Ein kleines Dorf in Irland, getroffen von der Rezession. Dieses Dorf hat sich der Schriftsteller Donal Ryan erwählt, um hier einen Blick in den Kosmos der Dorfgesellschaft und damit im Endeffekt auch auf die Lage des Landes zu werfen. Ryan erzählt von Kindergärtnern, Bauarbeitern oder auch aus der Perspektive von Kindern, die einen ganz eigenen Blick auf das Dorfleben haben.
Die Rezension hält das kleine irische Städtchen am Boden und das Bild eben jenen Dorfes wird von Bauruinen dominiert, die nach dem Platzen der Finanzblase nicht mehr weiter gebaut wurden. Der lokale Bauunternehmer hat seine Mitarbeiter ausgeschmiert und nun brodelt es im Dorf. Doch auch zwischenmenschliche Konflikte treten immer mehr zutage, sodass am Ende dieses Erzählreigens eine Entführung und sogar ein Mord stehen werden. Wie es dazu kam erschließt sich Stück für Stück aus den einundzwanzig Geschichten, die damit die Gesichter der Wahrheit bilden.
Nach seinem sehr guten Erstling Die Sache mit dem Dezember gibt es nun Nachschlag von Donal Ryan . Abermals kam die Übersetzerin Anna-Nina Kroll zum Einsatz, die den Titel The spinning wheel als Die Gesichter der Wahrheit ins Deutsche übertrug. Sie hat es recht gut geschafft, den Slang der irischen Landbevölkerung ins Deutsche zu übertragen. Chorisch berichten die Protagonisten Ryans, die meist kein Blatt vor den Mund nehmen und so Zeugnis vom Niedergang eines ganzen Landes geben.
Dass bei einundzwanzig Geschichten auf 240 Seiten keine große Tiefe oder Profilschärfe in puncto Figurenzeichnung zu erwarten ist, das ist klar. Dafür gelingt es Ryan aber schnell, von Geschichte zu Geschichte zu wandern und sein Spinnrad der Fiktion von Speiche zu Speiche zu drehen – ein Panoptikum des Niedergangs, schnell auf ein wenig mehr als 250 Seiten erzählt.