Category Archives: Kriminalroman

Louise Welsh – Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar

Suspicious minds

Die Atmosphäre, die Louise Welsh bereits auf den ersten Seiten von Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar zu entfesseln weiß, ist ebenso beklemmend wie grandios. Mitten hinein ins Geschehen katapultiert die Engländerin den Leser und lässt ihn erst nach 275 Seiten wieder los.

Jane Logan hat eigentlich alles, was sie braucht: schwanger kommt sie mit ihrer Lebensgefährtin Petra nach Berlin, um sich dort niederzulassen. Die Stadt erscheint ihr sehr vielversprechen. Eigentlich könnte alles perfekt sein, wenn da nicht das unheimliche Wohnhaus wäre: Vom ersten Tag an fühlt sich Jane vom düsteren Hinterhaus angezogen, das einige Geheimnisse zu bergen scheint. Und auch die Nachbarn des Paares scheinen einige Geheimnisse zu hüten.

Der neben ihnen wohnende Mann scheint mit seiner Tochter zu schlafen, ein altes Ehepaar im Erdgeschoss erscheint nicht minder rätselhaft. So erwacht in Jane ihr Spürsinn. Sie versucht den Rätseln des Hinterhauses und der Bewohner auf die Spur zu kommen, ahnt aber nicht welche Konsequenzen ihre investigativen Eskapaden haben werden …

Suspense, Suspense und nochmals Suspense. Das wären die Worte zur Verschlagwortung dieses Buches. Der Leser ahnt schon auf den ersten Seiten, dass in der Berliner Immobilie, die Jane und Petra bewohnen, einiges im Argen zu liegen scheint. Geschickt schafft es Louise Welsh, dieses ungute Gefühl über ihrer Erzählung und dem Leser schweben zu lassen. Anklänge an den großen Suspense-Meister Hitchcock und sein „Fenster zum Hof“ tauchen auf – Kinoreife Spannung in Literatur gegossen, die im Gedächtnis haften bleibt.

Für ihr Geschick, Atmosphäre zwischen den Zeilen zu erzeugen muss man Louise Welsh Tribut zollen. Sie ist zweifelsohne eine der interessantesten Spannungsautorinnen von der Insel, was sie mit Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar erneut bestätigt.

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Joe R. Lansdale – Ein feiner dunkler Riss

Ein typischer Lansdale

Wann ist ein Autor ein Großer? Wenn seine Schreibe unverkennbar ist, wenn man schon auf den ersten Seiten den Eindruck hat, heimzukehren und wenn der Autorenname nicht auf dem Cover stehen müsste, um ihm das Buch zuordnen zu können.

Joe R. Lansdale zähle ich definitiv zu den großen Krimiautoren unserer Tage – und sein Roman Ein feiner, dunkler Riss stammt definitiv aus der Feder des Romanciers. Ursprünglich schon 2002 erschienen hat es das Buch nun beim Suhrkamp-Verlag ins Taschenbuch-Format geschafft (Übersetzung Heide Frank)

Der Roman wird vom Ich-Erzähler Stanley als Kindheitserinnerung erzählt (auch so ein typischer Lansdale-Kniff) und enthält alle Zutaten, die die Bücher Lansdales kennzeichnen: ein unschuldiges Kind in Texas wird im Laufe des Buchs zum Erwachsenen, ein Verbrechen aus der Vergangenheit wird aufgeklärt, das Kind tritt dem Rassismus entgegen. Im vorliegenden Fall entdeckt Stanley eine Kiste mit alten Liebesbriefen und stößt auf ein verlassenes Haus, das nur der Auftakt zu größeren Abenteuern ist. Zusammen mit seinen Freunden und dem alten farbigen Filmvorführer Buster, der er sich als ehemaliger Polizist entpuppt, ermittelt er um den Geheimnissen seines Städtchens auf die Spur zu kommen.

