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Erin Flanagan – Dunkelzeit

Gunthrum, ein kleines Städtchen in Nebraska im Jahr 1985. Hier verschwindet die junge Peggy aus ihrem Elternhaus – und als Verdächtiger Nr. 1 gilt der geistig zurückgebliebene Hal. In Erin Flanagans Debütroman Dunkelzeit wird daraus aber leider weniger ein Krimi denn eine mittelmäßige Kleinstadtstudie, die man schon einmal besser gelesen hat.


„Glaubst du wirklich, dass sie verschwunden ist?“, fragte er.

Laura sah ihn verwirrt an. „Du etwa nicht?“

Milo zuckte die Schultern. „Klingt doch irgendwie komisch. Jemand verschwindet einfach so. In Gunthrum passiert das normalerweise nicht.“ Er sah Laura prüfend an. „In Gunthrum passiert überhaupt nie etwas. Vielleicht ist das ja genau das Problem.“

Erin Flanagan – Dunkelzeit, S. 138

Gunthrum ist ein Städtchen im Hinterland von Nebraska – und hier passiert wirklich nichts. Einmal im Jahr treffen sich die Väter, um in der Schule eine Benefizmatch gegen ihre Kinder auszutragen. Am Wochenende trifft man sich in den Partykellern, um dem Alkohol und dem Exzess zu huldigen. Aber recht viel mehr hat Gunthrum nicht zu bieten. Dass die junge Peggy hier verschwunden ist, das kann ihr Bruder ihr nicht wirklich verübeln. Hat sie sich mit einem jungen Mann aufgemacht, um dem tristen Alltag zu entfliehen?

Das Verschwinden der Peggy Ahern

Die Eltern verheimlichen die Abwesenheit der Tochter vor der eigenen Kirchengemeinde und erst allmählich verfestigt sich die Erkenntnis, dass es sich bei der Abwesenheit von Peggy nicht nur um ein kurzes Ausreißen handeln muss.

Erin Flanagan - Dunkelzeit (Cover)

Diesen Handlungsstrang, der aus der Sicht von Peggys kleinem Bruder Milo erzählt wird, kontrastiert Erin Flanagan um den Handlungsstrang, der vom Farmerpaar Alma und Clyle erzählt. Während er die heimischen Felder bewirtschaftet, bringt Alma mit dem Schulbus die Kinder von Gunthrum in die Schule. Drittes und fast vollwertiges Familienmitglied ist Hal. Dieser geistig zurückgebliebene Bursche wurde besonders von der in Sachen Sozialarbeit beschlagenen Alma unter ihre Fittiche genommen. Er hilft auf dem Hof aus und hat sich durch die Struktur auf dem Hof gut entwickelt.

Als Hal nun nach einem Jagdausflug wieder zu Alma und Clyle zurückkehrt, berichtet er von einer Hirschkuh, die er illegalerweise erlegt haben will. Sein Auto weist Beschädigungsspuren auf, Blut findet sich sowohl im Auto als auch bei ihm daheim. War es wirklich eine Hirschkuh oder hat Hal vielleicht etwas mit dem Verschwinden von Peggy zu tun? Je mehr Alma von ihm wissen will, umso mehr verwickelt sich der junge Mann in Widersprüche.

Als Krimi zu zäh, die Figuren zu platt

Erin Flanagan ist eigentlich Professorin für Englische Sprache und Literatur, die an der Wright State University in Ohio lehrt. Für ihr Debüt hat sie sich in meinen Augen vorgenommen, an den großen Klassiker Kaltblütig von Truman Capote anzuknüpfen. Ein Unterfangen, an dem sie sich gnadenlos verhebt. Denn obwohl sie sich viel versucht und das Buch auch mit dem Edgar Allan Poe Award für das beste Debüt ausgezeichnet wurde, so ist das Buch in meinen Augen nicht wirklich überzeugend.

Als Kriminalroman ist das Ganze deutlich zu zäh erzählt. Die Anlage des Buchs ist schon nach einigen Dutzend Seiten klar, aber so etwas wie Spannung kann Flanagan aus dieser Anlage nicht ziehen. Da ist die Perspektive um Milo, der sich zwar um seine Schwester sorgt, aber vorwiegend mit Teenager-Problemen befasst ist. Alma und Clyle schwanken zwischen Vertuschen der Tat Hals und Unsicherheit über das, was wirklich vorgefallen ist. Aber so wirklich bringen die Figuren keine Spannung ins Buch, da beide Seiten kaum mit Ermittlungen über das tatsächliche Geschehen befasst sind.

Die Polizei glänzt mit Abwesenheit, erst spät im Buch führt Erin Flanagan einen Privatermittler ein, der ohne juristische Handhabe einfach die Bewohner*innen Gunthrums vernimmt. Wer sich so etwas wie Spannung erhofft, der sieht sich aber angesichts des zähen Vorankommens im Plot schnell enttäuscht.

Auch ist das Handeln der Figuren bestenfalls küchenpsychologisch grundiert. So wird die „Mutterliebe“ von Alma für Hal damit erklärt, dass sie sich immer Kinder wünschte, nach mehreren Abgängen die Hoffnung auf Nachwuchs aber begraben hat und nun eben Hal als Ersatzkind bemuttert und abschirmt. Auch die anderen Figuren bleiben eher holzschnittartig, tragen keine großen inneren Konflikte aus – und selbst die Ermittlung und Überführung des Täters erfolgt doch recht unmotiviert und halbherzig.

Fazit

Als Krimi überzeugt Dunkelzeit somit leider überhaupt nicht. Eher ist es eine ruhige Studie des Gesellschaftslebens dort in Nebraska Mitte der 80er Jahre. Aber selbst das hat man schon besser gelesen, sodass Dunkelzeit kein packender Krimi ist und auch als Kleinstadtroman nicht wirklich funktioniert, da die Figuren allzu schablonenhaft und die Handlung zu müde und spannungsarm erzählt sind, als dass zumindest bei mir echte Begeisterung aufkommen konnte. Die Auszeichnung mit dem Debütpreis beim Edgar Allan Poe Award kann ich nicht wirklich nachvollziehen. Mit diesem Krimi tritt die Professorin weder in die Fußstapfen von Edgar Allan Poe noch in die von Truman Capote. Leider enttäuschend.


  • Erin Flanagan – Dunkelzeit
  • Aus dem Englischen von Cornelius Hartz und Stefanie Kremer
  • ISBN 978-3-85535-145-9 (Atrium)
  • 368 Seiten. Preis: 25,00 €
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