Es gibt wohl kein besseres Bild, das sowohl die Lesung Thomas Hettches als auch den Zauber seines Romans Herzfaden so gut zusammenfasst, wie dieses Bild:
Versunken beobachtet der Autor auf der Bühne den kleinen Prinzen. Diesem kommt in Hettches Roman eine entscheidende Rolle zu. Welche, das erfuhren die Zuhörer*innen in der mit gerade einmal 97 Plätzen nach Corona-Regeln ausverkauften Stadtbücherei Augsburg. Muss die Augsburger Puppenkiste immer noch geschlossen bleiben, war es nun die Bücherei, in der Hettche seine Augsburger Premierenlesung feiern konnte.
Immerhin war mit Klaus Marschall der Chef der Augsburger Puppenkiste selbst vertreten, der den kleinen Prinzen an den Fäden zum Leben erweckte. Von Marschalls Mutter, Hatü Oehmichen, handelt Herzfaden, der zugleich auch eine Mentalitätsgeschichte des Nachkriegsdeutschland ist, wie BR-Moderator Knut Cordsen zurecht anmerkte. Auch entfesselt der Roman einen eigenen Zauber und führt zurück in die eigene Kindheit. Nostalgie trifft auf Geschichte. Das Urmel trifft auf ein vom Krieg zerstörtes Augsburg.
Wie er überhaupt auf die Idee kam, einen Roman über die Augsburger Puppenkiste zu schreiben, das wollte Cordsen ebenso wissen wie den Grund dafür, dass sich Hettche so ausnehmend viel mit historischen Stoffen beschäftigt.
Einblicke in Hettches Schreiben
Im Gespräch erfuhr man die Hintergründe für die besondere Gestaltung seines Romans (die mit den zwei Farben ja eine Referenz zur Unendlichen Geschichte Michael Endes darstellt) und Hettches Triumph, endlich einmal Illustrationen in einem Roman untergebracht zu haben, die vom Berliner Künstler Matthias Beckmann stammen. Auch über seine Recherchen und Zufallsfunde gab Hettche Auskunft. So beschrieb er seinen Fund eines Werbeprospekts für eine Augsburger Messe, der ihm Einblicke in die in der Nachkriegszeit ausgestellten Waren und Kuriositäten gab. Von Storms Pole Poppenspäler bis hin zur Poetologie des Autors reichte der Fragekatalog, mit dem Cordsen Hettche löchterte, ehe der Abend dann nach dem zweiten Lesungsteil langsam ausklang.
Auch wenn die Lesung aufgrund der unklaren Coronalage lange Zeit statt an einem Herzfaden am seidenen Faden hing, wurde der Mut der Veranstalter am Ende dann doch belohnt. Zwar war alles etwas anders als gewohnt. So gabe es nur vorab signierten Exemplaren des Buchs und keine Pause. Dafür aber viel Abstand und ein Fernsehteam des ZDF, das am Abend die Lesung in der Bücherei filmte. Denn schon bald wird es in Aspekte ebenfalls einen Beitrag über Hettches Roman geben. Und wer weiß – vielleicht gewinnt er dann im nächsten Monat sogar den Deutschen Buchpreis? Ich würde es dem Buch auf alle Fälle zutrauen!
Bilder des Abends gibt es hier in der Galerie.