Zurück in die Renaissance Italiens

Michael Römling – Pandolfo

Von einem verlorenen Gedächtnis, Machtkämpfen in Europa und rätselhaften Flugmaschinen erzählt Michael Römling in seinem Roman Pandolfo. Ihm gelingt ein stimmiger und außerordentlich unterhaltsamer historischer Roman, der die Leser*innen in die Epoche der italienischen Renaissance zurücktransportiert.


Alles beginnt mit einem scheinbar toten Mann, der unter einem Haufen aus Unrat und Abfällen auf einem Markt in Italien begraben liegt. Er hat ein Loch im Schädel und ist dem Tod näher als dem Leben. Zu seinem Lebensretter wird der Mailänder Magnat und Abenteurer Bernado Bellapianta, der Pandolfo unter dem Abfallhaufen herauszieht und ihn unter seine Fittiche nimmt. Er lässt den Mann zu sich nach Hause bringen und dort gesundpflegen.

In der Folge wird Pandolfo im Palast des reichen Mailänders heimisch und freundet sich auch mit Bellapiantas Zwillingsbruder Giancarlo an. Jener ist weniger ein ausgebuffter Händler wie sein Bruder als vielmehr ein begnadeter Ingenieur. Egal ob Verbesserungen für Schiffe oder neue wissenschaftliche Theorien – Giancarlo macht seine körperlichen Defizite mit erstaunlichen Geistesleistungen wett. Dabei ist sein größter Wunsch, an dem er beständig arbeitet, der Traum vom Fliegen.

Die beiden Brüder sind beseelt von neuen Ideen und gestalten mit ganzer Kraft die Zukunft. Pandolfo wirkt am Tun und Treiben im Bellapiant’schen Hause mit. Doch ist es seine Vergangenheit, die ihn nicht ruhen lässt. Wer hat ihn damals angegriffen und ihn fast tödlich verwundet auf dem Markt zurückgelassen? Welche Geheimnisse hütet Pandolfo, weswegen er sterben sollte? Und warum kann Pandolfo ohne nachzudenken, die kompliziertesten Zeichnungen und Bilder auf Papier bannen?

Ein Mann ohne Erinnerung, zwei Brüder mit Expansionsstreben

Für die Erzählung von Pandolfos Geschichte und der der Gebrüder Bellapianta wählt Michael Römling einen tollen Kniff. So berichtet Pandolfo immer wieder aus der Ich-Perspektive von seinen Abenteuern und seinem Schicksal. Kontrastiert wird das Ganze von einem kommentierenden Chor, der das Geschehen einordnet und von Zeit zu Zeit in die Teleologie eingreift. So entfaltet sich neben Pandolfos Rekonstruktion der eigenen Geschichte auch die der Bellapiantas. Man ist Zeuge, wie die Brüder wagemutig ihre Expeditionen starten, mit geistigen und weltlichen Würdenträgern feilschen und beständige ihre Macht und ihr Einkommen mehren.

Vor allem über die Brüder wird die Welt der italienische Renaissance in ihrer ganzen Komplexität greifbar. Die Expeditionen treiben die Bellapiantas und Pandolfo bis nach Konstaninopel. Immer wieder begegnen sie Figuren, die auch heute noch aufhorchen lassen. Kardinäle wie die della Rovere, Medici oder ein gewisser Meister Leonardo, der für Ludovico Sforza tätig ist, sie alle haben in Pandolfo ihre Auftritte. Erbfolgekriege, Intrigen im Vatikan, Streitereien unter den lokalen Fürsten – Pandolfo atmet die italienische Renaissance.

Nun ist es höchst erfreulich, dass trotz dieser berühmten Protagonisten und Schauplätze Römling nicht den Fehler macht, lediglich eine historische Nummernrevue aufzuführen. Sein Roman hat eine durchgängige Handlung, bindet den Zeit- und Lokalkolorit gut ein und schafft einen wirklich homogenen Roman, der mich hervorragend unterhalten hat. Sprachlich überzeugt vor allem die außergewöhnliche Form mit der kommentierenden Erzählstimme und so entsteht im Ganzen betrachtet ein ausgezeichneter historischer Roman, den ich ausdrücklich empfehle!

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