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Christoph Poschenrieder – Der unsichtbare Roman

Das Notizbuch [Gustav Meyrinks] ist auch deshalb interessant, weil darin Ideen und Entwürfe für andere (nicht realisierte) Romane festgehalten sind, darunter ein „Freimaurerroman“ – ein Projekt, an dem Gustv Meyrink wahrscheinlich in den Jahren 1917/18 arbeitete, das er aber schließlich wieder verwarf (…) die Informationen darüber sind spärlich …

Theodor Harmsen, in: Der magische Schriftsteller Gustav Meyrink

Das unvollendete und wahrlich apokryphe Romanprojekt von Gustav Meyrink steht im Mittelpunkt von Christoph Poschenrieders neuem Roman. Nachdem der Münchner Romancier mit seinem letzten Werk enttäuschte, legt er nun ein hochspannendes Buch vor. Ein Buch, bei dem die Form fast noch interessanter als sein Inhalt ist.

Das Buch kreist um jenen titelgebenden unsichtbaren Roman, den Gustav Meyrink 1917 produzieren soll. Der Schöpfer des Golems und anderer zumeist satirischen Werke gilt den Machthabern in Berlin als der richtige Mann. Er soll für das Kriegsministerium einen Roman verfassen, der eindeutig die Schuldfrage am Ersten Weltkrieg klärt. Propaganda, Deutungshoheit, Spin Doctors sind keine Erfindung unserer Tage. Auch schon im Großen Krieg wollte man die Deutungshoheit über die Geschehnisse behalten. Und so soll Meyrink eben ein Buch verfassen, das einer bestimmten Partei die Schuld für den Kriegsbeginn in die Schuhe schiebt. Der Vorschlag aus dem Kriegsministerium: die Freimaurer würden sich doch anbieten.

Eingedenk seiner finanziellen Situation (ein Bankrott in Prag liegt hinter ihm, der Starnberger See vor der Haustür seiner jetzigen Immobilie) willigt Meyrink ein. Doch dann das: völlige Schreibblockade. Das Einzige, das Meyrink gut von der Hand geht, ist die kreative Vertröstung seiner Auftraggeber. Doch ansonsten bleiben die Seiten weiß. Keine Ideen, kein Zugriff aufs Thema, keine Vision, was er mit dem Buch anstellen soll.

Von diesen Schreibblockaden erzählt Poschenrieder durchaus humorvoll. In einer eleganten Sprache, den hohen Ton wie zuletzt in seinem Buch Das Sandkorn suchend, wirft er einen Blick in Meyrinks Seele. Doch nicht nur von den Schreibblockaden erzählt Meyrink – auch das Leben und Schaffen dieses heute schon wieder fast vergessenen Autors erzählt Poschenrieder.

Meyrinks Werdegang ist genauso ein Thema wie die Münchner Räterepublik mit all ihren turbulenten Verwicklungen. So spielt neben Meyrink auch Erich Mühsam eine wichtige Rolle sowie sein Gegenspieler- der spätere erste bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner, der den Freistaat Bayern proklamierte.

Eine Möbiusschleife als Vorbild

Ein spannendes Leben ist es, das Christoph Poschenrieder da schildert. Doch noch spannender scheint mir die Konstruktion seines Romans. Denn diese hat es in sich. So gibt es zum Einen erst einmal die in der 3. Person geschilderten Erlebnisse von Meyrink und seine Versuche, den vermaledeiten Roman zu Schreiben. Zum Anderen gibt es dann aber auch noch Erzählungen von Meyrink selbst, die dieser in der 1. Person aus der Ich-Perspektive schildert.

Dann ist Der unsichtbare Roman aber auch voll von Recherchenotizen und Trouvaillen, die sich während der Entstehung des Schreibprojekts angesammelt haben (so suggeriert es Poschenrieder zumindest in meinen Augen). Sie sorgen für so etwas wie Struktur im Roman, auch wenn die Verbindung von Recherenotiz und dem nachfolgenden Kapitel manchmal etwas versteckt erscheint.

Eine Erzählung wie eine Möbiusschleife

Und dann ist da zuvorderst natürlich das Ende des Romans, das eigentlich wieder den Anfang des Buchs bildet. Denn plötzlich gelingt es Poschenrieder, die vorher gelesenen circa 260 Seiten in neuem Licht erscheinen zu lassen. Wie bei einem Möbiusband verdrillt und verdrahtet er höchst geschickt die einzelnen Erzählstränge seines Buchs zu einem neuem Roman, der alles davor Gelesene in einen anderen Bezug setzt. Plötzlich ergibt zuvor scheinbar Sperriges oder Widersprüchliches einen neuen Sinn. Das ist schlau gemacht und erfordert nach der Lektüre eigentlich gleich einen zweiten Durchgang des Romans. Da Capo in Romanform könnte man sagen.


Hier findet Christoph Poschenrieder endlich wieder zu Spielfreude und einer tollen Montagetechnik zurück, die durch einen wirklich eleganten Erzählton zum Vergnügen wird, wenn man sich darauf einlassen möchte. Ein Buch, das an vorherige Glanzzeiten (hier sei Das Sandkorn und Die Welt ist im Kopf genannt) anschließt.

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