Das Ganze stellt sich als reichlich paradoxer Job heraus. Denn während auf dem abgeschotteten Areal des Bergs sich eine Elite aus finanzkräftigen Investoren und Risikokapitalgebern zurückgezogen hat, um dort zu dinieren und scheinbar allen irdischen Sorgen enthoben die feine Lebensart zu genießen, ist die Welt am Fuß der Berge längst in Chaos und Monotonie versunken.

Kochen in der Klimakatastrophe

C Pam Zhang - Wo Milch und Honig fließen (Cover)

Ein Smog hat die Ökosystem vollständig zum Erliegen gebracht. Die Flora und Fauna verenden, das einzige Nahrungsmittel, das der Menschheit das Überleben sichert, ist Mungoprotein-Soja-Algenmehl. Die USA haben die Grenzen längst dichtgemacht und so sitzt die Erzählerin fern ihrer Heimat fest, als sie dann auch noch die Nachricht vom Tod ihrer Mutter und der Zerstörung der eigenen Wohnung in Chicago erreicht. Inmitten dieser hoffnungslosen Lage ist es der Mut der Verzweiflung, die die Erzählerin zu einer Köchin dort droben auf dem Berg werden lässt.

So experimentiert sie zusammen mit Aida, der Tochter der Milliardärs und Enklavengründers, in der Küche diverse Genüsse aus, die aus den Zuchthäusern der Kolonie stammen. Zwischen Sinnlichkeit und Ekel bewegen sich dabei die Menüs, die sie ihren Gästen kredenzen. Exklusives Fleisch, sogar von schon ausgestorbenen Wollmammuts, Schildkrötenblut oder Pflanzen, die außer dem Land Wo Milch und Honig fließen schon längst verschwunden sind. An scheinbar nichts mangelt es dort oben auf dem Berg, auf den mithilfe der Menüs die reichen Geldgeber angelockt werden sollen, auf dass die Elite dort hoch droben am Berg noch exklusiver und finanzkräftiger werde.

Doch nicht nur mit Menüs soll die Erzählerin die Elite verwöhnen und unterhalten. Schon bald schlüpft sie in die Rolle der verstorbenen Gattin des Enklavengründers, um auch auf diesem Wege eine enge Bindung der Gäste an das wahnwitzige Projekt zu erzeugen Doch wie lange kann es funktionieren, etwas vorzugeben, das man nicht wirklich ist?

Dystopie und Climate Fiction mit biblischen Bezügen

Es ist eine spannende Mischung aus Dystopie, Climate Fiction und Arche Nova-Neudeutung, die C Pam Zhang in ihrem neuem Roman mischt. Die Abschottung der Reichen, der schon fast unverschämte Luxus, an dem auch die Erzählerin ihren Anteil hat, indem sie verschwenderisch mit Zutaten experimentiert und die exklusiven Kochergebnisse dann teilweise in die Schlucht auf dem Berg entsorgt, all das neben der im Hintergrund dräuenden Klimakatastrophe, das bildet den Spannungsbogen dieser Geschichte, die sich nicht nur durch den Titel auf die biblischen Erzählungen bezieht.

Schlussendlich nimmt Zhangs Erzählung auch Züge der biblischen Episode rund um die Arche Nova an, als sich der Milliardär zum modernen Noah berufen fühlt und für den Fortbestand der menschlichen Spezies eigene Auswahlkriterien anlegt, um diese mit sich in einem Raumschiff in ein neues gelobtes Land zu bringen.

Fazit

Mit Wo Milch und Honig bewegt sich Zhang in Nachbarschaft von T. C. Boyle, der sich jüngst in seinem Roman Blue Skies ebenfalls an einer Vorschau unseres möglichen Lebens und Arrangements mit der Klimakatastrophe versuchte – obschon bei Boyle der Himmel noch deutlich blauer ist als in Zhangs düsterer Dystopie. Auch weißt ihr Roman Anklänge an den Fatalismus und die Problemlösungsstragie aus Adam McKays Filmsatire Don’t look up auf.