Ein solides Buch aus der Feder Lansdales, aber kein Meisterwerk

Mit Ein feiner, dunkler Riss ist Lansdale erneut eine spannende und wehmütige Hommage an ein lang vergangenes Texas gelungen. Zwar kommt Ein feiner, dunkler Riss nicht an Lansdales Meisterwerke Die dunklen Wälder am Fluss und Der Teufelskeiler heran, dennoch wieder ein grandioser Roman übers Erwachsenenwerden und die Erinnerungen an die Kindheit.

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Arne Dahl – Neid

Die OPCOP-Truppe zum Dritten

Mit Neid beschert Arne Dahl seiner OPCOP-Truppe den dritten von vier geplanten Einsätzen. Nachdem der zweite Band Zorn eher ein Durchhänger war, gelingt es Arne Dahl mit seinem neuen Buch an der Qualität des Quartett-Erstlings Gier anzuknüpfen.

Menschenhändler und Lobbyismus

Neid ist ein komplexer Thriller, der erst ein wenig braucht, um Fahrt aufzunehmen. Nachdem man einer Observation eines Menschenhändlerringes beiwohnte, schickt Dahl seinen Ermittler Paul Hjelm auf eine geheime Sondermission. Die französische EU-Kommissarin Marie Barrière wird erpresst – und ihre Gegner scheinen vor nichts zurückzuschrecken. Auch der Tod eines hochrangigen Wissenschaftlers in Schweden scheint in Verbindung mit der Erpressung zu stehen.

Arne Dahl - Neid (Cover)

Wer die Romane Arne Dahls kennt, weiß dass diese Fälle zusammenhängen müssen – wie sie dies tun, wird aber erst im spannungsgeladenen Finale deutlich. Dahl legt viele Fäden aus und behält sie immer in der Hand, auch wenn es zwischenzeitlich nicht immer danach aussehen mag. Seine einzelnen Ermittler hetzen zwischen Chios, Amsterdam und Berlin hin und her – die Kenntnis der Vorgängerbände bzw. des schwedischen A-Teams erleichtert hier vieles. Man muss manchmal aufpassen, den Überblick über die ganzen Handlungsstränge und Ermittler nicht zu verlieren.

Wie schon in Totenmesse beschäftigt sich Dahl in Neid auch mit dem Ende des Öls und mit regenerativen Energien, die eine nicht unbedeutende Rolle im Roman einnehmen. Andere Subthemen wie Menschenhandel und Entscheidungen der EU fließen ebenso in die Erzählung ein, ohne dass die Spannung an den Exkursen übermäßig zu leiden hätte.
Seine Metaphernwut und den unbedingten Willen zur stilistischen Brillanz kann Dahl diesmal ganz gut einbremsen und so wird aus Neid abermals ein komplexer und spannender Thriller. Wer dem ersten OPCOP-Roman Gier etwas abgewinnen konnte, dürfte auch mit Neid warm werden- Ein Buch, das meine hohen Erwartungen vollkommen zufriedenstellen konnte!

Und hier auch die gute Nachricht für alle OPCOP-Fans, die überlegen, wie es mit dem Team weitergeht – Hass heißt die Antwort auf diese bange Frage. Ein Buch, das sämtliche Vorgängerbände schlüßig bündelt und zum Finale bringt!

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Wolfgang Schorlau – Am zwölften Tag

Die Fleischmafia

Er hat es wieder getan: in seinem neuen Krimi Am zwölften Tag legt Wolfgang Schorlau einmal mehr den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft. Diesmal schickt er seinen Privatdetektiv Georg Dengler auf eine persönliche Mission. Sein Sohn Jakob ist verschwunden. Offensichtlich hatte sich dieser in Angelegenheiten der fleischverarbeitenden Industrie herumgeschnüffelt. Nun liegt es an Dengler, seinen Sohn wieder zu finden und die Geheimnisse der Fleischindustrie zu ergründen.

