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Michael Crummey – Die Unschuldigen

Die Einöde Neufundlands, irgendwann um 1800 herum. Mitten in der menschenfeindlichen Umgebung aus zerklüfteter Küste, Eis und Einsamkeit – ein minderjähriges Geschwisterpaar. Von ihrem Kampf ums Überleben und ihrem Zusammenleben erzählt der Kanadier Michael Crummey in seinem Debüt Die Unschuldigen.


Werden Kinder heute in jungem Alter zu Waisen, ist da ein umfangreiches Netz aus Verwandten und staatlichen Stellen, das sich ihrer annimmt und um ihr Wohl kümmert. Doch zweihundert Jahre zuvor war es um solche Kinder deutlich schlechter bestellt. Nicht nur Charles Dickens beleuchtet die soziale Realität in seinen Büchern das Schicksal von Waisenkindern eindrücklich. Was ist aber, wenn man noch einmal einen Schritt weitergeht und das soziale Netz der Zivilisation, wie durchlässig es auch immer sein mag, weglässt? Davon erzählt Michael Crummey, der seine Geschichte um zwei Geschwister in der absoluten Einöde Neufundlands ansiedelt.

Michael Crummey - Die Unschuldigen

Dort, an der Küste leben Evered und seine Schwester Ada. Die Eltern verdienen ihr kärgliches Brot mit dem Fang und Pökeln von Fisch, den sie an die jährlich vorbeisegelnde Crew eines Schiffes verkaufen, Im Gegenzug dazu erhalten sie Ressourcen für ihr Überleben draußen in der menschenfeindlichen Umgebung. Von allem ist stets zu wenig da, der Wind pfeift erbarmungslos über die Hütte, im Winter ist vor lauter Schnee und Eis nicht an Arbeiten zu denken. Irgendwie schlägt sich die Familie allerdings durch – bis kurz hintereinander die kleine Schwester, Mutter und Vater sterben. Evered und Ada bleiben als Waisen zurück. In die nächstgelegene Stadt wollen die beiden nicht. Sie versuchen, die Arbeit ihrer Eltern fortzuführen und dem Schicksal zu trotzen. Dabei ist Evered erst elf Jahre alt, seine Schwester sogar noch zwei Jahre jünger.

Eine wuchtige Geschichte

Gemeinsam nehmen sie die Arbeit in den Schären auf, versuchen sich das Handwerk des Fischfangs und elementare handwerkliche Fähigkeiten selbst beizubringen. Ihre größten Gegner sind Hunger, die unwirtliche Landschaft vor ihrer Hüttentür und die Einsamkeit.

Dieses Leben oder eher Überleben fängt Michael Crummey mit wuchtigen Bildern und einer Sprache ein, die die Härte des Lebens illustriert. So bezeichnet Evered seine Schwester schon einmal als „Pisstrine“ (Übersetzung aus dem kanadischen Englisch durch Ute Leibmann). Manche Szenen erfordern einen robusten Magen, etwa wenn die beiden ein verunglücktes Schiff durchsuchen und an Bord auf einige unappetitliche Szenen stoßen.

Auch zeigt der Kanadier die limitierte Erlebnis- und Vorstellungswelt der beiden. So erleidet ein Schoner in den Schären vor ihrem Zuhause Schiffbruch. In der Folge werden Dinge wie ein Fernglas oder ein runder, wohlschmeckender Laib angespült. Den Geschwistern fehlt ein Wort für diese Köstlichkeit, bis sie später von Gästen in ihrer Hütte über den Namen der Leckerei aufgeklärt werden: Käse.

Wie es sich angefühlt haben muss, dieses Überleben in der Einsamkeit Neufundlands, in Die Unschuldigen lässt es sich eindrucksvoll erleben. Das Buch ist wuchtig und beobachtet nicht zuletzt auch die Frage von Einsamkeit, Erwachsenwerden und Begehren sehr direkt. Ohne zu viel verraten zu wollen: die im Buch beschriebene Welt ist mit unserer heutigen moralischen Welt und unseren gesellschaftlichen Regeln nicht wirklich deckungsgleich. Aber das ist es ja auch, was Literatur sollte. Uns andere Welten mit anderen Regeln präsentieren – und die Wertung derselben dem mündigen Leser überlassen. Beziehungsweise der mündigen Leserin. Und das gelingt Michael Crummey in seinem Buch ausnehmend gut.

