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Das große DDR-Spitzelspiel

Auf den Spuren Brechts durch Augsburg

Spitzelspiel

Das große DDR-Spitzelspiel

Im Rahmen des diesjährigen Brechtfestivals, das unter dem Motto Die Heimatstadt, wie empfängt sie mich wohl? stand, inszenierte auch das Bluespots-Ensemble ein Stück mit dem Titel Das große DDR Spitzelspiel.

Die fiktive Hintergrundgeschichte: Der große AugsBürger Bert Brecht kehrt in seine Heimatstadt zurück. Das sehen die Mächte im kommunistischen Teil Deutschlands natürlich nicht gerne. Was bezweckt Bert Brecht in Augsburg? Wie steht er wirklich zur Deutschen Demokratischen Republik? An uns, den Bürgern dieser Stadt, lag es nun, Bertolt Brecht für das Ministerium für kulturelle Sicherheit zu beobachten und eine Einschätzung vorzunehmen, ob Bertolt Brecht für die Sicherheit dieser Stadt eine Gefahr darstellte.

 

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

Die Genossen Wubke und Oberst Heinrich

In der Praxis lief das Ganze nun mithilfe von SMS ab. Nachdem man sich mit seiner Handynummer beim Ministerium angemeldet hatte, wurde man am Sonntagabend zum Rapport ins Ministerium (vulgo das ehemalige Stadtarchiv am Fuggerboulevard) einbestellt. Dort fand die Instruktion durch die Genossen Heinrich und Wubke statt. Wie hat man sich zu tarnen? Wie sieht Brecht heute aus? Nach der Einführung  durch die beiden findigen Apparatschiks vom Büro der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit konnte es schon losgehen.

 

Brecht vor der Apollo-Bar

Brecht vor der Apollo-Bar

Die erste SMS bestellte uns zum Bahnhof, wo Brecht von München kommend, pünktlich zum Start des Brechtfestivals in seine Heimatstadt zurückkehrte. Die erste Beschattungsarbeit führte vom Bahnhof zum Theater bis hin zu einem schummrigen Etablissement namens Apollo-Bar. Dort wohnte Brecht (und selbstverständlich auch die pflichtbewussten Beobachter) einer Burlesque-Show bei und versuchten mehr über Brechts Absichten zu erfahren. Was trieb Brecht vom Tempel der Hochkultur in das Sündenbabel? Noch blieb alles mehr als rätselhaft. Man konnte nur auf weitere Gelegenheiten hoffen, um in Brechts Nähe zu gelangen.

Farbe bekannte Brecht dann einen Tag später bei der Diskussion des Augsburger Kulturbeirats, als er sich in eine Diskussion über Theater, Kultur und den Stand der Kunst in unserer Gesellschaft generell einmischte. Gewitzte Beobachter hatten sich für das Ministerium unter die Diskussionsteilnehmer gemischt und konnten so dem Gespräch beiwohnen.

Spitzelspiel III

Bertolt Brecht in der Sparkasse

Auch bei einem Besuch des Dichters in der Stadtsparkasse hatten sich Spitzel als Azubis des Bankhauses getarnt und waren bei dem Gespräch anwesend, das Brecht mit einem Banker führte. Hier offenbarte der Dichter, dass er an einem neuen Epos arbeite, das multimedial alle Formen des Theaters zu einer neuartigen Form der darstellenden Kunst verschmelzen und  damit auch junge Menschen erreichen möchte. Doch worum sollte es dabei gehen? Würde dieses Werk eine Gefahr für die kulturelle Sicherheit darstellen? Die Spitzel waren uneins.

 

Herr Puntilla und sein Knecht Matti

Herr Puntila und sein Knecht Matti

Eine erneute Chance zum Test Brechts auf seine Ideologietreue stellte dann der Donnerstag dar. Hier wohnte Brecht einer Probe seines Stücks Herr Puntila und sein Knecht Matti bei. Auch traf er sich hier mit einer Schauspieler in einem Café. Geschickt konnten sich wieder einige Augsburger unter die Zivilbevölkerung mischen und Brecht dabei nahekommen, um den Eindruck von Brechts Prinzipientreue zu verfestigen.

 

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Brecht beim Kontakt zu einer Schauspielerin

Nach diesen letzten Beobachtungen traf man sich anschließend zur Langen Brechtnacht in den Räumen der Zentrale, um den Genossen Wubke und Heinrich die Meinung und Abschlussberichte über Bertolt Brechts Tour durch Augsburg darzulegen. Im Gespräch mit den Genossen bildeten sich teils konträre Meinungen über die Gefahr des Faktors Brecht. So uneins wie vielfältig waren die Meinungen, die das Ministerium für Kulturelle Sicherheit dankbar entgegennahm. Neben dem Abliefern von Beobachtungen konnte man auch zahlreichen Performances in den Räumen des Stadtarchivs beiwohnen. Soundcollagen von Brechts Gesprächen, ein Ausschnitt aus Puntila, das Verlesen von Spitzelberichten – es war einiges geboten und so wurde das DDR-Spitzelspiel wirklich zu einem großen Event, das das System DDR, das Spitzeln und den Dichter Bertolt Brecht den Teilnehmern (sofern sie sich darauf einließen) eindrücklich nahebrachte.

Hier in der BR-Mediathek gibt es nun neben diesem Beobachtungsbericht (der die Billigung des Ministerium für Kulturelle Sicherheit fand) auch bewegte Bilder, die Brecht in Aktion erkennen lassen.

 

Im Auftrag des Ministeriums für Kulturelle Sicherheit und des Büros der kulturellen Stadtsicherheit für politisch-operative Zusammenarbeit

 

 

 

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