Monthly Archives: Mai 2017

Annie Proulx – Aus hartem Holz

Bäume wohin man sieht – sie begegnen den Franzosen René Sel und Charles Duquet, als diese 1693 aus Frankreich nach Neu-Frankreich, später Kanada genannt, aussiedeln. Als Waldarbeiter sind sie in die neue Welt gekommen und durchstreifen auf den ersten Seiten des Buchs Urwälder, in denen man sich verlieren kann. Bäume ohne Ende, die auch dem Leser in Annie Proulx neuem Werk (das erste seit vierzehn Jahren) auf fast 900 Seiten ständig begegnen werden. Darunter sind Pflanzen wie Hemlocktannen, Weymouthkiefer, Kauribäume, Douglasien und viel mehr. Doch die wichtigsten Bäume des Buchs sind die Stammbäume, die Annie Proulx als gute Autorin über hunderte Seiten entwickelt und aufgehen lässt.

Ausgangspunkt und Keimzelle des Buchs sind die beiden schon eingangs erwähnten französischen Sieder René Sel und Charles Duqet, die Ende des 17. Jahrhunderts nach Kanada gelangen. Beide beginnen mit der Rodung des Waldes und begründen Dynastien, die über hunderte von Jahren bestehen werden. Dabei sind die eingeschlagenen Lebenswege und -modelle ganz unterschiedlich. René Sel steht für den Brückenschlag zu den Ureinwohnern der Wälder Kanadas. Er zeugt mit einer Indianerin vom Mi’Kwam-Stamm Kinder und begründet so eine Stammbaum von Indianern und Mischlingskindern, die alle um ihren Platz in einer Welt kämpfen müssen, in der ihr Lebensraum immer rapider verschwindet.

Charles Duquet hingegen steht für den amerikanischen Traum, er sieht den Wald nicht als Lebensraum und Biotop, sondern als nachwachsendes Kapital, das seinen Lebensstil finanziert. Er erfindet sich als Unternehmer Charles Duke neu und denkt unternehmerisch, versucht seinen Absatz im Ausland zu steigern und ist eigentlich der typische Fall eines Selfmade-Millionärs. Auch er hat Kinder, die das von ihm geschaffene Holz-Imperium weiterführen und ausbauen werden, Niederlagen und Ernüchterung inklusive.

Diese beiden Grundstränge verfolgt Annie Proulx über 300 Jahre und verwendet zehn Kapitel, die verschiedene Zeitspannen umfassen. Immer wieder wechselt sie für ihre Kapitel vom Sel- zum Duquet-Strang und schafft so viel Abwechslung. Die Chronologie hält die Amerikanerin dabei ein, der Schwerpunkt des Buchs liegt aber eindeutig auf dem 18. und 19. Jahrhundert (die auch am meisten überzeugen), je näher es an die Gegenwart geht, umso spärlicher wird das Buch.

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1 Kilo Kultur

Zunächst einmal – ich halte den Titel dieses Buchs für falsch gewählt. In meinen Augen müsste das gewichtige Buch aus dem C. H. Beck-Verlag eigentlich 1 Kilo (Allgemein)Wissen heißen, denn Kultur ist nur ein Teil dieses Mammutwerks, das einen Überblick über Geschichte und Denken von der Antike bis hin zur Gegenwart gibt.

Verfasst wurde das Werk von Florence Braunstein und Jean-Francois Pépin. Erstere lehrte in Frankreich an Universitäten das Studium generale, Pépin ist Universitätsprofessor. Aus den Lehrtätigkeiten der beiden erwuchs nun dieses 1246 Seiten starke Buch, das von Nikolaus de Palézieux ins Deutsche übertragen wurde. Zudem wirkte an der deutschen Übertragung des Wissenbrockens auch Alexander Kluy mit, der für den deutschen Sprachraum Anpassungen und Ergänzungen vornahm.

Die generelle Ordnung des Buchs ist eine chronologische. Von der Antike ausgehend behandelt das Buch alle Epochen über das Mittelalter bis hinein die Gegenwart. Jede Epoche wird dabei strukturiert und geordnet. Diese Ordnung erfolgt meist anhand von Ländern oder Lebensräume, deren einzelnen Aspekte beleuchtet werden. Manchmal sind es auch die Völker (z.B. in der Zeit der Völkerwanderung), an denen sich die Autoren orientieren. Neben dieser Grobgliederung gibt es weitere Unterpunkte, die innerhalb der Themen Ordnung schaffen. So erhalten beispielsweise wichtige Philosophen wie Thomas Hobbes eigene kurze Kapitel innerhalb der Themen. Diese Exkurse sind profund und lockern den Lesefluss auf.

Das Buch ist sinnvoll geordnet – dank der Epochenmarkierungen, die auch auf dem Buchschnitt aufgegriffen wird, findet man sich im Buch gut zurecht. Im Text selbst finden sich wenige Bilder oder Darstellungsformen, der reine Text überwiegt. Die übergreifende (Ein-)Ordnung unterscheidet 1 Kilo Kultur von herkömmlichen Lexika, auch findet sich ein lexikon-typisches Sachregister nicht in diesem Buch. Nur ein ausführliches Personenregister ergänzt die Monographie und bietet die Möglichkeit zur Recherche.

Über manche der Informationen in 1 Kilo Kultur ließe sich trefflich streiten (ist nun wirklich Miguel de Cervantes der Erfinder der Novelle oder verdient nicht vielmehr Giovanni Boccaccio diesen Titel?), dennoch ein gutes Übersichtswerk, das alle wichtigen Strömungen und Entwicklungen der Geschichte zusammenfasst.

Und auch wenn es bis Weihnachten gottseidank noch etwas hin ist – für Freunde von Wissen und Kultur kann man sich dieses Buch durchaus schon einmal auf einem Merkzettel notieren.

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