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Carmine Abate – Der Hügel des Windes

Der Barilla-Effekt

Immer wenn es um italienische Literatur geht, kommt mir schnell etwas unter, das ich den Barilla-Effekt getauft habe: Liebevolle Nonnas, die ihre Kinder verhätscheln und bei denen immer ein Topf mit Spaghetti ragú auf dem Herd blubbert. Kleine Rabauken, die sich durch halbverfallene Gässchen jagen. Ein sonnengefluteter Dorfplatz mit Campanile und einer Cafeteria, die den Mittelpunkt des Dorfes bilden. Postkartenkitsch also, durch Film und Werbung zum Klischee für die Ewigkeit geronnenen.

Viele Bücher aus Italien perpetuieren diese Bilder und sorgen damit zwar für hohe Absatzzahlen und Wohlfühlatmosphäre, die findige Werber gerne auch als Urlaub in Buchform anpreisen. Aber Literatur, die hinter die Kulissen schaut und sich für ihre Figuren inklusive möglicher Abgründe interessiert, das sind diese Bücher zumeist nicht.

Ein Buch, das ab und an dem Barilla-Effekt erlegen ist, nichtsdestotrotz aber auch gut lesbare Unterhaltung bietet, ist der Roman Der Hügel des Windes von Carmine Abate.

Dieser Roman ist in Kalabrien angesiedelt und hat einen unbestreitbaren Helden, nämlich den Rossarco. So haben die Bewohner der Region jenen Hügel getauft, der im Buch zum Fixpunkt für Generationen wird. Ein Archäologe vermutet die antike Stadt Krimisa unter dem Hügel. Andere wollen den Hügel mit Windrädern oder Hotels bebauen. Doch die Familie von Arcuri weiß sich zu wehren und hegt und pflegt den Hügel über Generationen hinweg. Und diese Geschichte der Generationen erzählt Abate in seinem Roman – drei Schichten Arcuris auf 314 Seiten (übersetzt von Esther Hansen).

Weniger Schicksal, mehr Dolce Vita

Der Tonfall von Abate ist recht einfach gehalten und auch die Erzählweise selbst ist konventionell gestaltet. Trotz einiger Unglücke, die die Familie Arcuri treffen, verpasst es Abate, seinem Roman Tiefgang zu verleihen. So berühren die Schicksalsschläge nicht, da diese zugunsten einer positiven La-Dolce-vita-Erzählhaltung nicht genauer verfolgt werden. Das ist schade, lässt aber andere Leser*innen genau deswegen glücklich mit diesem Titel werden. Denn wer den Barilla-Effekt mag und Bücher aus Italien genau deswegen schätzt, der dürfte hier sein Buch gefunden haben. Liebevoll schildert Abate den Wind, der auf dem Rossarco weht sowie die Flora und Fauna, die den Reiz dieser süditalienischen Landschaft ausmacht.

So ist das Buch gut konsumierbare Unterhaltung, die nicht schmerzt und zu einem kalabrischen Kurzurlaub einlädt. Zerstreuung in Buchform ohne wirklich Tiefgang – leicht und locker wie ein Sommer am Mittelmeer.

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