Sicherlich keine leichte Lektüre, aber eine erschreckend plausible Vorausschau dessen, was uns schon in wenigen Jahrzehnten drohen könnte, wenn wir so weitermachen wie bisher in Sachen Umweltschutz, Abschottung, Raubbau an der Natur und Entkopplung der reichen Eliten von der Gesamtverantwortung für diese Welt. Paradiesisch wird das sicher nicht, wenn wir C Pam Zhang folgen!


  • C Pam Zhang – Wo Milch und Honig fließen
  • Aus dem amerikanischen Englischen von Eva Regul
  • ISBN 978-3-10-397543-7 (S. Fischer)
  • 272 Seiten. Preis: 24,00 €
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J. Ryan Stradal – Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens

Gutes Essen hat im Verlagsprogramm von Diogenes seinen festen Platz – egal ob der Gourmetkoch Bruno, Chef de Police, sich durch das Perigord schmaust oder Martin Suter einen Koch ins Gewirr zwischen Molekularküche und Rüstungsdeal verstrickt – immer haben sinnliche Genüsse im Programm des Schweizer Verlags einen Platz. Nun hat sich der Verlag einen weiteren Debütanten ins Boot geholt, der dieser Linie zielsicher folgt und mit Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens einen Roman rund um Kulinarik und Familie vorlegt.

Pressebild_Die-Geheimnisse-der-Kueche-des-Mittleren-WestensDiogenes-Verlag_300dpiDie Geschichte, die Stradal in seinem Debüt erzählt, ist die von Eva Thorvald. Schon als kleines Kind gerät sie mit gutem Essen in Kontakt und dies wird zu ihrer ganzen Passion werden. Für seinen Roman wählt Stradal hierbei einen besonderen erzähltechnischen Kniff, und zwar wirf er auf Eva immer wieder Schlaglichter während ihrer Entwicklung vom Kleinkind hin zur gefeierten Starköchin. Doch bei diesen Stationen liegt der Fokus nicht direkt auf Eva, sondern Stradal erzählt von Figuren, die Eva mal mehr und mal weniger intensiv begleiten oder beeinflussen. Stück für Stück arbeitet sich Stradal so vor, bis der Stern der Köchin aufgeht und ihr Ruhm immer heller zu strahlen beginnt.

Die Figuren, an denen sich Stradals Geschichte entlanghangelt, sind für meinen Geschmack etwas dünn geraten (wenn sie auch viele Amerika-Klischees erfüllen). [Achtung, Spoilerwarnung. Wer nicht wissen möchte, wie das Buch schließt, bitte einfach die nächsten Zeilen überlesen]. Immer wieder werden neue Figuren eingeführt, die den Lebensweg der kommenden Starköchin kreuzen, und die im Finale auch in Form eines Dinners auch zusammengeführt werden. Von den Köpfen, die Eva Thorvald dann für das abschließende Dinner um sich versammelt, ist mir aber keiner sonderlich sympathisch oder bleibt durch Tiefe und Ambiguität lange im Gedächtnis hängen. Immer wieder hatte ich Schwierigkeiten, mit den Namen die Episoden der Menschen zu verbinden, die Stradal zuvor erzählte. Spitze des Eisbergs ist für mich Eva Thorvalds Mutter, die ihr Kind für einen Sommelier verlässt, dann aber wieder nach Evas Erfolg ihre Mutter sein will und die Nähe Evas sucht. Sympathische Charaktere gehen anders. Zusammen mit dem recht dünnen erzählerischen Faden, der um die Einzelepisoden gebunden ist, bleibt mir eher der Geschmack, durchwachsenes Fastfood denn ein literarisches Gourmetmenü verzehrt zu haben. Dies ist schade, da der Roman durchaus Potential hat und gerade bei den Beschreibungen von Essen und dessen Zubereitung durchaus punkten kann. Auch das Cover ist mehr als gelungen, doch von einem imposanten Meisterstück zu sprechen, wie es die New York Times macht, das würde ich bei dem Neuzugang im Hause Diogenes leider nicht.

 

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