Tag Archives: Schweden

Jenny Rogneby – Leona – Die Würfel sind gefallen

Widdewiddewitt – ich überfall‘ ne Bank wie es mir gefällt!

Blutüberströmt betritt ein kleines Kind eine Bankfiliale. Auf einem vom Kind mitgeführten CD-Spieler wird die Herausgabe aller Barrerserven verlangt, ansonsten stürbe das Kind. Die Lösegeldübergabe geschieht auch und das kleine Kind verschwindet anschließend ohne Spur und scheint vom Erdboden verschluckt worden zu sein.
Der Vorfall erregt natürlich breites Interesse. Auf die Lösung des Falls wird die Ermittlerin Leona angesetzt, eine ebenso unkonventionelle wie streitbare Polizistin. Ständig eckt sie mit ihren Vorgesetzten an – und – es handelt sich beim Buch ja um einen Schwedenkrimi – hat auch privat mehr als ein Problem. Ihre Ehe ist nur als desaströs zu bezeichnen: ihre Tochter akzeptiert nur den Vater als Familienoberhaupt, ihr Sohn hat Morbus Crohn, Leonas Familie selbst ist versnobt und hält ihr ihre Berufswahl als Polizistin vor. Und Leona selbst ist hochgradig spielsüchtig. Doch nicht nur dieses Geheimnis versucht sie vor anderen zu verbergen. Ein anderes Geheimnis, das Leona in sich trägt, könnte der Schlüssel für die Lösung des Banküberfalls sein …
Man kann über Leona – Die Würfel sind gefallen kaum reden, ohne viel von der Handlung zu verraten. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass bereits nach 100 Seiten ein wichtiger Wendepunkt  auftaucht. Dieser gibt dem ganzen Buch eine ganz neue Wendung und ließ mich zumindest an einigen Stellen eher den Kopf schütteln als atemlos vor Spannung durch die Seiten hetzen.
Auch ohne diesen Twist, der das Distinktionsmerkmal von anderen Schwedenkrimis sein sollte, muss man doch konstatieren, dass die Fantasie mit Jenny Rogneby manchmal etwas durchgegangen ist.
Allein schon die Banküberfälle scheinen mir ein bisschen an den Haaren herbeigezogen: Ein einzelnes kleines Kind, das sieben Millionen Kronen erbeutet, und das ohne Waffe, nur weil es Blut am Körper und einen CD-Player trägt? Knapp 740.00 Euro in bar soll das Kind einfach zur Tür herausschleppen? Aber gut, Schweden hat auch Pippi Langstrumpf hervorgebracht, da ist einiges möglich. 
Leider hat der ganze Roman derartige Logiklöcher, dass diese die Erzählstruktur nachhaltig stören. 
Realistisch ist an Leona – Die Würfel sind gefallen kaum etwas, Auch wenn es sich um ein Werk der Fiktion handelt, habe ich bei diesem Buch, das von einer Polizei-Insiderin geschrieben wurde, etwas mehr erwartet.
Erinnert hat mich das Ganze etwas an eine Mischung aus Jo Nesbos Thriller „Headhunter“ und einem an Jim Thompson geschulten Noir-Versuch, dem allerdings schon nach kurzer Zeit die Luft ausgeht. Leider keine wirkliche Empfehlung – statt eines schnellen Schweden-Thrillers gibt es ein hanebüchenes, überkonstruierter und fernab jeglicher Logik mäanderndes Buch. Kein unbedingter Lektüretipp.
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Carl-Johan Vallgrén – Schattenjunge

Die Schatten der Vergangenheit

Carl-Johan Vallgrens erster Krimi erschien in Schweden zunächst einmal unter Pseudonym, da er bisher überwiegend als Autor von anderen belletristischen Werken in Erscheinung trat. Nun hat er sich dem Genre des Kriminalromans zugewandt und macht seine Sache gut!

schattenjungeVor vierzig Jahren verschwand der Enkel des schwedischen Großunternehmers Pontus Klingberg an einer Stockholmer U-Bahn-Station. Der Junge tauchte nie wieder auf.
2012 verschwindet nun der andere Enkel Pontus Klingbergs spurlos. Die verzweifelte Ehefrau des Verschwundenen wendet sich an Danny Katz, einen Privatermittler, der völlig am Boden darnieder liegt. Eine Freundschaft verbindet ihn und den Verschwundenen, weswegen Katz nicht lange zögert, um sich hinter das Verschwinden zu klemmen. Was er in der Familiengeschichte der Klingbergs entdeckt, hätte er so nicht erwartet und droht ihn in einen tödlichen Strudel zu reißen.