Fazit

Crummeys Buch avancierte in Kanada zum Bestseller, erhielt einige Preise – und das zurecht. Die Unschuldigen ist ein besonderes Buch, das plastisch und präzise das Schicksal der Waisenkinder in einer unwirtlichen und erbarmungslosen Umgebung schildert. Vergleiche etwa mit Ian McGuires Nordwasser sind nicht falsch. Eine raue, archaische Welt nahe des ewigen Eises, der Kampf ums Überleben, der hohe Opfer erfordert und Taten, die gegen unseren ethischen Kodex verstoßen. Das alles findet man in Michael Crummeys Buch. Lektüre mit Wucht.

  • Michael Crummey – Die Unschuldigen
  • Aus dem kanadischen Englisch von Ute Leibmann
  • ISBN: 978-3-8479-0052-8 (Eichborn-Verlag)
  • 351 Seiten. Preis: 22,00 €
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Ben Smith – Dahinter das offene Meer

Wie wird sie aussehen, die Zukunft der Energie? Und wie unser Leben? Der Engländer Ben Smith findet in seinem Debütroman eine beunruhigende mögliche Antwort auf diese Fragen. Dahinter das offene Meer erzählt in einem dystopischen Umfeld angesiedelt von Offshore-Windenergie, Einsamkeit und dem Verlust von Sicherheit (übersetzt von Werner Löcher-Lawrence). Gerade in diesen Tagen eine unerwartet aktuelle und beunruhigende Lektüre.


Reduzierter geht es kaum: ein alter Mann und ein Junge, beide auf einer Art Plattform, inmitten eines Windenergie-Parks. Vieles ist nur angedeutet: wann und wo? Nicht weiter wichtig für Smiths Geschichte. Klar dagegen der Auftrag des Jungen, der ihn auf die Plattform geführt hat. Zusammen mit dem alten Mann ist er für die Wartung der Plattform und der Windräder zuständig. An allen Ecken bröckelt es, viele der Windräder sind schon zerstört oder nicht mehr am Netz. Der Leistungsgrad der Anlage liegt nur noch irgendwo bei 60%.

Kaum ist das eine Windrad repariert, fällt das nächste aus. Eine Sisyphosaufgabe, mit der schon der verschwundene Vater des Jungen beschäftigt war. Tag für Tag wandert der Junge durch die verlassenen Gänge der Plattform, alle paar Monate landet mal wieder ein Versorgungsschiff an, das dem Alten und dem Jungen Dosen mit undefinierbarem Speisebrei liefert. Doch ansonsten sind die beiden auf sich alleine gestellt und müssen für den Erhalt des Windparks sorgen. Franz Kafka meets Erneuerbare Energien.

Ein Kammerspiel im Offshore-Windpark

Ein Mann und ein Junge auf begrenztem Raum. Einige Geheimnisse und die Aufgabe, fernab der Zivilisation (sofern sie noch existiert) nicht verrückt zu werden. Irgendwo zwischen Odysee im Weltraum und The Shining siedelt Ben Smith seine Erzählung an, wenn er etwa den Jungen nachts durch die ächzenden und quietschenden Gänge der verlassenen Plattform streifen lässt. Das dystopische Setting vermag der Brite hervorragend einzufangen – besonders beachtlich, da dieses Genre in letzter Zeit ja einen wirklichen Boom erlebt hat und in meinen Augen schon übersättigt ist.

In Dahinter das offene Meer kann man allerdings ein originelles Buch entdecken, das einen frischen Zugriff auf die Frage liefert, wie sie aussehen könnte, unsere Zukunft der Energie und die des ökologischen Wandels. Wenngleich das Ergebnis in Smiths Szenario äußerst beunruhigend ausfällt – spannend und gut geschrieben ist das Ganze auf alle Fälle!


  • Ben Smith – Dahinter das offene Meer
  • Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
  • ISBN 978-3-95438-116-6 (Liebeskind)
  • 256 Seiten. Preis: 20,00 €
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Sy Montgomery – Rendezvous mit einem Oktopus

I’d like to be under the sea
In an octopus‘ garden in the shade
He’d let us in, knows where we’ve been
In his octopus‘ garden in the shade

The Beatles – Octopus’s Garden

Und schon ist er da – der Oktopus in der Popkultur. Egal ob im Song der Beatles oder als Schurke in den Fluch der Karibik-Filmen. Oktopusse üben auf uns einen ganz besonderen Reiz aus. Doch warum ist das so? Sy Montgomery geht in ihrem Buch Rendezvous mit einem Oktopus (übersetzt von Heide Sommer) den Geheimnissen des Meeresbewohners auf den Grund.