Wolfgang Schorlau - Am zwölften Tag

Die Krimihandlung von Am zwölften Tag mag etwas an den Haaren herbei gezogen sein, beziehungsweise wenig Neues bieten.

Dennoch funktioniert das Buch hervorragend, da die Stärke des Buches in meinen Augen weniger auf dem Krimi als in seiner Verbindung mit dem brisanten Thema des Fleischkonsums und der Fleischherstellung steht. Schorlau schaut dahin, wo wie lieber unsere Augen abwenden: Wollen wir wirklich wissen, wie das Schnitzel zu dem wurde, als das es nun in der Kühltheke liegt? Wollen wir wirklich wissen, wer unser täglich Fleisch herstellt und wie die Arbeitsbedingungen der Menschen aussehen, die täglich in Schlachtereien ihren Dienst versehen? Der teure Preis unseres billigen Fleischs, er ist es, den Schorlau hier aufzeigt. Ein Thema, das in seiner drastischen Darstellung erschüttert, bei dem sich aber trotz aller Skandale bislang nichts geändert hat.

Zwar ragt in einigen Passagen der moralische Zeigefinger Schorlaus etwas überhöht auf, dennoch schmälert das die Qualität des Buchs keineswegs. Am zwölften Tag regt zum Nachdenken an und lässt uns unsere Ernährungsgewohnheiten hinterfragen. Müssen wir wirklich sieben Tage in der Woche Fleisch verzehren, das im Laden zu obszön billigen Preisen angeboten wird? Ein Krimi, der auch ein Debattenbuch ist. Und ein Buch, das uns wieder klar macht, wie teuer der Preis unseres Konsums eigentlich ist.

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Eyre Price – Roadkill

Blutige Musik-Schnitzeljagd

Wenn man die Orte betrachtet, durch die Daniel Erickson hetzt, wird sich selbst musikalisch eher unbewanderten Zeitgenossen klar, woher in Road Kill der Wind weht: New Orleans, Nashville, Detroit, Memphis sind Stationen, die der Protagonist in Eyre Price´ Roman im Laufe seiner Schnitzeljagd besucht. Und das kommt so:

Nachdem er sich in der Glücksspielstadt Las Vegas verzockt hat, hat sich Daniel bei einem russischen Gangster Geld geliehen. Eine schlechte Idee, wie sich herausstellt, denn der Russe will wieder an sein Geld und deshalb schickt er ihm ein ungleiches Killer-Duo auf den Hals. Und zu allem Übermaß muss Daniel Erickson feststellen, dass sein ganzes Vermögen aus seinem privaten Tresor verschwunden ist. Keine gute Sache, wenn man einen gereizten russischen Gangster auszahlen möchte. Das einzige, was ihm geblieben ist, ist eine CD mit Bluessongs, die offenbar die Hinweise zu einer Schnitzeljagd darstellen.

Durchgeknallt, durchgeknallter – Road Kill

Eyre Price ist ein Roman gelungen, der als Thriller zwar nicht sonderlich gut funktioniert, als niedergeschriebenes Stück Musikhistorie aber erstaunlich gut klappt. Mit deftigen Splatterelementen und überzogenen Figuren versetzt serviert er dem Leser eine blutige Musik-Schnitzeljagd, bei der er niemanden schont. Das psychotische Gangsterpärchen metzelt sich fröhlich durch die USA, während Daniel von Hinweis zu Hinweis hetzt und versucht, die Songs, die ihm an den einzelnen Stationen hinterlassen werden, zu entschlüsseln.

Die Gestalten, die den Roman von Price bevölkern, sind zwar durchgängig Pappkameraden, aber als Hommage an den Blues und seine Spielarten ist Road Kill durchaus lesens- bzw. hörenswert.

Denn per QR-Code lassen sich die Songs, die Daniel im Buch den Weg weisen, zusätzlich anhören und sind somit die Bonustracks des Buches.

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