Bei seinem ersten Kriminalroman folgt Vallgren überwiegend den Konventionen des skandinavischen Krimis: Ein kaputter Ermittler (Erinnerungen an Jo Nesbos Harry Hole werden wach), ein dunkles Geheimnis, ehrbare Männer der Gesellschaft, die keineswegs unbescholten sind – all diese Zutaten mixt der Schwede zu einem schnellen Krimi. Die Geschichte liest sich eingedenk der großen Schriftgröße und des hohen Schreibtempos schnell weg. Man verzeiht dem Autor auch einige Griffe in die Klischeekiste und gerade im letzten Drittel einige nicht unbedingt sonderlich plausible Wendungen (besonders was den zweiten Erzählstrang einer alten Freundin von Danny angeht). Aber dafür ist der Roman spannend und dies ist schließlich was zählt. Carl-Johan Vallgren beherrscht auf jeden Fall sein Handwerk und unterhält den Leser gekonnt.
Weiter Fälle für Danny Katz dürfen nicht ausgeschlossen werden, wenn man die letzten Seiten des „Schattenjungen“ liest – von mir aus sehr gerne!

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Johan Theorin – Inselgrab

Sommer auf Öland

Mit Inselgrab bringt Johan Theorin sein Jahreszeitenquartett zum Abschluss. Nach Herbst (Öland), Winter (Nebelsturm) und Frühling (Blutstein) endet die Tetralogie nun im schwedischen Hochsommer.
Die Touristen aus Stockholm überschwemmen im Jahr 1999 die Insel, als einige Ereignisse kulminieren, in deren Mittelpunkt die Magnaten-Familie Kloss zu stehen scheint. Ein Geisterschiff taucht im Sund vor der Insel auf, ein alter Bekannter der Familie scheint zurückzukehren und im Feriendorf der Klossens manipuliert jemand gezielt die Touristik-Anlage.
Und offenbar hängen diese ganzen Ereignisse mit früheren Geschehnissen zusammen, als der junge Gerlof Davidsson bei einem Begräbnis Klopfgeräusche aus einem Grab vernahm und als ein junger Schwede mit seinem Vater in die Neue Welt aufbrach.

Zahlreiche Handlungsstränge

Zahlreiche Fäden verspinnt Johan Theorin am Anfang seines Romans, die erst zum Ende des Buches hin in ihrer Gesamtheit Sinn ergeben. Das mag den ein oder anderen Leser am Anfang stören, im Laufe des Buchs wird man aber für die Konzentration belohnt.

Ein alter Bekannter ermittelt

Inselgrab ist ein typisches Öland-Buch Theorins. Ereignisse aus der Vergangenheit wirken bis in die Gegenwart nach und alles hängt miteinander zusammen. Wie aus den Vorgängerbänden gewohnt ermittelt der jetzige Rentner und ehemalige Seemann Gerlof Davidsson. Mit Bedacht und einem beachtlichen Erinnerungsvermögen dröselt er die einzelnen Ereignisse auf und versucht Licht ins Dunkel zu bringen.
Theorin gelingt es ausgezeichnet, Spannung und Suspense zu vermitteln. Er schafft es unnachahmlich Grusel zu erzeugen und den Leser trotz aller Bedächtigkeit bei der Stange zu halten. Man meint förmlich selbst im schwedischen Hochsommer über die Insel zu wandern und sieht die Ereignisse im eigenen Kopfkino vor sich.

Der gelungene Abschluss einer außergewöhnlichen Reihe und einer der besten Schwedenkrimis des Jahres 2014 – da lege ich mich bereits fest!