Ihr Buch ist voller überraschender Details über diese Meeresbewohner. So vermittelt sie im Lauf der 383 Seiten viele Informationen, die zu keinem Zeitpunkt überladen wirken. Sy Montgomery erzählt dabei unter anderem von der ungeheueren Kraft der Tiere. Selbst gerade einmal 70 Zentimer große Tiere können mit der immensen Kraft ihrer Saugnäpfe zur tödlichen Gefahr werden. Die Tiere sind in der Lage, ihre Körper durch nur wenige Zentimeter breite Spalten und Risse zu zwängen. Sie besitzen ein ungeheures Geschick, was das Öffnen von Behältnissen und mechanischen Vorrichtungen angeht. So berichtet Sy Montgomery, dass es schon Oktopoden gab, die wahre Meister im Ausbrechen aus den speziell für sie konstruierten Wassertanks waren. Und nicht zuletzt sei an dieser Stelle an den Kraken Paul erinnert, der im Jahr 2010 alle WM-Ergebnisse korrekt voraussagte und damit landesweite Berühmtheit erlangte.

Die Geheimnisse des Oktopus

Immer tiefer zieht die amerikanische Autorin die Leser*innen in die Welt der Oktopusse hinein. Im Lauf des Buchs avanciert Sy Montgomery zur wahren Oktopus-Kennerin. Sie wird im Aquarium von Boston namens Giant Ocean Tank, kurz GOT, zur Beraterin und darf ihr Wissen weitergeben. Man ist Zeuge, wie sie das Tauchen erlernt, um einmal die Oktopoden in ihrer natürlichen Umgebung kennenzulernen. Man trauert mit ihr, wenn wieder einmal einer der Oktopusse stirbt (mit drei bis vier Jahren Lebenserwartung der Tiere passiert das im Buch einige Male). Und sogar bei einem Oktopus-Blind-Date in Seattle ist Sy Montgomery mit dabei, als es zur Paarung zweier Tintenfische kommt.

Ihr Buch ist sehr lebendig geschrieben und zeigt, wie Nature Writing im besten Sinne funktioniert. Ein fundiertes, erzählendes Sachbuch, das Sympathie für die Oktopusse weckt, und das zeigt, welch faszinierende Tiere diese Meeresbewohner eigentlich sind. Nur Kalamari, die wird man danach nicht so schnell wieder verzehren mögen!

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Jens Rehn – Nichts in Sicht

Ein reduzierteres Setting für ein Buch ist kaum denkbar – ein Boot, darin zwei Männer und der große Ozean. Mehr braucht es für Jens Rehns Novelle Nichts in Sicht nicht.

Zutiefst existenzialistisch ist jene 1954 erschienene Erzählung, die leider nie den Ruhm erfahren hat, der ihr eigentlich zustünde. So konstatiert es Ursula März in ihrem Nachwort, das die Geschichte rund um dieses „Solitär“ der deutschen Literatur beleuchtet. Denn Nichts in Sicht erfuhr seit dem Erscheinen 1954 mehrere Neuauflagen (1977, 1993, 2003 und nun 2018). Prominente Fürsprecher wie Gottfried Benn oder Marcel-Reich-Ranicki setzten sich für Rehns Novelle ein. Doch in den Kanon der deutschen Nachkriegsliteratur hat es das Buch nicht wirklich geschafft. Nichts in Sicht besitzt noch immer den Status eines Geheimtipps.

Doch warum ist das so? Warum war dem Buch kein großer Erfolg beschieden, obwohl das Werk doch eigentlich das Beste im schriftstellerischen Oeuvre Jens Rehns ist (so zumindest ordnet es die Literaturkriterkerin Ursula März in ihrem kompetent formulierten Nachwort ein)?

