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Will Hunt – Im Untergrund

Nature Writing liegt im Trend. Fast jeder große Verlag hat inzwischen zwei oder drei erzählende Sachbücher im Programm, die sich mit Aspekten der Natur auseinandersetzen. Vor allem der Verlag Matthes und Seitz hat sich mit seinen Naturkunden hervorgetan, aber auch Publikumsverlage wie Hanser, Suhrkamp oder Ullstein haben den Trend aufgegriffen. Doch bei aller Faszination für die Aale, Eulen, Füchse, Farne oder Bäume – jeder Trend birgt auch die Gefahr der Übersättigung. Und bei mir stellt sich diese allmählich ein. Immer mehr vom Immergleichen – das macht auch dem allerschönsten Nature Writing-Titel langsam dem Garaus. Umso schöner, dass im Liebeskind-Verlag (der sich schon in der Vergangenheit mit kleinen Preziosen hervortat) nun ein Buch erscheint, das anders ist. Denn anstelle sich nur auf Einzelaspekte der Natur- oder Tierwelt zu fokussieren, macht der Autor Will Hunt etwas anderes. Er geht in den Untergrund.

Das tut er in insgesamt neun Kapiteln. Er nimmt uns mit unter die Erde, reist zum tiefsten Punkt, zu dem Bohrarbeiten je vorgedrungen sind. Er begibt sich auf die Suche nach einem Graffiti-Tagebuchschreiber in die U-Bahn-Tunnel New Yorks oder durchquert Paris unterirdisch. So erzählt er vom Aberglaube der Bergleute, die Götzenbildern ihre Opfer darbringen, um vor Unglück verschont zu bleiben. Er lernt die eingeschworene Gemeinschaft Pariser Katakombengängern kennen und erzählt vom Trieb des Grabens und Höhlenbauens, der Menschen immer wieder befiel.

Eine Verquickung von Themen

Will Hunt - Im Untergrund

Das Schöne an Will Hunts Buch ist neben dem außgewöhnlichen Thema auch die Verquickung von Elementen, die seine Reportagen und Berichte bedeuten. So erschöpfen sich die Kapitel nicht mit der Beschreibung von Erlebnissen, die Hunt gemacht hat. Er bringt Philosophie, Naturwissenschaft und Psychologie zusammen. Das bedeutet im konkreten Fall von Im Untergrund auch, dass er parallel die Höhlenlandschaften, die dort existenten Mikroben und den Glauben der indigenen Lakota ergründet. Während er im australischen Outback in eine Ockermine hinabsteigt, erzählt er zugleich von den Vorstellungswelten der Aborigines und den durch Bruce Chatwin zu Berühmtheit gelangten Traumpfaden. Es finden in seinen Texten viele Elemente zueinander. Und das macht ihren besonderen Reiz aus.

Seine Schilderungen sind zugleich eine Vermessung der eigenen Geschichte, der des Untergrunds und des Anthropozän. Höchst unterhaltsam erzählt er vom Wirken der Menschen und Tiere im Verborgenen und von unserer Sehnsucht, das zu ergründen, auf dem wir wandeln. In seinem Buch wird die Faszination für den Untergrund, für Höhlen und Tunnel wirklich greifbar.

Von Anke Carolin Burger wurde dieser schmucke Band ins Deutsche übertragen. Ein wirklich originelles Buch, eine prägnante Stimme im Vielerlei der Gattung Nature Writing.


  • Will Hunt – Im Untergrund
  • Aus dem Englischen von Anke Carolin Burger
  • ISBN 978-3-95438-126-5 (Liebeskind)
  • 320 Seiten. Preis: 24,00 Euro
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Oliver Harris – London Underground

Im Londoner Untergrund

Man muss Nick Belsey nicht mögen, um seinen Spaß an London Underground zu haben. Der Ermittler säuft im Dienst, ist korrupt, steht eigentlich mit mehr als zwei Beinen im Knast und hat ein grandioses Gespür für Fettnäpfchen. Dennoch ist er ein brillanter Ermittler und leistet sich in im neuen Roman von Oliver Harris sein Kabinettstückchen.

Oliver Harris - London Underground (Cover)

Bei der Verfolgung eines Verdächtigen stößt Belsey auf den Zugang zu einem alten Tunnelsystem unter einem ehemaligen Bunker. Er wittert die Möglichkeit für ein besonderes Date mit einer jungen Frau, die beim nächtlichen Tête-a-tête natürlich prompt entführt wird. Belsey muss sich – herausgefordert von einem Geiselnehmer, der Belsey auf ein Geheimnis stoßen will – in das verzweigte Tunnelgeäst aufmachen und dabei seine nächtliche Eskapade vor den Kollegen vertuschen. Ein Tanz auf dem Vulkan beginnt.
Mit jeder Menge Lokalkolorit ausgestattet geht es auf und unter den Straßen Londons und Umgebung rund. Belsey mag zwar ein Dreckskerl sein, seinen Job erledigt er in London Underground aber mehr als nur fabelhaft. Er kombiniert und trickst sich durch den Plot und der Leser bleibt atemlos an den Ermittlungen dran.

Gut. Man mag dem Thriller vorhalten, dass er überkonstruiert ist und sich von Unwahrscheinlichkeit zu Unwahrscheinlichkeit hangelt. Auch einige Logiklöcher ließen sich nicht vermeiden – aber das machen das Timing, die Spannung und das Tempo mehr als nur wett. Der Plot, der sich zwischen Kaltem Krieg, Architektur, Schnitzeljagd und Tunneln bewegt, ist insgesamt mehr als nur gelungen und zählt zu den Spannungshighlights des Herbstes 2014.

Von den beiden Fällen, die Belsey in London zu lösen hatte, ist „London Underground“ klar der bessere Fall, der den Leser genauso wie den Cop in sich hinein saugt und erst nach 450 Seiten wieder ans Tageslicht entlässt.

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