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Cilla und Rolf Börjlind – Die Springflut

Guter Schwedenkrimi

Die Springflut ist der erste gemeinsame Roman des erfahrenen Drehbuchschreiberpärchens Cilla und Rolf Börjlind, die zusammen für 26 Kommissar-Beck-Filme das Drehbuch verfasst haben. Diese Routine merkt man den Buch auch an – wer Schwedenkrimis liebt wird an diesem Roman nicht vorbeikommen.
Ausgangspunkt ist der Tod einer jungen Frau 1987, die auf grausame Art und Weise umgebracht wird – eingegraben in Sand wird sie durch die hereinkommende Springflut ertränkt. Der Fall muss ungelöst zu den Akten gelegt werden um dreiundzwanzig Jahre später wieder ans Tageslicht geholt zu werden. Die junge Polizeischülerin Olivia Rönning macht sich im Rahmen ihrer Ausbildung an das Aufrollen dieses Cold Cases aus der schwedischen Provinz und muss rasch erkenne, dass der damals zuständige Kommissar Tom Stilton Einiges über den Fall zu wissen scheint – doch dieser ist wie vom Erdboden verschluckt. So muss sich Olivia alleine auf die Suche nach den Mördern der jungen Frau machen und die Aufklärung des Verbrechens vorantreiben.
Cilla und Rolf Börjlind folgen mit ihrem ersten Roman dem Patentrezept eines jeden Schwedenkrimis: Ein brutaler Mord – am besten in der Vergangenheit, Ermittler mit schwerwiegenden Problemen (hier sind auch Analogien zur Sebastian-Bergmann-Reihe von Hjorth und Rosenfeld erkennbar) und die Kritik an sozialen Entwicklungen. Wer sich daran nicht stört erhält einen routiniert geschriebenen Krimi, der die vielen Handlungsstränge meist sauber auflöst und der einen vielversprechenden Auftakt zu der kommenden Serie bildet.
Was Die Springflut so gut lesbar macht, in meinen Augen allerdings auch ein kleiner Makel ist, ist das bunte gemischte Personentableau.
Dabei beschränken die beiden Schweden ihren Roman auf eine überschaubare Anzahl von Charakteren, die alle miteinander in Beziehungen stehen. Das macht das Buch übersichtlich, erweckt aber auch den Anschein von zuviel Konstruktion und Unglaubwürdigkeit, insbesondere was die Arbeit der Polizei angeht. So lösen die wenigen Figuren eigentlich im Alleingang einen alten Fall und verständigen sich nur untereinander. Am Ende scheint bei den beiden Autoren der Wunsch vorgeherrscht zu haben, alle Charaktere zusammenzuführen und eine Auflösung zu erzeugen, in der alle Mitwirkenden involviert sind. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, scheint mir gerade das etwas überzogen.
Ansonsten machen Cilla und Rolf Börjlind wenig falsch und liefern ein fast stimmiges Gesamtwerk ab, das dank der originellen Charaktere noch viel Entwicklungspotenzial bietet und einen vielversprechenden Auftakt zu der neuen Reihe darstellt.

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Henning Mankell: Vor dem Frost

Übergabe des Staffelstabs

Wer hat’s geschrieben: Henning Mankell, Krimi-Routinier und einer der Begründer des skandinavischen Krimi-Booms
Worum geht’s: Kinder an die Macht! Nachdem Kurt Wallander in der neun vorhergehenden Fällen ermitteln durfte, gibt er jetzt den Staffelstab an seine Tochter Linda ab, die in Vatis Fußstapfen tritt. Bevor sie in Ystad offiziell ihren Dienst als Polizistin antritt, kümmert sie sich noch um das Verschwinden ihrer Freundin Anna. Dieses scheint auf mysteriöse Weise mit brennenden Tieren und einem Leichenfund zusammenzuhängen.Warum sollte man es lesen: Konsequent entwickelt Henning Mankell seine Buchreihe um den griesgrämigen aber genialen Ermittler Kurt Wallander weiter und stellt seine Tochter in den Mittelpunkt. Bereits in den Vorgängerromanen erhielt man immer wieder Infos über Linda Wallander, nun ist ihr großer Auftritt gekommen.

Was nicht geht: Gute Laune, Sonnenschein oder einfache Verbrechen. „Vor dem Frost“ ist ein komplexer Roman, der nicht immer wahnsinnig spannend ist. Stattdessen gibt der Roman Einblick in die Welt der Sekten und charismatischen Führerfiguren. Mankell nimmt sich Zeit für seine Protagonisten und jagt sie durch Schweden und Dänemark – mit einem typisch skandinavischen Spannungssetting in Moll.

Wem gefällt das: Allen Fans von Kurt Wallander, die von Buch zu Buch wissen wollen, wie es mit Linda Wallander weiter geht. Zudem dürften alle Fans von nordischer Krimikost auf ihre Kosten kommen und gut unterhalten werden!

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