Drei Gründe möchte ich dafür heranziehen, teilweise auch sehr subjektiv durch meine eigene Leseeindrücke geprägt. Sie erklären aus meiner Sicht, warum dem Buch keine größere Aufmerksamkeit beschieden war. Literaturwissenschaftler dürfen gerne Einspruch erheben und mich verbessern, als Laie stellt sich für mich die Situation wie folgt dar:

Zu unspektakulär

Wie ich schon eingangs schrieb, wird das Setting von Nichts in Sicht mit dem Begriff Karg kaum eingefangen und kategorisiert.

Zwar fasziniert der Schiffbruch als Motiv schon seit Jahrhunderten, aber das Breitwandformat und die Opulenz von anderen Schiffbruchgeschichten wie Robinson Crusoe oder dem Untergang der Flotte Medusa hat Rehns Geschichte nicht. Hier wird der Schiffbruch auf seine Essenz zurückgeführt. Das Ausharren zweier Männer auf dem Ozean im Jahr 1943, die stechende Sonne, der Whisky und Scho-Ka-Kola. Mehr gibts in Rehns Roman nicht, die Außenhandlung ist minimal, auch die Figuren selbst bleiben etwas unkonturiert.
Gerade im Vergleich zu einem Zeigenossen Rehns, mit dem er den biographischen Hintergrund teilt, wird dies besonders offenbar. Sein Name ist Lothar-Günther Buchheim. Er verfasste mit Das Boot eine Hommage an seine Zeit in einem deutschen U-Boot während des Zweiten Weltkriegs. Von dessen Pathos, der Kraftmeierei und der Wucht ist bei Rehn nichts geblieben.
Hier treiben nur zwei grundverschiedene Menschen übers Wasser und versuchen, am Leben zu bleiben. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.

Zu anspruchsvoll geschrieben

Das Ganze könnte natürlich packen, dieses reduzierte Setting, die Spannung, was aus den Schicksalsgenossen wird. Doch eine innere Spannkraft besitzt Nichts in Sicht in meinen Augen kaum.

Was ist eigentlich passiert? Die Novelle erklärt wenig, wirft dem Leser immer wieder Fetzen hin. Schon in der Bezeichnung der beiden Protagonisten wird dies offenbar. Sie heißen nur der Einarmige und der Andere. Ihre Biographien muss sich der Leser in Kleinarbeit zusammenpuzzlen. Erst langsam schält sich heraus, wie die Kette des Schicksals geschmiedet wurde, die sie aneinander bindet.

Das Treiben auf dem Ozean und das phlegmatische Ausharren unterbricht Rehn immer wieder mit assoziativen Einschüben, Erinnerungsfetzen und dem als Motiv auftauchenden Nichts in Sicht. Das mag zwar authentisch die Erfahrungen der geistigen Seelenlandschaft nach einem Schiffbruch wiedergeben, besonders zugänglich oder gut zu lesen macht es die Geschichte nicht. So braucht man viel Wachheit und Aufmerksamkeit, um die Hintergründe und die Rahmenhandlung sauber zu erschließen – für eine Lektüre en passant ist Rehns Novelle trotz der Kürze kaum geeignet.

Ungünstige Umstände

1954: Adenauer-Zeit, Wunder von Bern, Restauration. In diese Zeit passte ein Büchlein, wie es Rehn geschrieben hatte, kaum. Die Wunden des Zweiten Weltkriegs waren notdürftig verbunden, das Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf – da kam Nichts in Sicht zur Unzeit. Der Wille zur Beschäftigung mit den Gräuel des Krieges war nicht vorhanden, lieber wollte man den Mantel des Schweigens über das Geschehene breiten.

Und dann war ja da auch jener Lothar-Günther Buchheim, der dann 1973 Das Boot veröffentlichte. Wenn schon Zweiter Weltkrieg, U-Boote und Überlebenskämpfe, dann lieber auf diese Art und Weise – so schien das öffentliche Interesse zu bekunden. Nicht unerheblich auch die Verfilmung des Buchs durch Wolfgang Petersen 1981 – ein echter Kassenschlager, der die Aufmerksamkeit abermals auf Buchheims Roman zog. Neben diesem Roman und der umgebenden Berichterstattung wirkte Rehns Novelle wie ein Singer-Songwriter, der mit seiner Akustikgitarre auf einer Bühne mit einer Rockband bestehen sollte. Ein schwieriges Unterfangen.

Und jetzt ist es das Jahr 2018. Die Neuauflage des Romans steht in den Buchläden – und steht und steht. Zwei Rezensionen auf Amazon, kaum öffentliche Berichterstattung über das Buch. Und schon gibt es die nächste Adaption von Buchheims Das Boot in Form einer Serie, über die allenorten berichtet wird. Es scheint, als sei es das Schicksal von Nichts in Sicht, dauerhaft im Schatten dieses Werks zu stehen und dagegen unterzugehen.

Es soll nicht sein

Manchmal soll es einfach nicht sein. Die Verlage mühen sich, das Produkt ist eigentlich in Ordnung – doch die Öffentlichkeit will einfach nicht. Rowohlt musste dies beispielsweise mit Jochen Missfeldts Neuauflage von Solsbüll erfahren – und auch Schöffling ist nun um diese Erfahrung reicher. Das ist schade, doch manchmal kommt man gegen die ungünstigen Umstände nicht an. Es bleibt nur dieses wenig analytische Fazit – aber manchmal ist das einfach Schicksal.

Wenigstens an mir soll es aber nicht gelegen haben, das Jens Rehns Novelle dem Vergessen anheimfällt. Auf Buch-Haltung hat sie hiermit einen Platz gefunden und findet hoffentlich doch noch den ein oder anderen interessierten Leser ….

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Cilla und Rolf Börjlind – Die Springflut

Guter Schwedenkrimi

Die Springflut ist der erste gemeinsame Roman des erfahrenen Drehbuchschreiberpärchens Cilla und Rolf Börjlind, die zusammen für 26 Kommissar-Beck-Filme das Drehbuch verfasst haben. Diese Routine merkt man den Buch auch an – wer Schwedenkrimis liebt wird an diesem Roman nicht vorbeikommen.
Ausgangspunkt ist der Tod einer jungen Frau 1987, die auf grausame Art und Weise umgebracht wird – eingegraben in Sand wird sie durch die hereinkommende Springflut ertränkt. Der Fall muss ungelöst zu den Akten gelegt werden um dreiundzwanzig Jahre später wieder ans Tageslicht geholt zu werden. Die junge Polizeischülerin Olivia Rönning macht sich im Rahmen ihrer Ausbildung an das Aufrollen dieses Cold Cases aus der schwedischen Provinz und muss rasch erkenne, dass der damals zuständige Kommissar Tom Stilton Einiges über den Fall zu wissen scheint – doch dieser ist wie vom Erdboden verschluckt. So muss sich Olivia alleine auf die Suche nach den Mördern der jungen Frau machen und die Aufklärung des Verbrechens vorantreiben.
Cilla und Rolf Börjlind folgen mit ihrem ersten Roman dem Patentrezept eines jeden Schwedenkrimis: Ein brutaler Mord – am besten in der Vergangenheit, Ermittler mit schwerwiegenden Problemen (hier sind auch Analogien zur Sebastian-Bergmann-Reihe von Hjorth und Rosenfeld erkennbar) und die Kritik an sozialen Entwicklungen. Wer sich daran nicht stört erhält einen routiniert geschriebenen Krimi, der die vielen Handlungsstränge meist sauber auflöst und der einen vielversprechenden Auftakt zu der kommenden Serie bildet.
Was Die Springflut so gut lesbar macht, in meinen Augen allerdings auch ein kleiner Makel ist, ist das bunte gemischte Personentableau.
Dabei beschränken die beiden Schweden ihren Roman auf eine überschaubare Anzahl von Charakteren, die alle miteinander in Beziehungen stehen. Das macht das Buch übersichtlich, erweckt aber auch den Anschein von zuviel Konstruktion und Unglaubwürdigkeit, insbesondere was die Arbeit der Polizei angeht. So lösen die wenigen Figuren eigentlich im Alleingang einen alten Fall und verständigen sich nur untereinander. Am Ende scheint bei den beiden Autoren der Wunsch vorgeherrscht zu haben, alle Charaktere zusammenzuführen und eine Auflösung zu erzeugen, in der alle Mitwirkenden involviert sind. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, scheint mir gerade das etwas überzogen.
Ansonsten machen Cilla und Rolf Börjlind wenig falsch und liefern ein fast stimmiges Gesamtwerk ab, das dank der originellen Charaktere noch viel Entwicklungspotenzial bietet und einen vielversprechenden Auftakt zu der neuen Reihe darstellt.

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